Konfirmation / Gen 28,10-19

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Konfirmation / Gen 28,10-19

Mit Abstand verbunden | Konfirmation | 05.09. und 19.09.2021 | Predigt zu Genesis 28,10–19a | verfasst von Christoph Kock |

I. Übergänge

Sie sieht sich um und atmet tief durch. Ihr Zimmer hat sich verändert. Bald wird hier eine ihrer Schwestern einziehen. Die beiden sind jünger als Lina und müssen sich ein Zimmer teilen. Lina geht für ein Jahr ins Ausland. Ein anderes Land, eine andere Sprache. Eine andere Familie, eine andere Schule. Das alles wartet auf sie. Sie hat sich beworben und hat den Platz im Austauschprogramm bekommen. Wie hat sich Lina gefreut, als sie die Zusage in den Händen hielt. Ihre Familie auch. Lina war gleich klar, dass sie ihr Zimmer dann räumen muss. Jetzt hat sie ihren Koffer gepackt, 20 kg plus Handgepäck. Ihre Sachen hat sie sortiert, Lego friends verkauft, Bücher verschenkt, in Kisten gepackt, was sie behalten will. Ihre Poster von Harry Potter liegen im Altpapier. Die Zeit ist vorbei. Lina wird wiederkommen, aber der Abschied vom Kinderzimmer fühlt sich irgendwie endgültig an. Noch einmal wird sie in ihrem Bett schlafen. Morgen steht der Abschied an. Wenn sie daran denkt, bekommt sie so ein komisches Gefühl im Bauch. Zum ersten Mal wird sie allein unterwegs sein, auf sich gestellt. Lina sieht die leeren Regale, den leeren Schrank. Ihr Blick fällt aus dem Fenster. Gerade geht die Sonne unter und taucht das Zimmer in ein rotes Licht.

Höchste Zeit, dass er verschwindet. Jakob hat seinen Bruder betrogen. Der ist nur ein paar Minuten älter als er, aber das reicht. Jakob ist der jüngere. Er hat seinen Bruder um den Segen für den Erstgeborenen betrogen. Den hochbetagten, blinden Vater getäuscht. Sich als sein Bruder ausgeben. Ein Segenserschleicher, das ist Jakob. Sein Bruder ist immer noch wütend, bis in die Haarspitzen. Will ihn umbringen, sobald der Vater die Augen für immer zugemacht hat. Seine Mutter ahnt, was kommt, und schickt ihren Liebling in die Fremde. In die Gegend, aus der sie selbst kommt. Dort soll er auf Brautschau gehen, das sagt sie ihrem Mann. Aber Jakob soll weg, damit sich die Geschichte von Kain und Abel nicht wiederholt. So macht sich Jakob auf den Weg. Zum ersten Mal ist er allein unterwegs, ohne seine Familie und ohne die vielen Menschen, die schon seit Jahren für seine Eltern arbeiten und die er seit klein auf kennt. Die Sonne taucht die karge Landschaft in rotes Licht. Morgen wird er die Heimat endgültig hinter sich lassen, die Grenze überschreiten. Aber vorher braucht er noch einen Schlafplatz. Gleich ist es stockdunkel.

II. Jakobs Traum

Was dann geschieht, erzählt das erste Buch Mose im 28. Kapitel:

Jakob zog von Beerscheba nach Haran.

Unterwegs kam er an einen Ort,

an dem er übernachtete.

Denn die Sonne war schon untergegangen.

Er nahm einen von den Steinen dort

und legte ihn neben seinen Kopf.

Dann schlief er ein.

Im Traum sah er eine Leiter,

die von der Erde bis zum Himmel reichte.

Auf ihr stiegen Engel Gottes hinauf und herunter.

Plötzlich stand der HERR vor ihm und sagte:

»Ich bin der HERR,

der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks.

Das Land, auf dem du liegst,

will ich dir und deinen Nachkommen geben.

Sie werden so zahlreich sein

wie der Staub auf der Erde.

Du wirst dich nach Westen und Osten,

nach Norden und Süden ausbreiten.

Durch dich und deine Nachkommen

sollen alle Völker der Erde gesegnet sein.

Siehe, ich bin bei dir und behüte dich überall,

wohin du auch gehst.

