Kinder des Lichtes…

Kinder des Lichtes…

Kinder des Lichtes und Kinder des Tages | Predigt zu 1. Thessalonicher 5:1-11 | verfasst von Ralf Reuter |

Ganz am Anfang seiner Zeit, noch in der frühen Phase des Verliebtseins in die erste Gemeinde, schreibt Paulus: „Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages.“ (1.Thess 5,5) Kinder des Lichtes sein, wie es leuchtet von der ersten Erschaffung der Welt bis zur Vollendung am Ende der Tage, wie es das Kreuz Christi überstrahlt und die Seinen zum Licht der Welt macht, schon jetzt auf dem Weg in die Ewigkeit. Zu Kindern des Tages werden, jede Arbeit, jede Empfindung, jeder Gedanke des Tages wird mit diesem Wort ins Licht Gottes gesetzt, wird bedeutend, kostbar und herrlich. Wunderbar ist es zu leben als Kinder des Lichtes und Kinder des Tages.

Wir sind daher keineswegs Corona-Kinder, wie man diese Tage meinen könnte, wo wir die Aktivitäten wieder zurückdrehen müssen. Sowenig Menschen, die mit Krieg und Leid aufwuchsen, Kriegskinder sind oder gar eine verlorene Generation. Natürlich gibt es die Finsternisse auf dieser Erde, wo Menschen ihrer göttlichen Bestimmung nicht gerecht werden und abdriften zu Kindern der Nacht und des Unheils. Paulus mahnt seine geliebte erste Gemeinde, „wir wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ (5,8) Denn sie bleiben selbst in der größten Not immer Kinder des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, sind Kinder des Lichtes und Kinder des Tages.

Ich will dazu eine Geschichte erzählen, berichten von einer Taufe vor 25 Jahren, von einem fünfjährigen Kind, das nicht getauft werden wollte, mitten im Gottesdienst. Die Kirche war voll, und dieses Kind scheute und versteckte sich in der Kirchenbank, und blieb dann bis zuletzt auf dem Schoß ihrer Mutter sitzen. Erst als alle gegangen waren, war es bereit und ich habe es getauft. Der Taufspruch: Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Mir ist diese Geschichte sehr nahe gegangen, sie begleitet mich all die Jahre bis heute.

Denn dieses Kind hat eine Vorgeschichte. Es wurde im ersten Lebensjahr von seinen ersten Eltern öfter in einem dunklen Raum sich selbst überlassen. Die ältere Schwester hat ihr ab und zu die Flasche gegeben, damit sie überhaupt etwas zu essen bekam. Wirklich kein Kind auf der Sonnenseite, ihr Zögern in der Taufe macht das eindringlich erfahrbar. Und doch bekam es diesen Taufspruch. So startete das junge Leben im Lichte Gottes, und die Finsternis der ersten Tage beginnen damit zu leuchten. Es erscheint nun als einzigartiges Geschöpf Gottes, mitgenommen auf den großen Weg in das Leben.

Doch die Geschichte geht weiter. Sie wird noch ergreifender, wenn man weiß, wie die Erfahrungen der Finsternis immer wieder dieses Leben verdunkelt haben und noch verdunkeln, wie es in die Fänge derer geriet, die da kommen „wie ein Dieb in der Nacht“ (5,2) und mit hineinzieht in die abgründigsten Erfahrungen. Wir kennen solche Verläufe des Lebens, manchmal auch bei uns selber, wo die Schattenseiten die Lichtmomente immer wieder eintrüben. Und selbst darin verliert kein Mensch seine Taufe. Immer gilt die Verheißung des Lichtes. Es ist der Blick Gottes, der einen mit hinein nimmt in seine Schöpfung und seine Vollendung, an jedem Tag des Lebens.

Gott legt einen Weg auf, den auch menschliche Abwege nicht zerstören können. Immer ist dieser Weg da, immer ruft er uns auf rechter Straße um seines Namens willen, wie es im 23. Psalm heißt. Viele lesen diesen Psalm ja ein Leben lang, an den Weggabeln und Übergängen, bis hin zur Beerdigung. Dann ist es der Blick zurück, wo wir die Fragmente des Glücks und der Erfüllung in den einzelnen Tagen der Verstorbenen wiederfinden, umrahmt von den dunklen Zeiten, die oft nur angedeutet werden. Christus selber ist es, der diese Teile zusammenfügt und sie für uns einbringen wird am Tag des Herrn.

