Johannes 5, 1-18

Johannes 5, 1-18

Zu einem Zeitpunkt im Konfirmandenunterricht beschäftigten wir uns aus irgendeinem Grund mit dem dänischen Lied: Unverzagt, wie auch mein Glück. Ein Mädchen las laut etwas für sich selbst, und als sie zum Kehrreim dieses Liedes kam, konnte man sie sagen hören: Wenn ich nur in Gnaden steh, unverzagt, oh, wie das geht. Im richtigen Text heißt es: Unverzagt, was auch geschieht.

Das ist, gebe ich gerne zu, eine Wandergeschichte, die Pastoren gerne erzählen. Aber sie kann uns vielleicht helfen, uns einigen von den Fragen zuzuwenden, die die Geschichte vom Kranken bei Bethesda stellt.

Natürlich möchten wir alle gerne antworten können, wenn wir gefragt werden, wie es uns geht: Es geht uns gut. Es sollte ja alles so schön und perfekt wie möglich sein.

Aber was, wenn es nicht so einfach geht? Können wir dann lernen zu sagen: Unverzagt, was auch geschieht? Also unter allen Umständen! Sollen wir das lernen?

So wie der Evangelist Johannes es erzählt, erhalten wir das Beispiel eines Mannes, der 38 jahre lang krank war. Zusammen mit vielen anderen Kranken hat man ihn nach Bethesda gebracht, einem Teich in der Nähe von Jerusalem.

Was ihm auch fehlt, er kann jedenfalls nicht gehen und deshalb nicht selbst zum Teich mit dem heilenden Wasser kommen.

Die vielen chronisch Kranken sind wirklich auf eine Warteliste gekommen – und es wirkt ganz und gar zufällig, wer von ihnen geheilt und gesund wird.

Dieser scheinbare Zufall, der bestimmt, wer krank ist und wer gesund, hat wohl die Menschen immer veranlaßt zu fragen, wo Gott eigentlich in diesem Spiel ist.

Warum werden einige härter getroffen als andere? Warum werden einige geheilt und andere nicht?

Wenn man sagen kann, daß Heilung von Gott kommt, kann man dann auch sagen, daß Krankheit und Unglück von Gott kommen?

Es hat im Laufe der Zeit viele Versuche einer Antwort gegeben – und die waren sehr unterschiedlich. Nur um eine Erklärung zu finden, haben Menschen Krankheit als Strafe Gottes angesehen, wie das auch am Ende des Textes hier angedeutet wird: Sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Ärgeres widerfahre. Oder man hat die Wirklichkeit zwischen zwei Mächten aufgeteilt, eine böse und zerstörerische und eine gute und heilende Macht.

Ich meine nicht, daß eine dieser Antworten befriedigen kann – und ich meine, daß alle unsere Versuche einer Antwort den Versuch darstellen, die Wirklichkeit zu beherrschen, zu verstehen und zu erklären – auch wenn sie unbeherrschbar, unverständlich und unerklärlich ist.

Aber, werden einige nun einwenden, endet man dann nicht dort, wo sich der Mann in der Geschichte befindet, in einer resignierten Haltung zu seiner Lage und zu seinem Leben? Er ist offenbar dort gelandet, wo er ganz aufgegeben hat – und mutlos darüber klagt, daß ihm keiner hilft. Teilweise schiebt er die Verantwortung für seine Lage auf andere, die seiner Ansicht nach versagt haben: die Familie, die Gesellschaft, der Staat. Ihr könnt es sicher hören – und wiedererkennen!

Wenn Jesus deshalb – für einige etwas überraschend – fragt: Willst du gesund werden? – dann höre ich in dieser Frage mehrere Dinge:

Erst das Erschütternde, daß wir uns so sehr an das Nicht-Leben gewöhnen können, an ein begrenztes, eingeengtes, beherrschbares Leben, daß wir es schließlich akzeptieren – und die Möglichkeit der Veränderung ablehnen – aus der Furcht vor dem Leben, das überwältigend und fordernd ist.

Aber mit der Frage versucht Jesus auch den Mann in seiner persönlichen Verantwortung festzuhalten. Unser Leben wird zwar in hohem Maße von dem bestimmt, was zu uns kommt, aber es wird auch davon bestimmt, wie wir das annehmen, was auf uns zukommt: Ob wir es annehmen, es auf uns nehmen, damit arbeiten.

Und es gibt meiner Meinung nach Auffassungen vom Christentum, die die Dinge verdreht haben. Man hat es zuweilen so verstanden, als sei es eine christliche Tugend, sich zu beugen und sich Krankheit, Unglück und Unterdrückung zu unterwerfen, als sei das alles Gottes Wille.

Und es ist schwierig, einer zuweilen unbeherrschbaren Wirklichkeit in die Augen zu sehen und zugleich den Gedanken an Gott festzuhalten als den, der es gut mit mir meint, von dem ich mir alles Gute erwarte (Luther). Deshalb kann die Frage Jesu: Willst du gesund werden? noch immer als tiefe Provokation empfunden werden. Hast du Vertrauen zum Innersten im Dasein, zu Gott, wenn es drauf ankommt? Ganz gleich, wie es dir geht?

Im Johannestext wird Jesus selbst die Antwort Gottes an den Mann. Auch wenn der Mann resigniert hat und aufgegeben hat, kann Gott ihn erreichen, als Jesus ihm die Hand reicht und ihn buchstäblich aus der Bitterkeit und dem Gefühl der Benachteiligung reißt, so daß er sich bewegen kann und wieder ins Leben kommt.

In dem oben erwähnten Lied vollzieht der Dichter Ambrosius Stub keine so großen Schritte, sondern muß sagen, daß der Mut zum Leben, wenn er auf Widerstand stößt, „eben das Meisterstück ist, auf das ich täglich baue“.

Man kann sich also im Vertrauen und Lebensmut üben, auch wenn dem alles widerspricht. Das ist wohl das was Ambrosius Stub beschreibt, wenn er sagt: „Wenn ich nur in Gnaden steh“. Amen.

Pfarrerin Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: 39 65 52 72
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