Johannes 1, 35-42

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Johannes 1, 35-42

Göttinger
Predigten im Internet,

hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


5. Sonntag nach Trinitatis
4. Juli 1999
Predigttext: Johannes 1, 35-42
Verfasserin: Sabine Ulrich

I.
Liebe Gemeinde!

Vierzehn Tage ist der Kirchentag nun schon wieder her,
und immer noch habe ich die Bilder aus dem Fernsehen vor
Augen. Viele Tausend Menschen waren da. Sie besuchten
nicht nur Konzerte, Diskussionen und Märkte. Sie waren
auch und besonders in Gottesdiensten, Andachten und
Bibelarbeiten.
Aber nicht nur auf dem Kirchentag sehe ich Menschen, die
sich mit dem Thema Gott beschäftigen. Auch hier in der
Kirchengemeinde gibt es sie. Sonntags im Gottesdienst
oder in der Jugendarbeit, beim Frauennachmittag oder im
Kirchenchor. Sie alle müssen doch etwas gemeinsam haben.
Aber was? Warum haben sie alle Freude daran, ihre Zeit in
der Kirche zu verbringen. Sie könnten doch auch in den
Sportverein gehen oder vor dem Fernseher sitzen? Sie alle
sagen mir, daß sie sich in der Gemeinde engagieren, weil
sie an Gott glauben und gerne in der Gemeinde arbeiten.
Sie folgen Jesus nach.
Ist das der einzige Grund? Jesus nachfolgen und die
Arbeit in der Gemeinde macht Spaß? Wenn ich dann
darüber nachdenke, hoffe ich, daß mir der heutige
Predigttext auf meine Fragen Antworten geben kann. Denn
auch diese Erzählung aus der Bibel berichtet von
Männern, die Jesus hinterhergehen.
Deshalb möchte ich nun erst den Bibeltext vorlesen.

Predigttext

II.
Am Anfang der Erzählung werden zwei Jünger des Johannes
auf Jesus hingewiesen. Sie zögern nicht lange, sondern
gehen hinter ihm her. Sie schließen sich Jesus an.
Dieser bemerkt sie und fragt sie, was sie suchen.
So ähnlich ist es auch mit Petrus im zweiten Teil des
Predigttextes. Auch er wird von jemandem, diesmal ist es
Andreas, sein Bruder, auf Jesus hingewiesen, und er geht
mit, ohne eine einzige Frage zu stellen. Als er zu Jesus
kommt, spricht dieser ihn an.
Warum folgen die Jünger Jesus nach? Warum stellen sie
keine Fragen?
Um auf darauf eine Antwort zu bekommen, ist es wichtig zu
sehen, was geschieht, bevor die Jünger losziehen.
Sie waren Jünger des Johannes und der hat ihnen gesagt,
daß Jesus das Lamm Gottes ist. Danach sind die beiden
Männer losgezogen, um Johannes zu verstehen. Also muß
es an den Worten des Johannes liegen. Er hat gesagt, daß
Jesus Gottes Lamm ist. Jesus ist das Lamm, das sie Sünde
der Welt trägt. Er ist für uns gestorben und hat alle
unsere Sünde auf sich genommen. Durch ihn sind wir frei
davon. Er ist das Zeichen unserer Erlösung.
Auch wenn Jesus zur Zeit der Jünger noch gelebt hat,
haben sie, denke ich, genau dieses in dem Wort „Lamm
Gottes“ wahrgenommen. Sie haben gemerkt, daß Jesus
etwas ganz besonderes ist. Deshalb sind sie hinter ihm
her gegangen. Sie wollten dieses Besondere herausfinden.
Sie fühlten sich von Jesus angezogen.
Jesus bemerkt sie und fragt, was sie suchen. Er hat die
Jünger bemerkt, ohne daß sie sich bemerkbar gemacht
haben. Er hat sie gespürt; er wußte, daß sie kommen.
Und er weiß auch, daß die beiden Männer etwas suchen.
Deshalb spricht er sie an.
Die Jünger fragen nach der Herberge. Aber sie suchen
noch mehr. Nicht nur die Herberge Jesu. Sie fühlen sich
zu Jesus hingezogen und wollen wissen warum. Sie suchen
das, was ihnen den Sinn in ihrem Leben gibt. Deshalb
schließen sie sich Jesus an. Jesus kann ihnen die
Antwort darauf geben.
Als Andreas dies erkannt hat, geht er los, seinen Bruder
suchen. Das, was er gerade erfahren hat, will er
weitersagen. Er kann nicht mehr schweigen. Er muß von
Jesus erzählen. Und da das so wichtig für ihn ist, will
er es einem Menschen sagen, der ihm wichtig ist. Sein
Bruder ist solch ein Mensch. Er geht ihn suchen und als
er ihn gefunden hat, erzählt er ihm von Jesus dem
Messias. Petrus ist so fasziniert von dem, was sein
Bruder erzählt. Er geht einfach mit. Ohne Fragen geht er
mit seinem Bruder mit. Auch bei ihm weiß Jesus, wer er
ist. Er spricht ihn an und benennt ihn mit Namen.