Der 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki ist das älteste Zeugnis des Neuen Testamentes, ein Liebesbrief an seine erste Gemeinde. „Von den Zeiten aber und Stunden“ (5,1) will er nicht reden, längst ist die rechte Zeit an jedem Tage da, längst ist das Ziel mit dem Weg des Lichts gegeben. Er will die Seinen nicht „zum Zorn“ (5,9) bestimmen, sondern dazu, „die Seligkeit zu besitzen durch unseren Herrn Jesus Christus.“(5,9)  Paulus nennt dazu Glaube, Liebe und Hoffnung als Wegzehrung auf diesem Weg der Nachfolge, er rüstet die Seinen damit aus. Im Hohenlied an die Korinther (1.Kor13,13) stellt er dann die Liebe ans Ende. Doch Glaube, Liebe, Hoffnung, sie klingen hier noch frischer, lebensnaher.

Leben als Kinder des Lichtes heißt dann jeden Tag leben als Kinder des Tages. Der Weg des Lichtes lebt sich im Kampf der Vormittage und Nachmittage, und besonders der Abende. Hier hat sich der Glaube gegen den Zweifel durchzusetzen, hier kämpft die Liebe um die eigene Annahme, um Zuwendung zum Nächsten. Und hier ist es die Hoffnung, die einen auch da weitergehen lassen kann, wo kein Licht zu sehen ist, wo Handicaps verzögern. Immer wieder kommt es darauf an, seiner Bestimmung treu zu bleiben, sie zu erneuern. Martin Luther hat das schon in der ersten seiner 95. Thesen erfasst: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: ‚Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen‘, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“ Buße als Umkehr zum Licht, als die Gestaltung des Tages mit Glaube, Liebe und Hoffnung.

Ganz praktisch versuche ich dies mit Managern vor dem Ruhestand einzuüben. In kleinen Klosterseminaren müssen sie einen Wochenplan erarbeiten, und für alle Tage und Zeiten etwas eintragen. Denn der Tag braucht eine Struktur, besonders wenn äußerlich nichts mehr vorgegeben wird. Da hinein gehören weiterhin Anteile von Arbeit und Anstrengung, auch soziale Einsätze wie familiäres Kümmern. Auch regelmäßige Fitness muss hinein, und feste Zeiten des Essens. Dazu die Gestaltung des Wochenendes und des Sonntags, und auch die Wahrnehmung von spirituellen Angeboten.

Es ist unendlich wichtig, an keinem der Tage alles laufen zu lassen und zu „sagen: Friede und Sicherheit“ (5,3). In jedem einzelnen Tag ist der Tag des Herrn enthalten, hier leben wir schon von dem Licht, das uns einst erwarten wird. Die Zeiten und Stunden sind als Aufgabe gesetzt, da hilft es, nüchtern und vorbereitet zu sein. Die Nüchternheit hilft selbst gegen das zu enge Feiern in den Zeiten von Corona, und sie hilft allemal in der Fürsorge von kleinen Kindern, sie hilft uns in der lebenslangen Begleitung von Familienangehörigen, sie hilft in allen Fragen unseres Daseins.

Denn Gott hat uns in sein Leben berufen, hat uns ausgestattet mit Glaube, Liebe und Hoffnung. Er hat das Licht des ersten Tages in alle Tage hineingelegt und leuchtet sie mit uns aus bis in seine Vollendung. Darin „tröstet euch untereinander und einer erbaue den anderen“ (5,11). So liebevoll wie Paulus dies seiner Gemeinde schreibt, so seelsorgerlich lasst es uns in diesen Tagen den Menschen, den Gemeinden und der Welt zukommen. Da wird das Leben hell und klar, kostbar und herrlich zu leben. Denn wir sind Kinder des Lichtes und Kinder des Tages.

Pastor Ralf Reuter

Göttingen

E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de

Pastor für Unternehmensleitungen und Führungskräfte der Wirtschaft der Hannoverschen Landeskirche und zugleich Pastor an der Friedenskirche Göttingen

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