Ortsplan des …

Ortsplan des …

Ortsplan des himmlischen Jerusalems und die Hütte Gottes | Predigt zu Offenbarung  21, 1-7 | verfasst von Dörte Gebhard |

Friede sei mit euch, von dem, der da ist, der da war und der da kommt.

Amen.

Für den Anfang eine kleine Erinnerung:

„Weißt Du noch, damals …?

Als wir noch alle zusammen …

Ich besinne mich genau … Da konnten wir noch …

Der Göttibub war noch so klein, schau nur dieses Foto an!

Früher haben wir doch auch immer …

Sieh, wie sie lachen auf diesem Bild!

Da lebten sie auch alle noch.

Ja, genau, früher war doch alles bes … – – – nein, anders.

Ganz anders.

Aber es ist ja vorbei. Kommt auch nicht wieder, ich weiss.“

Liebe Gemeinde

So ähnlich tönt es wohl. „Damals“ ist ein weites Land, unabsehbar geht es hinter jeder Geschichte weiter. Tausend neue Geschichten tauchen am Horizont auf, wenn man eine erzählt hat. Schnell sind es drei.

Dieses „Früher“ mag fast schon eine Ewigkeit her sein, aber es ist auch selbst eine kleine Ewigkeit.

Wer trauert um einen nahen Menschen, hat die Landkarte vom Lande „Damals“ meist auswendig im Kopf, griffbereit in Gedanken und hat Erfahrung mit solchen Fahrten ins „Früher“.

Weite Reisen kann man im Rückblick unternehmen, besonders,

  • wenn die Seele voller Fotoalben ist,
  • wenn in Ohr und Herz die vertraute Musik erklingt,
  • wenn man den Geruch der Weihnachtsplätzchen ganz genau in der Nase hat und
  • wenn das Gedächtnis einen Ferienfilm zeigt, als wäre es erst gestern gewesen.

Aber auf solche Fahrten ins „Damals“ geht es nicht selten auch nachts und ganz gegen den eigenen Willen. Dann sind die Landschaften alles andere als lieblich und sonnig. Viele kennen dieses grosse Gegrübel aus eigenem Erleben durch die Dunkelheit nicht enden wollender Stunden. Sie stolpern kaum voran, mehr im Kreis, immer wieder neu über so manches „hätte“ und „wenn“ weit zurück, dorthin, wo alles hätte anders kommen sollen.

„Wenn man bloss gewusst hätte, …

Bevor wir alle dann …,

Aber es ist ja nicht mehr zu ändern, es kommt nicht mehr anders …“

Doch!

Es wird ganz anders kommen.

Deshalb sind wir heute hier.

Hören wir zusammen auf das, was kommt und was einst nicht mehr sein wird. Ich lese aus dem letzten Buch der Bibel über all das Künftige. Johannes, der Seher, lobt die Vergänglichkeit über alle Massen.

21 1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Gemeinde

Je seltener wir innerlich zurückreisen ins «Damals», um so öfter finden wir Zeit, vorauszusehen in die neue Welt, haben wir Musse, uns zu freuen auf das Kommende.

Wer Vorfreude trotz aller Traurigkeit wagt, erfährt gleich am Anfang: der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

Das Vergangene wird von Johannes gelobt. Aber das geschieht gerade nicht, weil alles, alles so wunderbar gewesen wäre. Das war es nicht – trotz tausend Gründen zur Dankbarkeit, die es gibt auf dieser Welt.

In Gottes Zukunft wird alles ganz anders sein, das Schöne und das Schwere.

Denn vergänglich ist beides. Wer es nicht weiss, kann es glauben, wird es einst schauen.

Johannes, der seiner und aller Zeit voraus war, fühlt schon die Seligkeit, weil «Damals» und «Früher» endlich sind … endlich vorbei sind. Johannes ist sogar so begeistert vom Kommenden, dass er vor Freude mehrmals erzählt, wie vergänglich alles Bisherige und auch das Gegenwärtige ist.

Mascha Kaleko (1907-1975) dichtet und betet im 20. Jahrhundert für ihre Zeitgenossen wie damals Johannes:

«Herr, unser kleines Leben – ein Inzwischen, …
Und unser ganzes Sein: nur ein Einstweilen.» (Verse für Zeitgenossen)

Einstweilen ist die Reise ins neue Jerusalem noch ziemlich weit. Im «Damals» finde ich mich viel leichter zurecht. Im neuen Jerusalem kenne ich mich noch gar nicht aus. Es wird von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Johannes war wohl zu überwältigt, um es wirklich zu erklären; da darf man nicht böse sein.

