Johannes 21, 15-19

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Johannes 21, 15-19

Liebe Geschwister,

als ich die Geschichte gelesen hatte, dachte ich: Wie mag sie weitergegangen
sein, was mögen die Jünger gedacht, getan, miteinander geredet
haben? Das hat mich zu der folgenden Geschichte angeregt:

Der Wind hatte sich zwar gelegt, doch das Wasser war noch sehr unruhig.
Und weil kein Wind war, konnten sie nicht segeln, sie mußten gegen
die Wellen rudern. Es war schon ein hartes Stück Arbeit, das plumpe
und schwerfällige Schiff im richtigen Winkel zu den Wellen zu halten,
damit es nicht kenterte. Genau so hart war es, trotzdem voranzukommen.
Und das mußten sie, denn es wollte Abend werden. Sie hatten noch
ein gutes Stück vor sich. Schweigend legten sie sich in die Riemen,
Petrus saß am Steuer. Jesus schlief wieder. Noch einmal würden
sie ihn nicht wecken. Den ganzen Tag hatte er unter Leuten verbracht,
hatte Kranke gesund und Mutlose zuversichtlich gemacht, hatte schließlich
vom Schiff aus zu den Leuten am Ufer geredet, lange und eindringlich.
Das alles hatte ihn erschöpft. Kein Wunder, daß er ärgerlich
reagierte, als sie ihn des Sturmes wegen weckten. Aber sie waren nun mal
in Panik geraten, hatten Angst um ihr Leben gehabt. Als Fischer und Schiffer
konnten sie natürlich nicht schwimmen. Und dann mitten auf dem See
plötzlich dieser Sturm, doch der war ja nun vorbei. Nun ruderten
sie hart gegen die Wellen und erreichten schließlich das andere
Ufer. Machten das Schiff fest, ließen Jesus schlafen und setzten
sich ein Stück abseits an den noch warmen Strand. Das alles geschah
schweigend, wie sie seit dem Sturm auch während der Fahrt geschwiegen
hatten.

„So was hab ich noch nicht erlebt,“ brach Petrus das Schweigen.
Dann redeten alle durcheinander, redeten von der Gefahr, in der sie geschwebt
hatten, und mit jedem Reden wurde der Sturm stärker, die Wellen höher,
die Gefahr größer. Keiner von ihnen wollte derjenige gewesen
sein, der als erster aus Angst geschrieen und damit die anderen in Panik
versetzt hatte. Vielleicht, meinte einer, hätte Petrus nur seine
Kommandos so laut gegeben, daß Jesus wach geworden war. Das leuchtete
allen ein, denn Angsthasen wollten sie alle miteinander nicht sein, diese
Männer. Petrus protestierte nicht – er wußte, wer als
erster geschrieen hatte.

Nun spürten sie, daß sie hungrig waren, ein gutes Zeichen
dafür, daß ihre Mägen sich wieder beruhigt hatten. Andreas
wurde zum Schiff geschickt, um Brot zu holen, einige sammelten Holz zusammen,
Petrus und Jakobus nahmen ein Netz, das am Strand lag, stiegen bis zum
Bauch ins Wasser, und bald zappelten ein paar Fische im Netz.

Als das Feuer brannte, brieten sie den Fisch, und Andreas teilte das
Brot aus. „Jesus schläft immer noch wie es Stein,“ berichtete
er, und das ihm das genau so merkwürdig sei wie alles, was sie bisher
mit Jesus erlebt hätten. „Worauf haben wir uns da nur eingelassen?“
fragte er in die Runde, doch die zuckten alle nur mit den Schultern und
kauten weiter. „Das weiß nicht einmal ich,“ ließ
schließlich Jakobus sich vernehmen, „obwohl ich sein Bruder
bin. Ich weiß nur: Er verfügt über mehrere besondere Gaben,
die sonst allenfalls mal einzeln vorkommen. Und das selten genug. Er kann
Menschen an Körper, Geist und Seele gesund machen, er kann in einfacher,
verständlicher Sprache vom Glauben reden – ihr habt es erlebt
– er kann aber auch furchtbar wütend werden, wenn ihm etwas
nicht paßt. Vor allem, wenn er Ungerechtigkeiten erlebt. Uns Geschwistern
war er im Denken und Reden weit überlegen, und wenn wir draußen
herumtobten, saß er in der Synagoge und diskutierte mit dem Rabbi.
Unser Vater mochte ihn nicht besonders, doch Mutter vergötterte ihn.
„Aus dir wird mal was Besonderes,“ sagte sie ihm oft, auch
vor unseren Ohren. Deswegen waren wir eifersüchtig auf ihn, und einmal
wollte ich ihn deshalb verprügeln. Doch er wehrte sich nicht, und
da konnte ich nicht mehr zuschlagen. Er nahm dann einen Klumpen Lehm auf,
ich sagte: ‚Wehe, du wirfst mich damit,’ aber er formte eine
Vogel daraus, wie echt. Dann sagte er: ‚Wenn ich den jetzt anhauche,
fliegt er davon. Aber ich will ihn dir schenken!’ – Mir lief
es kalt über den Rücken, denn ich spürte seine Kraft, mit
der er das hätte tun können. Ich hab den Vogel heute noch.“
Jakobus schwieg. Die anderen dachten über das Gehörte nach,
bis Andreas fragte: „Sagt mal, was wir heute erlebt haben, können
wir doch niemandem erzählen. Das glaubt uns doch keiner!“

