Lukas 19

Lukas 19

Liebe Gemeinde,
ich will mich Ihnen kurz vorstellen, Zachäus ist mein Name, ganz
einfach Zachäus.
Was, sagen sie, was, bitte? Ich soll habgierig sein?
Stimmt nicht! Wie kommen Sie überhaupt darauf?
Ich nutze doch nur die bestehenden Gesetze aus. Das könnten Sie
genauso gut machen.
Und das soll dann gleich habgierig sein. Das kann ich nicht so stehen
lassen. Nein, das ist schlicht und einfach falsch.
Sie meinen, ich würde meine Position ausnutzen, weil ich eine Monopolstellung
habe. Ich würde meine Mitarbeiter dazu auffordern, den Leuten immer
mehr abzunehmen. Auch das ist so nicht richtig. Die Preise sind nun
mal in der letzten Zeit gestiegen, und die Mitarbeiter wollen auch mehr
Geld haben.
Und, wo soll das denn herkommen. Ich kann auch nicht einfach mein eigenes
Geld drucken. Ich muß auch sehen, wo ich bleibe. Schließlich
muß ich ja auch meine Familie ernähren. Und wenn die Oliven
knapp werden auf dem Markt, dann fordern die Bauern doch auch höhere
Preise. Das ist nun mal so. Und ich sage Ihnen, das wird auch bleiben.
Was, noch so ein Vorwurf, ich würde mit den Römern zusammen
arbeiten.
Nun, man kann sich seine Geschäftspartner nun mal nicht aussuchen.
Beim Geschäft, da geht es nicht um gut und böse, da geht es
eben ums Geschäft.
Und überhaupt, seien Sie doch froh, das die Römer da sind,
da herrscht wenigstens Ruhe und Ordnung. Wenn Krieg wäre, dann
könnten Sie auch nichts verdienen und Ihre Familien müßten
hungern.
Also, Sie können mich doch nicht dafür verurteilen. Und wissen
Sie, es war gar nicht so einfach, den Auftrag von den Römern zu
bekommen, ich mußte mich schon sehr anstrengen, um die Mitbewerber
aus dem Feld zu schlagen.
Also, verurteilen Sie mich gefälligst nicht, nur weil ich Geschäfte
mache. Ich habe schließlich auch meine Unkosten. Die Römer
wollen auch jede Woche ihr Geld sehen.“

Ist doch alles in Ordnung mit dem Herrn Zachäus, oder finden Sie
nicht? Ein cleverer Geschäftsmann eben, so wie er auch heute noch
vorkommt. Er nutzt halt nur die bestehenden Verhältnisse aus.
Dass da am Ende immer ein bißchen mehr Geld in seinen Taschen
hängen bleibt, wer wollte es ihm verdenken.
Würde er das nicht machen, würden andere, vielleicht ja auch
wir selber, nicht auch versuchen, das Beste für uns herauszuholen?

Natürlich würden wir das auch tun. Selbstverständlich
alles immer im Rahmen der bestehenden Verhältnisse.
Und wenn es dazu einiger kleiner Hilfen bedarf, naja, so genau muß
man da nicht hinsehen, machen doch alle.
Das einzige, was Zachäus später passierte, das fällt
irgendwie aus dem Rahmen. Er muß so einen Anflug von Gefühlsduselei
gehabt haben. Wäre er doch hinter seinem Schreibtisch geblieben
und an jenem Tag nicht rausgerannt wie alle anderen. Nicht genug, daß
er sich die kleinen Pöbeleien anhören mußte, wie man
ihm deutlich die kalte Schulter gezeigt hat, nein wirklich, das hätte
er sich nicht antun müssen.
Und dann ist er auch noch auf den Baum geklettert, das verstehe einer,
er, der Geschäftsmann, der klettert auf einen Baum, nur um diesen
Wanderprediger zu sehen. Hat sich ganz schön lächerlich gemacht
damit.
Was man ja auch nicht verstehen kann, daß dieser Prediger dann
zu ihm nach Hause ist. Na, das Zachäus so einen überhaupt
rein gelassen hat. Klar, die Leute haben auch gemeckert, aber mehr über
den Prediger. Wie kann der nur bei so einem Halunken …
Muß dann wohl auch eine Trotzreaktion von Zachäus gewesen
sein, wenn die Leute das nicht gut finden, dann erst recht.
O, Zachäus, da hast du dir was eingebrockt.

Ja, das hat er, liebe Gemeinde, aus dem Cleveren, dem, der das Leben
in allem zu seinen Gunsten ausgenutzt hat, aus dem wurde….
Nein wir wissen gar nicht, was aus ihm wurde, ob er seine Zusammenarbeit
mit den Römern gekündigt hat, ob er danach mehr auf die Menschen
geachtet hat, weniger an sich selber gedacht hat, all das erfahren wir
nicht.
Allein dieses, daß Jesus ihm Heil zuspricht. „Heute ist diesem
Haus Heil widerfahren.“ Diesen Satz, den können wir lesen,
am Ende der Geschichte von Zachäus.
Der Evangelist Lukas, der diese Geschichte aufgeschrieben hat, der wußte,
daß Zachäus ein Sünder war. Damals eine Bezeichnung
für einen schlechten Menschen, für einen, der für sich
die Gesetze nicht gelten ließ, einer, der sich zudem gegen Gott
stellte.
Ich denke, daß so ein Verhalten heute viel eher akzeptiert würde.
Wirtschaftlich erfolgreich sein, um welchen Preis auch immer, das kommt
mir bekannt vor.
Überhaupt, Erfolg und das damit verbundene Geld, das steht doch
auch heute ganz oben.
Beim Giro d’Italia werden Medikamente gefunden, alle Radsportler sollen
gedopt sein, so hörte man.
Hauptsache das Vermögen der Aktionäre wächst, so durfte
es ein bedeutender deutscher Wirtschaftsführer verkünden.

Doch ich will hier nicht nur auf die sogenannten Großen schimpfen.
Ich vermute eher, daß auch in einem jeden von uns ein kleiner
oder auch großer Zachäus wohnt. Einer, der uns oft genug
dazu bringt, hier und da das eigene Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Wenn dem so ist, dann würde der Kommentar am Ende der Geschichte
auch auf uns zutreffen:
„Denn des Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen,
was verloren ist.“
Dann würden wir auf die Seite derer gehören, die eigentlich
verloren sind, die sich nicht aus eigenen Kraft aus den Zwängen
dieser Welt lösen könnten. Dann müßte Jesus auch
zu uns kommen. Müßte?
Ich denke, er hat das schon getan. Er kommt auch heute auf uns zu und
lädt sich bei uns ein, will bei uns zu Gast sein und unserem inneren
Zachäus das Heil anbieten.
Damit für uns bei aller Cleverness und Abgebrühtheit doch
noch anderes wichtig wird. Damit wir in Frieden mit Gott unseren Weg
gehen können. Und vielleicht auch unser Verhalten an der einen
oder anderen Stelle korrigieren.
Amen

P. Uwe Erdmann, Hemmoor
E-Mail: uwe.erdmann@t-online.de

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