Das Wesentliche ist klar: Das Neue braucht Platz, sehr viel Platz, jede Ecke, jeden Zipfel Zeit, auch vom «Damals», auch von «Früher». Alles Bisherige muss dafür fort, die ganze, grosse, alte Erde, auf der wir hier sind und auch der «alte Himmel», der jetzt noch schier endlos über uns ist. All das ist vergänglich. Zum Glück, Gott sei Dank, glaubt Johannes.

Fast alles wird neu. Fast. Nur Gott bleibt. Gott bleibt ganz der, der er war, in seiner ganzen Schöpferkraft – und in seiner Vorliebe für das Schlichte, aber Ergreifende, für das Bescheidene, in seiner Liebe zu den Armen. Am Anfang der Stall und nach dem Ende aller Zeiten immer noch bloss: eine Hütte. Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!

Hütten waren damals aus Geäst, Laub und Lumpen, ursprünglich nur für zwischendurch. Einstweilen nützlich und schnell gebaut. Aber Gott sind Hütten in Ewigkeit gut genug.

Gott wird ewig in die kleinste Hütte passen, dagegen könnte es in grösseren Palästen für ihn schnell einmal zu eng werden. Wenn Sie nun an Ihr Zelt oder an Ihren Geräteschuppen im Garten denken, kommt das ungefähr hin. Jeglicher Schopf ist mitgemeint, aber es wird dann selbstverständlich eine neue Hütte sein – und auch die alte Regentonne ist nicht mehr, denn das Erste ist vergangen. Gott wird in einer Hütte hocken und wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Trösten in Ewigkeit, das wird dauern … Das kann aber auch dauern, es gibt dann mehr als alle Zeit der Welt.

Denn ein Ende, der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.

Johannes ist einer wie wir und sicher mehr als einmal auch im «Damals» unterwegs gewesen oder nachts ins «Früher» zurückgekehrt. Da sah er all das noch, was auch wir leider kennen: Tod und Leid, Geschrei und Schmerz, Krebs und Unfall, Virus und Infarkt, Totgeburt und jahrzehntelange Demenz, auch die Unmöglichkeit, Abschied zu nehmen von einem Sterbenden, die Plötzlichkeit des Endes.  

Johannes wird nicht müde, es immer wieder einzuprägen: alles Erste ist vergangen.

Liebe Gemeinde

«Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheissungen erfüllt Gott.»  Was Dietrich Bonhoeffer über das kleine «Inzwischen» unseres Lebens glaubt, weitet den Blick über unser irdisches «Einstweilen» hinaus.

Kaum einen unserer rückwärtsgewandten Sehnsüchte nach früheren Zeiten wird Gott erfüllen, nicht alle unsere Fahrten ins «Damals» wird er einfach gutheissen, aber alle seine Verheissungen wird er erfüllen: Siehe, ich mache alles neu!

Es gibt daher jetzt schon und dann erst recht:

  • Trost in der Tränenflut,
  • Licht im Leid,
  • Hoffnung in der kleinsten Hütte gegen alle Herzensschwere.

Am Anfang stand eine Erinnerung, am Ende soll es eine Aussicht sein:

„Ahnst Du schon, wie es wird, dann …?

Wenn Gott bei uns wohnen wird … Da werden wir in der Hütte …

Der Göttibub ist auch dabei.

Da können wir dann immer … und fragen, warum es so sein musste, werde ich auch!

Aber horch, wie sie lachen …!

Da leben sie auch wieder.

Ja, künftig wird alles – – – anders.

Ganz anders.

Wer das Vergängliche überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.»

Liebe Gemeinde

So ähnlich tönt es vielleicht. „Dann“ ist dank Gott ein noch viel weiteres Land als „damals“, unabsehbar geht es hinter unseren heutigen Geschichten weiter.

Wer trauert um einen nahen Menschen, kann sich den – zugegeben vagen – Ortsplan vom himmlischen Jerusalem schon heute einprägen. Und wenn nicht, die Hütte Gottes ist dann sicher leicht zu finden.

Weite Reisen kann man unternehmen, besonders, wenn die Seele voller Hoffnungsbilder ist, wenn im Herzen schon himmlische Musik erklingt …

Auf solche Fahrten ins „Dann“ kann es mit jedem Gebet gehen, auch dann, wenn die gegenwärtigen Landschaften alles andere als lieblich und sonnig sind, wenn die Dunkelheit einstweilen noch kein Ende zu haben scheint. Und „hätte“ und „wenn“ sind dann übrigens auch vergangen.

Alles wird bei Gott zu ändern sein. Denn er ist das A und O.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der stärke und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Dörte Gebhard, Pfarrerin

Mail: doerte.gebhard@web.de

Hintere Hauptgasse 15

4800 Zofingen

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