Johannes 8, (21-26a) 26b-30

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Johannes 8, (21-26a) 26b-30

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Reminiscere,
11. März 2001

Predigt über über Johannes 8, (21-26a) 26b-30,
verfaßt von Jan Christian Vaessen, Groningen, Niederlande


Lesungen: Exodus 3,13-14
Johannes 8, (21-26a) 26b-30

Für diese Predigt sind die liturgischen Bedingungen entscheidend
gewesen. Der Name des Sonntags – reminiscere, sich erinnern – und die Taufe im
Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes haben die Wahl der
alttestamentlichen Lesung beeinflußt (Exodus 3,13-14 wo Gott sich Moses
mit dem Namen ‘ich bin der ich bin’ bekannt macht). Durch diese
Verbindung wird die Kontroverse zwischen Jesus und die Juden in Johannes
8,21-26a vielleicht besser verstehbar. Gleichzeitig soll deutlich werden,
daß in diesem Namen der entfernte und oft unverstehbare Gott dem Mensch
sehr nah kommt.

Liebe Gemeinde,

Was bedeutet es, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes getauft zu sein oder zu werden? Jedesmal, wenn wir hier ein Kind zur
Taufe getragen haben, wird diese Frage gestellt und beantwortet. Gott verbindet
seinen Namen mit diesem Kind und damit sagt er: ich liebe dich und verspreche
dir, daß ich mit dir bin so lange du leben wirst. denn Gott will dein
Vater sein und in Jesus, deinem Freund und mit seinem heiligen Geist in dir
wohnen damit du es aushalten kannst in einer Welt wo es manchmal sehr dunkel
werden kann. Die Taufe im heutigen Gottesdienst ist ein bißchen anders
als sonst, weil heute nicht ein Kind getauft wird sondern Lammie Wilkens als
erwachsene Frau. Danach wird sie mit Jan Vermeer und Janet Nieuwehave in den
Gemeinderat eingeführt. In der Vorbereitung habe ich mich darum auch
explizit auf die Taufe konzentriert und besonders auf die Frage, was es
bedeutet, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zu taufen.

So las ich in einem liturgischen Handbuch, daß Pfarrer oft
die Neigung oder das Gefühl haben die Taufhandlung im Namen Gottes zu
verrichten und daß sie sich dabei für die Stellvertreter Gottes auf
Erde halten. Wie man vor dem Gericht jemanden repräsentieren kann, so
spricht und handelt der Pfarrer für oder im Namen des nicht leiblich
anwesenden Gottes. Der Liturg war sehr entschieden gegen diese Auffassung des
Satzes ‘ich taufe dich im Namen des …’ Der Pfarrer ist nicht der
Sonderbeauftragter Gottes. Das wäre zu viel Ehre für die Person des
Pfarrers. Nein der Satz bedeutet etwas ganz anderes: es geht darum daß
der Getaufte untertaucht und aufgenommen, oder geborgen wird im Namen Gottes.
Das die Taufe vollzogen wird ist wichtig, nicht wer sie vollzieht. Ich
muß Ihnen ehrlich gestehen, daß ich mich als Vollzieher der Taufe
jedesmal ein bißchen als Stellvertreter Gottes in Gasselte gefühlt
habe und das war mir auch ganz angenehm. Ich fand den Autor und seine Gedanken
ziemlich übertrieben. Ich meine, jemand muß doch die Taufe
vollziehen. Aber trotzdem konnte ich die ganze Sache auch nicht gut loswerden
und fragte mich: hat er vielleicht Recht? Ist es nicht so, daß wir als
Arbeiter in der Kirche viel zu leicht wichtige Stellen einnehmen die wir
anderen verweigern? Können wir je wahr machen, was Gott mit seinem Geist
bewirkt? Was bedeutet es geborgen zu sein im Namen Gottes, eben da wo Menschen
meistens fehlen?

Gott schickte Moses nach Ägypten um sein Volk aus der
Sklaverei zu befreien. “Aber Herr, die werden mir nicht glauben. Und wenn
die mir fragen wer hat dich zu uns geschickt was soll ich dann sagen. Ich
könnte sagen: der Gott Euer Väter hat mich geschickt, aber ich
fürchte, daß das nicht genügt. Die wollen bestimmt mehr wissen.
In Ägypten gibt es so viele Götter und die haben alle einen eigenen
Namen. Und wenn das Volk wissen will, Gott, wie dein Name ist, was werde ich
dann sagen? Wie heißt du, Herr?”

