Lukas 24, 44-53

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Lukas 24, 44-53

Heute ist das Fest der Himmelfahrt Christi. Das ist
ein Fest, mit dem wir uns ein wenig schwer tun. Ganz anders ist es beim
Evangelisten Lukas. Da herrscht Freude, große Freude. Klingt das
bei Ihnen noch nach, was wir eben gehört haben?

Himmelfahrt und Freude …

Dazu fiel mir als erstes der „Vatertag“ ein. Die Männer
– keineswegs nur Väter – ziehen mit Bollerwagen und Bierfaß darauf
ins Grüne. Und ob da Freude ist, Freude über die nette Runde,
Freude über den arbeitsfreien Tag, Freude über das Wetter,
das vielleicht doch noch mehr hält als es der Wetterbericht verspricht.
Freude, laute Freude – und danach der Kater: Mann, haben wir einen drauf
gemacht! War das toll!

Himmelfahrt und Freude …

Dann fiel mir ein Witz ein, den mein Kirchengeschichtsprofessor Hans
Freiherr von Campenhausen, ein Balte von altem Schrot und Korn, gelegentlich
erzählte: Der Greifswalder Professor Otto Zöckler – er lehrte
in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts – war ein frommer
und sehr konservativer Theologe. Leider hatte er eine etwas unglückliche
Liebe zur Naturwissenschaft. Bei einem festlichen Anlaß kam er
neben seinem älteren, aber liberalen Kollegen Johann Wilhelm Hanne
zu sitzen. Der nahm die Gelegenheit wahr und fragte Zöckler mit
argloser Miene: „Wo liegt eigentlich der Himmel?“ Der antwortete: „Weit,
sehr weit – noch hinter dem Sirius“ (diesem sehr fernen, aber sehr
hellen Stern). „So. Und wie schnell ist Christus gen Himmel gefahren?“ Zöckler
witterte jetzt Gefahr und meinte vorsichtig: „Der Herr wird wohl
so schnell wie eine Kanonenkugel geflogen sein.“ Darauf erklärte
Hanne ganz sachlich: „Dann fliegt er noch.“

Himmelfahrt und Freude …

Beides, der zum Vatertag verkommene Festtag und der Witz über den
Professor Zöckler, beides läßt erkennen, wie schwer wir
uns mit diesem Tag tun und wie wenig er in unserem Glauben verankert
ist. Der Witz macht auch deutlich, daß es wohl nicht ganz so gewesen
sein kann, wie es Lukas am Ende seines Evangelium berichtet.

Wie können wir mit diesem Fest umgehen? Versuchen wir, uns ihm
zu nähern. Ich weiß nicht, ob es viel bringt, dem nachzugehen,
was seinerzeit – nach dem Bericht des Evangelisten Lukas war es noch
Ostersonntag! – wirklich in Jerusalem geschehen sein könnte. Vom
Wort „Himmelfahrt“ (griech. analepsis, lat. ascensio) wissen
wir immerhin, daß es damals ein Bild aus der Welt der Märchen
und Mythen war. Wie alle derartigen Bilder versucht es, wenigstens in
einem Sprach-Bild, in einer Art Gleichnis, etwas sichtbar zu machen,
das sich letztlich doch einer Beschreibung entzieht. Für die Menschen
jener Tage besagte das Bild von der Himmelfahrt: Der, der da zum Himmel
aufgefahren ist, ist ein Gott oder einer, der zu einem Gott geworden
ist.

Auffällig ist, daß Lukas die Himmelfahrt nicht nennt, als
er all das aufzählt, was von der Schrift geweissagt ist. Und dann
ist da noch etwas: Er berichtet, daß Jesus, der vor drei Tagen
am Kreuz Hingerichtete, als Auferstandener mit seinen Jüngern am
hellen Tage unbehelligt durch Jerusalem nach Betanien auf dem Ölberg
gezogen sei. Da Jesus stadtbekannt war, dürfte auch das wohl so
nicht geschehen sein. Und trotzdem: nicht zu übersehen und nicht
zu überhören sind die Wirkungen dessen, was der Evangelist
Lukas mit dem Bild von der Himmelfahrt des auferstandenen Jesus beschreibt.

Dreierlei ist mir aus seinem Bericht besonders haften geblieben: Segen
– große Freude – Rückkehr nach Jerusalem.

Segen – Jesus hob seine Hände und segnete seine Jünger. Was
bedeutet das? Früher segneten Eltern ihre Kinder, wenn sie aus dem
Haus gingen, um zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Dieser
Segen besagte: Wir denken an dich, auch wenn du in der Ferne bist. Aber
dieser Segen war noch mehr. Mit ihm stellten die Eltern ihr Kind in Gottes
Hand: Gott wird ihr Kind schützen über ihre eigenen Möglichkeiten
hinaus. Bei ihm wird es immer geborgen sein, auch in Mißerfolg
und Gefahr.

Jesus segnete seine Jünger. Er gab sie in Gottes Hand. Er sagte
damit zu ihnen: In dieser Welt gibt es – in Glück und Leid – Vertrauen,
Zuversicht, Hoffnung – für euch, für uns.

Große Freude – worüber? Eigentlich war es doch ein Abschied
für dieses Leben, was da zwischen Jesus und seinen Jüngern
geschah. Sie würden ihn nicht mehr sehen. Und es war zugleich ein
Abschied von einer unsagbar schönen, freilich auch unsagbar anstrengenden
Zeit, von einer Zeit der Gemeinschaft, die es so nicht mehr geben würde.
Und trotzdem: große Freude! Wie reimt sich das? Jesus ist nun im
Himmel – ein Bild, gewiß. Aber es will etwas sagen: Jesus gehört
zu Gott, und mit ihm auch seine Jünger, auch wir. Und das ist wirklich
Grund zur Freude.