III.
Und heute, wie kommen heute die Menschen in die
Nachfolge?
Ich denke, auch heute suchen die Menschen nach mehr als
dem großen Geld. Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist
so groß wie nie zuvor. Gerade heute zeigen die Massen an
Selbstfindungskursen und ähnlichen Veranstaltungen, daß
die Menschen mit dem, was sie haben, nicht zufrieden
sind. Sie suchen den Sinn ihres Lebens.
Jemand muß sie auf Jesus hinweisen und ihnen sagen, daß
Jesus die Suche in ihrem Leben beenden kann. Der Hinweis
auf Jesus ist bitter nötig. Durch ihn ergibt sich die
Möglichkeit, auf den Ruf Jesu zu hören.
Jesus ruft die Menschen zu sich. Aber oft hören sie ihn
nicht, denn es ist viel einfacher wegzuhören. Wenn ich
auf den Ruf hören würde, könnten sich ja Forderungen
anschließen. Aber wenn ich nicht darauf höre, dann kann
ich so weiter leben, wie bisher. Will ich das aber
wirklich? Den Sinn im Leben habe ich doch irgendwie immer
noch nicht gefunden. Und zufrieden bin ich auch nicht.
Wozu mache ich denn alles so, wie ich es jetzt mache.
Warum gehe jeden morgen aus dem Haus und komme abends
wieder? Es muß doch noch etwas mehr geben. Etwas, was
sich wirklich lohnt. In dieser Situation bekomme ich
einen Hinweis auf Jesus und dann kann ich seinen Ruf
hören. Ich merke, daß er mir einen Sinn in mein Leben
geben kann. Er ist für meine Sünden gestorben und
dadurch bin ich frei. Frei von meiner Schuld. Das höre
ich in seinen Worten und das kann ich annehmen. Jesus
weiß, daß ich etwas suche, genauso, wie er es bei den
Jüngern gewußt hat. Er gibt mir die Antwort!
Wie er sie mir gibt? Manchmal sind es nur ganz kleine
Zeichen. Kleine Wunder, die mir zeigen, daß da noch mehr
ist, als das Geld und der Wohlstand dieser Welt. Ich kann
es oft gar nicht beschreiben, was es ist. Aber in mir
entsteht ein Gefühl der Geborgenheit, und ich fühle
mich sicher. Da ist zum Beispiel die Schiffsreise von
Italien nach Griechenland vor 6 Jahren. Ich war mit einer
Reisegruppe unterwegs, und das Schiff war einfach nur
alt. Es klapperte überall. Ich hatte den Rost an allen
Ecken und Kanten gesehen, und es war die letzte Fahrt,
die dieses Schiff machen sollte. Ich weiß, ich hätte
keine Angst zu haben brauchen, aber ich hatte sie. Ich
hatte wirklich das Gefühl, daß dies die letzte Reise
sei, die ich je machen würde. Ich habe gebetet, und, als
ich Amen gesagt hatte, da konnte ich schlafen. Meine
Angst war weg.
Das ist für mich ein solches Zeichen. Es sind nicht
immer die großen Wunder, aber auch in diesen kleinen
Zeichen kann ich Gott, Jesus und seine Wunder sehen. Ich
weiß, daß er mich hält. Dies würde ich als Jesu Rufen
in meinem Leben bezeichnen. Ich bemerke einfach, daß
nach dieser Welt nicht alles zu Ende ist. Da ist etwas,
was mich hält. Gott hält mich. Ich kann es einfach
nicht genauer beschreiben, und es gibt sicher auch nicht
die Patentantwort. Aber Gott ist da. Er beschützt diese
Welt, denn sonst hätten wir sie schon lange nicht mehr.
Dieses Rufen fällt immer anders aus. Vielleicht ist es
bei einigen von Ihnen ein Wort aus der Bibel, daß ihnen
gezeigt hat, daß Gott da ist. Vielleicht ist es ein
Wort, das ein guter Freund, ein Bekannter zu Ihnen gesagt
hat. Oder es ist wie bei mir ein Erlebnis. Jeder muß
diese Zeichen für sich selbst entdecken.