Petrus widersprach. Sein Großvater, erzählte er, habe sich
einmal mit einer kleinen Karawane nach einem Sandsturm in der Wüste
verirrt. Sie hätten schon kein Wasser mehr gehabt und den Wüstentod
vor Augen. Der Durst hätte sie so gequält, das sie nur noch
irres Zeug geredet hätten. Nach einer fürchterlichen Nacht –
Schakale hätten sie schon umkreist – hätte einer behauptet,
er wisse, wo sie seien, und in Kürze würden sie eine Oase erreichen.
In letzter Hoffnung wären sie diesem Mann gefolgt und hätten
tatsächlich die Oase gefunden. Der Mann sei in der Nacht aufgewacht,
habe über sich die Sterne gesehen und sich an ihnen orientieren können.
Es erfordere, ergänzte Petrus, allerdings besonderer Kraft, sich
aus allgemeiner Panik zu befreien oder ihr nicht zu erliegen. Solche Geschichten
seien aber sehr wichtig, weil sie anderen Menschen helfen könnten,
in Not und Gefahr nicht zu verzagen, sondern die Lage ruhig und besonnen
zu analysieren.

„Dazu hilft mir immer ein Gebet,“ fuhr Petrus fort, „dabei
ordnen sich meine Gedanken und ich kann mich auf das Wesentliche konzentrieren.
So gewinne ich die Klarheit, die mir in einer verworrenen Situation hilft.“

„Eine wildgewordene Horde braucht eben einen strengen Hirten,“
meinte Andreas dazu und fragte: „Ahnt ihr, was er mit ‚Glauben’
oder ‚Vertrauen’ gemeint hat – Selbstvertrauen, Vertrauen
zueinander, Gottvertrauen?“ Jakobus ließ sich wieder hören:
„Für meinen Bruder hängt das alles zusammen, etwa so:
Wer Gott vertraut, kann auch anderen und sich selbst vertrauen –
und umgekehrt. Fragt mich nicht, wie das geht, aber ich habe gemerkt:
Es ist so.“ – „Da hast du wohl recht,“ bestätigte
Petrus, „wenn ich darauf vertraue, daß Gott mir hilft, dann
macht mich das stark und ruhig, und ich rechne damit, daß er mir
durch andere hilft. Dann brauche ich nicht vor Angst zu schreien wie-“
Fast hätte er gesagt „wie ich vorhin,“ ließ den
Satz aber lieber unvollendet. Daß es ein Ding ist, über Glauben
und Vertrauen zu reden und ein anderes, Glauben und Vertrauen zu leben,
ging ihm blitzartig auf. „War schon zutreffend, daß er sich
über unsern schwachen Glauben geärgert hat,“ stellte Petrus
vernehmlich fest, „da müssen wir noch viel wachsen! Andreas,
du hast vorhin gefragt, worauf wir uns mit Jesus eingelassen haben. Ich
denke, das ist es, daß wir im Glauben und Vertrauen wachsen. Und
ich bin mir sicher: Das lohnt sich!“

Das Feuer war heruntergebrannt, Jesus schlief wohl immer noch, und auch
die Jünger waren müde. Sie streckten sich im weichen Sand aus,
es war nicht ihre erste und nicht ihre letzte Nacht im Freien.

Amen

Gebet (aus Psalm 69)

Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke
in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.

Kyrie (s. EG 178.1 – 14

Laß an mir nicht zuschanden werden, die deiner harren, Herr, HERR
Zebaoth! Laß an mir nicht schamrot werden, die dich suchen, Gott
Israels! Denn um deinetwillen trage ich Schmach, mein Angesicht ist voller
Schande.

Kyrie

Ich aber bete zu dir, HERR, zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen
Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe. Errette mich aus dem
Schlamm, daß ich nicht versinke, daß ich errettet werde vor
denen, die mich hassen, und aus den tiefen Wassern; daß mich die
Flut nicht ersäufe und die Tiefe nicht verschlinge und das Loch des
Brunnens sich nicht über mir schließe.

Kyrie

Erhöre mich, HERR, denn deine Güte ist tröstlich; wende
dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht
nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilends.

Kyrie

Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will ihn hoch ehren
mit Dank. Die Elenden sehen es und freuen sich, und die Gott suchen, denen
wird das Herz aufleben.

Kyrie

Vater unser

Paul Kluge
Provinzialpfarrer im Diakonischen Werk
In der Kirchenprovinz Sachsen e. V.
Magdeburg
Paul.Kluge@t-online.de

 

 

 

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