Ich bringe dich zurück in dieses Land.

Ich werde dich nicht verlassen,

bis ich vollbringe, was ich dir verheißen habe.«

Als Jakob aus dem Schlaf erwachte, sagte er:

»Der HERR ist an diesem Ort anwesend,

und ich wusste es nicht.«

Da fürchtete er sich und dachte:

»Vor diesem Ort muss man Ehrfurcht haben!

Hier ist gewiss ein Haus Gottes

und ein Tor zum Himmel.«

Am Morgen stand Jakob früh auf und nahm den Stein,

den er neben seinen Kopf gelegt hatte.

Er stellte ihn als Kultstein auf

und rieb seine Spitze mit Öl ein.

Jakob nannte den Ort Bet-El, das heißt: Haus Gottes.

III. Himmel und Erde

Jakob ist überrascht. Was hat er nur geträumt. An welchen Ort ist er da geraten. Nichts deutete gestern Abend darauf hin, dass sich hier Himmel und Erde berühren. Der Himmel für einen Moment aufgeht und Gott ihn anspricht. Jakob ist überrascht. Über seinen Traum. Über das, was Gott ihm versprochen hat. Was er stehlen wollte, soll tatsächlich gelten.

„Durch dich und deine Nachkommen

sollen alle Völker der Erde gesegnet sein.

Siehe, ich bin bei dir und behüte dich überall,

wohin du auch gehst.“

Durch Jakob wird Gottes Segen unter die Völker kommen. Gott setzt darauf, dass Gottes Segen weite Kreise zieht. So geht Segen: Persönlich zugesprochen doch nichts zum Bunkern. Wer gesegnet ist, soll zum Segen werden. Wo das geschieht, steht Gottes Haus. Ohne Wände. Aber mit offenen Türen. Gott segnet Jakob, der später Israel heißen wird, und darin alle Völker. Wo sich Menschen davon berühren und bewegen lassen, steht Gottes Haus und ein Tor zum Himmel öffnet sich.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, Übergänge liegen vor euch. Hoffentlich nicht wegen so viel Stress, den Jakob sich mit seinem Betrug eingehandelt hat. Wahrscheinlich nicht so klar wie für Lina vor ihrem Abflug. Eher noch verborgen. Die Zeit bis zum Schulabschluss fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit. Und doch: Immer wieder werdet ihr Entscheidungen treffen müssen. Wird es darauf ankommen, was ihr tut oder lasst, wird das Folgen haben. Immer wieder steht neues an. Übergänge liegen vor euch. Gottes Segen bekommt ihr dafür mit auf den Weg. Persönlich zugesprochen und doch darauf angelegt, dass Gottes Segen weite Kreise zieht. Mit euch und durch euch, dass verbindet euch mit Jakob. Dafür steht diese Kirche. Gottes Segen muss unter die Leute.

IV. Engel ohne Flügel

Wie Gott sich das wohl vorstellt? Ein Hinweis steckt in Jakobs Traum.

„Im Traum sah er eine Leiter,

die von der Erde bis zum Himmel reichte.

Auf ihr stiegen Engel Gottes hinauf und herunter.“

Engel. Gottes Boten. Unterwegs in Gottes Auftrag. Engel haben Flügel, denken manche. Damit werden sie meistens dargestellt. Wie sonst könnten sie zwischen Himmel und Erde unterwegs sein? Sie überbrücken eine große Entfernung. Der Weg ist weit: Engel sorgen für die Verbindung zwischen Gott und Menschen. In Jakobs Traum wird der Abstand mit einer Leiter überbrückt. Flügel spielen keine Rolle.

Wie weit ist es zwischen Himmel und Erde? Das weiß ich nicht. Aber darauf kommt es gar nicht an. Wie weit ist es zwischen Mensch und Mensch? Darauf kommt es an. Jesus nimmt diesen Abstand in den Blick und erinnert an ein Gebot, dass Gott den Menschen in die Bibel geschrieben hat: „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“ Wenn Menschen sich daran halten, verschwindet das, was sie voneinander trennt.

Was da alles passieren kann, ist schon erstaunlich. Nein, Menschen wachsen keine Flügel. Aber manchmal wachsen sie über sich hinaus. Menschen werden nicht als Engel geboren. Aber sie können für andere zum Engel werden.