Warum ist in der Bibel der Eigenname eigentlich so wichtig? Ich
glaube, daß das etwas zu tun hat mit Verantwortlichkeit und
Gemeinschaftssinn. So lange du anonym bist, kann keiner dich auf irgend etwas
ansprechen. Aber von dem Moment an, in dem du dich vorgestellt hast, deinen
Namen preisgegeben hast, kann man dich auf deinen Namen ansprechen und
verantwortlich machen für deinen Taten. Wenn du deinen Name jemandem
sagst, dann gibst du dem anderen auch ein bißchen Macht über dich.
Er oder sie kann dich rufen, damit du in der Gemeinschaft mitmachst, damit du
tust, was du versprochen hast, damit du hilfst, die Gemeinschaft weiter
aufzubauen. Kurz und gut, wenn du einmal deinen Namen gegeben hast dann kann
jeder dich auffordern, deine Verantwortung auf dich zu nehmen – so wie jeder in
der Gemeinschaft das macht. Die Frage von Moses nach Gottes Name ist also auch
die Frage nach Gottes Beziehung zu seinem unterdrückten Volk. Können
wir auf dich rechnen, Gott, können wir dich halten an was du uns
versprochen hast, willst du wirklich das Schicksal deines unterdrückten
Volkes teilen und bist du mehr als die anderen Götter, für die wir
Tempel bauen müssen in Ägypten? Eine logische Frage übrigens,
denn das Volk Israel war schon sehr lange Zeit in ägyptischer Sklaverei
gewesen und dann wird man mißtrauisch.

Aber als Gott antwortet wird Moses nur teilsweise befriedigt.
Einerseits gibt Gott seinen Namen preis: Ich bin der ich bin. Mit diesem Namen
will er angesprochen werden, teilnehmen an der Gemeinschaft seines Volkes.
Anderseits sagt dieser Name in sich selbst noch nicht sehr viel. Da ist noch
eine Menge unausgesprochener Bedeutung drin, die man nicht so einfach
erklären kann. Ich muß dabei an eine Frage denken, die ein
Reitschüler an seinem Lehrer stellte: “Sie sagen immer, daß wir
mitgehen müssen in der Bewegung. Was bedeutet das eigentlich?”
“Ach so”, sagte der Lehrer, “das ist ganz einfach. Du sitzt auf
einem Pferd, das Pferd bewegt sich, und du muß mitgehen mit dieser
Bewegung.” “Also mitgehen in der Bewegung”, sagte der
Schüler, “bedeutet mitgehen in der Bewegung. Könnten Sie das
vielleicht noch ein wenig weiter erklären, denn ich verstehe es immer noch
nicht.” “Weiß du was du machen sollst antwortete der Lehrer ein
bißchen irritiert, “setz dich auf dein Pferd und fühl die
Bewegung. Dann wird die Bewegung dir beibringen, wie du darin mitgehen kannst.
Es gibt nun einmal Sachen die man nicht erklären kann, die muß man
erfahren.” Etwas ähnliches wirkt auch in dem Namen ‘Ich bin der
ich bin’: Willst du wirklich wissen Moses was dieser Name bedeutet dann
mußt du das lernen aus der Erfahrung. Da ist so vieles in diesem Namen,
das man nicht erklären kann, weil kein Mensch es verstehen kann, weil es
keine Worte dafür gibt, weil es mehr ist als menschlicher Sprache und
Logik fassen kann. Das kann sehr verunsichern und es braucht auch viel
Vertrauen, um mit so einem geheimnisvollen Namen auf Reisen zu gehen. Aber das
Volk Israel hat aus eigener Erfahrung gelernt, daß der Gott, der sich mit
diesem Namen offenbart hat, ihr Vertrauen noch nie enttäuscht hat. Wie
dunkel und verzweifelt ihre Lage auch war, er hat sie immer beschützt und
bewahrt.