Und da ist noch ein Grund zur Freude: Jesus war von nun an zwar nicht
mehr unter seinen Jüngern. Sie konnten sich auch nicht mehr Hilfe
und Schutz suchend zu ihm flüchten. Aber er traute ihnen fortan
zu, daß sie alleine fertig würden. Die Jünger wußten
jetzt: Wir sind mündig geworden, mündige Christen. Wir können
unseren Weg selbständig gehen. Und Jesus ist nun nicht mehr nur
für uns da, sondern weil er bei Gott ist, ist er für alle Menschen
da. Da ist Grund zu großer Freude.

Rückkehr nach Jerusalem – nicht Sendung in die Welt oder auch nur
in das eigene Land, nein, kein alles umfassender Auftrag, sondern ganz
einfach zurück von Betanien nach Jerusalem. Zurück dorthin,
wo Jesus am Kreuz gestorben, wo er ihnen erschienen war. Dort fangt an!
Jesus verwehrte seinen Jüngern die fromme Großspurigkeit,
die nur das Große und Weite, das Globale, sieht – und dann unverbindlich
wird und nicht mehr sieht, was vor den Füßen liegt. Mit der
Aufforderung, nach Jerusalem zurückzukehren und dort anzufangen,
sagt Jesus seinen Jüngern: Ich traue es euch zu, ihr werdet es schaffen!
Fangt mit dem an, was euch vor den Füßen liegt! Dort ist die
Hoffnungslosigkeit am bekanntesten und auch am schwersten zu überwinden
. Dort fangt an! Das kann jeder von euch!

Jesus mutet es uns zu, er traut es unseren schwachen Kräften zu,
er weiß, daß wir es können: die Kranke nebenan besuchen;
für jemand, der es nicht mehr selber schafft, den Einkauf erledigen;
einer Mut zusprechen; einen trösten – gerade um die Ecke oder ein
Stockwerk höher. Oder für jemand beten, wenn wir denn gar nichts
anderes mehr tun können. Da sollen wir anfangen.

Kehren wir also zurück nach Jerusalem, in unser hiesiges Jerusalem,
denn es liegt viel vor unseren Füßen. Fangen wir dort an.
Große Freude – sie wird nicht ausbleiben, denn Jesus traut es
uns zu, daß wir es können. Und wir können es, weil
er uns in Gottes Hand gegeben hat, weil er uns segnet.

 

Psalm: Psalm 47 (EG [der EKKW] 726)

Lesung: 1 Kön 8,22-24.26-28

Lieder: EG [der EKKW] 136,1; 450,1-3; 121; 119; 421

Kyrie: Herr Jesus Christus, wir haben dich aus den Augen verloren, dich
und uns. Wir können nicht mehr hören, was du sagst. Wir rufen
zu dir:

Gloria: Herr Jesus Christus, du hast uns nicht aus den Augen verloren.
Du hörst unser Beten und bist bei uns alle Tage. Wir singen:

Tagesgebet: Herr Jesus Christus, du bist bei Gott, dem Vater. Unsere
Augen können dich nicht sehen. Hilf uns, darauf zu vertrauen, daß du
uns dennoch nahe bist, damit wir ohne Furcht leben können, du, der
du mit dem Vater und dem heiligen Geist lebst …

Gebet: Herr Jesus Christus, weil du herrschst, hat das Gesetz unseres
Lebens seine Gültigkeit verloren, das Gesetz, nach dem wir immer
mehr von unseren Hoffnungen abstreichen müssen, je älter
wir werden, nach dem wir uns immer mehr bescheiden und abfinden müssen
mit dem, was von unseren Plänen, Träumen, Erwartungen noch übrigbleibt.
Du wirst unser Leben vollenden.

Weil du herrschst, hat die Lieblosigkeit ihre Macht verloren, der Haß und
der Neid, mit dem wir uns bekämpfen, unter dem wir leiden, auch
deshalb, weil wir selber nicht mehr Liebe aufbringen als andere. Deine
Macht ist die Liebe.

Weil du herrschst, stoßen die Mächtigen an ihre Grenzen,
die andere zum Spielball ihres Nutzens oder ihres Willens machen, die
uns Angst einjagen. Aber auch wir selber stoßen an unsere Grenzen,
die wir doch unseren Einfluß auf andere so gerne vergrößern
wollen. Du, der du an der Seite der Ohnmächtigen stehst, hast alle
Macht in Händen.

Weil du herrschst, können wir uns wieder freuen, auch wenn vieles
um uns traurig bleibt; können wir wieder hoffen, auch wenn vieles
um uns hoffnungslos scheint. Weil du herrschst, sind wir frei von allem,
was uns begrenzen will, können wir wieder mutiger die nächsten
Schritte unseres Lebens gehen.

Herr Jesus Christus, wir danken dir, daß du herrschst.

Quellen: Kyrie, Gloria, Tagesgebet: Agende I. Hg. v. Landeskirchenamt
der EKKW. Kassel 1996. S. 263.
Gebet: Nicht mehr sicher zu ermitteln; vermutlich aus: Klaus Bannach;
Gerhard Raff: Gottesdienstgebete. Gütersloh 1977.

Dr. Peter Weigandt
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