Indem sie einem das Gefühl geben: Schön, dass du da bist. Du kannst das. Du schaffst das. Und wenn nicht, probierst du‘s halt noch einmal. Indem sie ein Vorbild sind. Oder aushalten können, wenn ich traurig bin und es in meiner Seele grau wird.

Vielleicht seid ihr schon mal so einem Engel begegnet. Als ihr erlebt habt: Da sorgt sich einer um mich, hört mir zu. Da traut mir jemand etwas zu. Ich bin ihm, ich bin ihr wichtig.

Oder ihr seid selbst schon mal so ein Engel geworden. Als ihr getan habt, was für euch selbstverständlich oder ganz normal war, aber für einen anderen umso wichtiger und entscheidend.

Und manchmal läuft dir ein Engel dort über den Weg, wo du gar damit rechnest. Zum Beispiel im Internet. Das hab ich bislang eher für eine engelfreie Zone gehalten. Gefüllt mit Katzenvideos, Hatespeech und Mobbing. Mai hat mich eines Besseren belehrt. Sie ist Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Auf ihrem YouTube-Kanal postet sie Erklärvideos. Corona, Klima, Fleisch, die Pille oder Meinungsfreiheit. Spannende Themen. Ein Video heißt „Versöhnung“. Mai geht es darum, über Corona zu streiten, ohne sich zu beleidigen. Auseinandersetzungen zu führen, ohne sich persönlich anzugreifen. Herauszubekommen, was Menschen mit unterschiedlichen Meinungen in der Pandemie verbindet. Das ist mehr, als mancher vermutet. Ihr liegt daran, Wissen unter die Leute zu bringen. Das hat mich beeindruckt. Weil Versöhnung fehlt und es weh tut, wie stark unsere Gesellschaft gespalten ist. Eine Youtuberin mit Engelpotential? Wer weiß.

Gott sagt: „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“ Wer sich daran hält, lernt nicht fliegen. Aber Gott freut sich über jeden, der dadurch zum Engel wird – und gar nicht merkt, welche Kreise Gottes Segen zieht.

Amen.


Lieder:

WortLaute 90

EG 432

 

Im Altarraum ragt eine hohe Leiter „in den Himmel“.

 

Baustein für die Fürbitten:

Pfarrer/in: Guter Gott, heute feiern wir Konfirmation.

Wir bitten dich für die Konfirmierten.

Gib ihnen Zuversicht für die Schritte,

die vor ihnen liegen.

Schenke ihnen Selbstvertrauen und Umsicht,

mit den Herausforderungen der Pandemie zurechtzukommen.

Gemeinsam bitten wir:

Gemeinde: Guter Gott, geh mit auf unseren Wegen.

 

Elternteil: Guter Gott, das Zusammenleben von Eltern und Jugendlichen ist manchmal eine Herausforderung – für beide Seiten.

Wir bitten dich:

Stärke du Gesprächsbereitschaft und Geduld,

wenn die Welten auseinanderrücken.

Hilf uns Eltern, Selbständigkeit und Unterstützung auszubalancieren.

Gemeinsam bitten wir:

Gemeinde: Guter Gott, geh mit auf unseren Wegen.

 

Presbyter/in: Guter Gott, wir sind deine Gemeinde.

Wir bitten dich:

Komm du in unsere Mitte.

So wird dein Haus zur Heimat für viele

und Menschen aller Generationen finden hier ihren Platz.

Gib uns Fantasie und Ausdauer,

aufeinander zuhören und

miteinander unterwegs zu sein.

Gemeinsam bitten wir:

Gemeinde: Guter Gott, geh mit auf unseren Wegen.

 

Pfarrer/in: Guter Gott,

wir bitten dich für diejenigen,

die wir an diesem Festtag vermissen

und die ihn gerne mitgefeiert hätten.

Bewahre sie in deinem Frieden.

Tröste die, die um sie trauern.

Du bist stärker als der Tod.

Gemeinsam bitten wir:

Gemeinde: Guter Gott, geh mit auf unseren Wegen.

Pfarrer Dr. Christoph Kock

Wesel

E-Mail: christoph.kock@ekir.de

Dr. Christoph Kock, geb. 1967, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2007 Pfarrer an der Friedenskirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel.

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