Natürlich: am Anfang ist dieser Glaube noch nicht ganz stark.
Gott ist einer der vielen Götter. Aber als die Erfahrungen zunehmen und
deutlich wird daß für den Gott Israels kein Meer zu tief ist, um
sein Volk zu retten, dann wird er der allerhöchste Gott im Himmel und auf
Erden. Sein Name ist mehr als menschlicher Verstand fassen kann, aber dies
haben wir erfahren: er ist mit uns, immer und überall. Das wird auch
ausgedrückt mit dem Name Jahwe. Dieser Name ist zwar grammatikalisch
verwandt mit dem Verbum ‘sein’ womit Gott sich an Moses bekannt
gemacht hat, aber ist von diesem Verbum kein Verbalform. Das heißt: er
ist da, er ist mit uns, aber wir können ihn nicht mit Sprache restlos
beschreiben, verstehen, erfassen. Das ist auch der Grund warum die Juden den
Gottesnamen nicht aussprechen. Jedesmal als sie den Buchstaben JHWH in der
Schrift begegnen, sagen sie ha shem, was “der Name” bedeutet.
Und in diesem Namen klingen alle unausgesprochenen Bedeutungen mit. Die
Bedeutungen, die wir aus eigener Erfahrung in der Vergangenheit kennen gelernt
haben und auch die Bedeutungen, die wir noch nicht kennen. Der
allerhöchste Gott im Himmel und auf Erden, der die Sonne, dem Mond und den
Sternen ihre Bahn gegeben hat; der das Gute vorhat mit seiner Schöpfung;
der den Mensch gemacht hat als Mitarbeiter; der das Böse in seinen
unverstehbaren Tiefen überwunden hat mit seiner Liebe. Der Gott der
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; der Leben gibt wo der Tod ist; der Freude
gibt wo Trauer ist; der Frieden gibt wo Menschen einander umbringen. Der Gott
der Menschen eine verantwortliche Stelle gibt in der Gemeinde, die in einer
anonymen gesichtslosen Computerkultur lebt; der seine Gemeinde beschützt
und bewahrt; auch wenn alles um sie her zusammenbricht. Der Gott der neue
Perspektive gibt, wenn alles verloren scheint. Der Gott, der Jesus vom Tod
erwecken kann und mit seinem Geist Menschen festhält, wenn sie im Dunkel
fallen um sie danach wieder ins Licht zu stellen. Bist du getauft, geborgen in
diesem Namen, dann ruft er dich bei deinem Namen, dann darfst du ihn anhalten
zu dem, was er versprochen hat und es gibt nichts mehr, was dich scheiden kann
von seiner Liebe. Gerade da wo Menschen fehlen, wird er da sein, um dich zu
begleiten zu deiner Bestimmung und dir helfen um deine Stelle in der
Gemeinschaft wieder einzunehmen.

Das ist der Gott, den Jesus Vater nennt, der Gott der ihn nie
alleine läßt, der Gott der in allem wahrhaftig ist. Jesus spricht
seine Wörter, tut seine Taten. Die Juden verstehen das nicht und das ist
eigentlich ganz logisch, weil in ha shem so vieles ist was für
Menschen unverstehbar ist. Und wie ist es dann möglich für einen
Mensch um auf so intimer Weise mit Gott um zu gehen, daß er ihn Vater
nennt. Die Juden sind tief erschüttert.
Aber Jesus läßt sich dadurch nicht
ableiten. Ob sie es verstehen oder nicht

und eines Tages werden sie es verstehen –
Gottes Willen wird realisiert werden. Das heißt, daß er wieder der
Gott ist, mit dem seine Kinder, sein Volk in intimer Weise umgehen. Der helfen
wird, wie Menschen nie helfen können, ganz konkret im Alltag, aber auch in
Leben und Sterben, in Zeit und Ewigkeit, immer und überall. Das
heißt auch, daß Menschen sich wieder bei ihren Namen rufen lassen
und mit voller Verantwortlichkeit ihre Stellen in der Gemeinschaft einnehmen
und die Liebe des Herren fließen lassen. Sie werden zeigen, daß der
Glaube an diesen Gott Mut gibt und Kraft, innerliche Ruhe und Frieden, wodurch
Anderen gesegnet werden und auch selber diese Kraft erfahren werden. Kurz und
gut, daß getauft oder geborgen sein im Namen des Vaters des Sohnes und
des heiligen Geistes keine leere Formel ist, sondern konkrete Hoffnung gebende
Wirklichkeit, die jedem gegönnt und gegeben wird.

Ich glaube, daß es inzwischen wohl deutlich geworden ist –
mir ist es auf jeden Fall deutlich geworden – daß kein Mensch sich selber
für einen vollständigen Vertreter oder Repräsentant dieses
Gottes auf Erden halten kann. Die Scheu, die die Juden hier haben ist
lehrreich. Und auch der Liturg hatte Recht. Keiner kann sich für seine
Position in der Gemeinde rühmen. Alles was in der Gemeinde geschieht, ist
gleich wichtig. Jeder hat seine Talente und der Geist hilft diese Gaben auch zu
entwickeln. Natürlich gibt es da Bedingungen, um die Gemeinde vor
Oberflächlichkeit und Willkür zu schützen. Pastoralarbeiter,
Pfarrer, Gemeindemitglieder, Gemeinderatsmitglieder, alles was wir alle machen,
machen wir aus dem Bewußtsein, daß Gott Menschen liebt und wir
mitarbeiten dürfen, um diese Liebe unter die Menschen zu bringen. Und dann
ist alles was getan wird im Namen Gottes – in der Offenheit oder mehr im
verborgenen – wichtig. Es geht nicht um Positionen. Es geht um die Liebe
Gottes, die allen Menschen gilt. Und dafür können wir Jesus danken,
daß er die Liebe des Allerhöchsten, oft unverstehbaren Gottes so
ganz nah zu den Menschen gebracht hat. Getauft sein oder sich geborgen wissen
in seinem Namen ist etwas ganz Besonderes. Erfahre die Liebe Gottes und zeige
sie dann jedem, der dafür offen ist. Und du wirst dich wundern. Amen

Dr. Jan Christian Vaessen, Groningen, Niederlande


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