IV.
Aber was geschieht danach, nachdem ich Jesu Ruf in meinem
Leben gehört habe? Geht dann alles wie bisher weiter?
In der Erzählung aus der Bibel, die ich heute morgen
hier gelesen habe, ergeht der Ruf auch an Simon. Jesus
nennt ihn beim Namen und benennt ihn um. Er heißt nun
Kephas, der Fels. Aus dem Simon ist der Petrus geworden.
Das griechische Petrus steht für das aramäische Kephas.
Jesus hat Simon verändert. Er hat aus ihm den Fels
seiner Gemeinde gemacht.
Die Nachfolge Jesu verändert. Sie hat auch mich
verändert und viele Menschen um mich herum. Wir leben
unser Leben jetzt ganz anders. Aber wie? Soll ich als
Mönch oder Nonne in der absoluten Askese leben? Als
Märtyrer, der für seinen Glauben stirbt? Muß ich
möglichst viele gute Werke tun, um in den Himmel zu
kommen? Paulus schreibt in einem seiner Briefe, daß wir
nur durch unseren Glauben gerecht werden.
Also doch weiterleben wie bisher! Nein, denn das ist
nicht mit dem Glauben zu vereinbaren. Wenn ich an Gott
und seinen Sohn glaube, der mich in die Nachfolge gerufen
hat, dann muß ich mein Leben einfach ändern. Dann
möchte ich nach den Geboten Gottes leben, weil ich
denke, daß ich dadurch die Welt ein wenig verändern
kann. Die Nachfolge muß freiwillig geschehen, diese
Änderung in meinem Leben, aber in dem Glauben an Jesus
kann das auch geschehen.
Glaube heißt Gehorsam. Gehorsam gegenüber dem Wort
Gottes. Der Gehorsam aber, der ergibt sich nur in
freiwilligem Tun. Die Welt zeigt uns, daß wenn Gehorsam
mit Strafe erzwungen wird, dann kommt es früher oder
später immer zum großen Krach. Dann rebellieren
Menschen und suchen sich einen Ausweg aus ihrer Lage,
manchmal auch mit Gewalt. Ich stelle mir vor, daß es
damals ähnlich war, als vor zehn Jahren die Mauer
gefallen ist. Viele Menschen in der DDR wollten unter
ihrem System nicht mehr leben, da sie mit Strafe zum
Gehorsam gegenüber dem System gezwungen wurden.
Eine solche Rebellion will Gott nicht. Deshalb muß der
Gehorsam ihm gegenüber freiwillig geschehen. Aber er ist
nötig. Er gehört zum Glauben und nur, wenn ich meinen
Gehorsam bestätigt sehe, dann wächst auch der Glaube.
Ich sehe, daß ich mit meinem Gehorsam Erfolg habe und
kann dadurch noch mehr glauben. Dieser Erfolg kann sich
unterschiedlich zeigen, z.B. darin, daß ich immer mehr
auf Vorurteile verzichten kann, oder darin, daß ich
hilfsbereiter auf meinen Nachbarn zugehen kann. Diese
Erfahrungen bestärken mich in meinem Glauben. Ich sehe,
daß es gut ist, so zu handeln. Der Mensch braucht für
sein Tun und Handeln wohl immer eine Bestätigung.
Deshalb sagt Jesus auch zu den Jüngern: Kommt und seht.
Sie sollen sich selbst überzeugen, denn dann können sie
leichter glauben.
Das hört sich hart an. Das Wort Gehorsam hat immer einen
negativen Nachgeschmack. Aber der Gehorsam gegenüber
Gott bedeutet doch, daß wir seine Gebote halten sollen.
Das ist nicht immer einfach. Ich denke, jeder, auch der
Pastor in den Kirche, kann davon berichten. Gehorsam ist
dennoch nicht negativ, denn im Gegenzug schenkt Gott uns
die Freiheit. Wir sind nicht mehr an die Welt gebunden.
Ich werde von Gott in die Nachfolge gerufen. Ich folge
ihm und übe ihm gegenüber Gehorsam aus. Und wie machen
es die Menschen auf dem Kirchentag und in den Gemeinden?
Ich denke, das, was sie tun, ist ihr Gehorsam gegenüber
Gott. Sie leben in der Nachfolge und weisen durch ihr
Leben auf Jesus hin, so wie es Johannes getan hat. Sie
versuchen, andere auf Jesu Rufen aufmerksam zu machen. In
der Lesung vorhin wurde auch von der Berufung des Petrus
erzählt. Er wurde später zum Menschenfischer. Und genau
das sind die Menschen in unseren Gemeinden auch. Sie
erzählen von Jesus, sie singen von Jesus, sie versuchen,
nach seinen Geboten zu leben. Das kann z.B. der
Besuchsdienst sein, der anderen mit der reinen
Anwesenheit eine Freude macht oder versucht in kleinen
Notlagen auszuhelfen. Oder die Jugendarbeit, wo von Jesus
gesungen und erzählt wird, wo jeder für den anderen da
sein möchte und eine Gemeinschaft entsteht. Aber auch im
täglichen Leben erkennt man diese Menschen an ihrer
Hilfsbereitschaft und ihrem Handeln. Sie strahlen für
mich immer die Liebe Gottes aus, und ich fühle mich von
ihnen angezogen. Sie sind Menschenfischer.

Amen.

Sabine Ulrich, stud.theol.
Von-Bar-Str. 2-4
37075 Göttingen
Tel.: 0551 / 5311205
Email: Sulric1@stud.uni-goettingen.de


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