Lukas 4, 5-8

Lukas 4, 5-8

 

Was
ist Glück?

Glücksvorstellungen, Versuchungen und unser Verhältnis zu
Gott
Predigt zu Lukas 4, 5-8, von Friedrich Malkemus

Liebe Gemeinde,
so lesen wir im Evangelium des Lukas, Kapitel 4 in den Versen 5-8:
„Und der Teufel führte ihn hoch hinauf und zeigte ihm alle
Reiche der Welt in einem Augenblick und sprach zu ihm: Alle diese Macht
will ich dir geben und ihre Herrlichkeit; denn sie ist mir übergeben
und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du mich nun anbetest, so soll sie
ganz dein sein. Jesus antwortete ihm und sprach: Es steht geschrieben
(5.Mose 6,13): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm
allein dienen.““

Ihr lieben Schwestern
und Brüder!

Die Maler besonders
des Mittelalters haben dem Teufel eine Gestalt gegeben. Da die Überlieferung
der Bibel dazu keinerlei Material lieferte, mußten sie selber
aus der eigenen Vorstellungskraft schöpfen. Und dann stand er da,
dieser finstere Geselle mit Pferdefuß und Gehörn im Halbdunkel
und gräßlicher Grimasse, dazu in geduckter Haltung und zottigem
Fell. Der Teufel – der Versucher. So hatte man den Kerl verdinglicht
und den Leuten eingeprägt. Damit war er in eine Figur gebannt –
und von uns entfernt.

Unser Predigttext
jedoch sperrt den Versucher überhaupt nicht in eine Gestalt. Vielmehr
wird hier der Versucher in seinem massiven Drängen und Verführen
erkennbar. Indem er führt, wird überdeutlich, wie nahe und
ständig gegenwärtig das versucherische Element dem Menschen
ist. Und Jesus erweist sich als der Mensch, der versucht war – wie wir
allenthalben.

Der herausgehobene
Ort erweist sich als der Ort der Versuchung: der hohe Berg. Denken wir
einmal daran, wie unsere Stimmung sich hebt, wenn wir oben angekommen
sind – etwa auf einem Gipfel im Gebirge. Aber das gleiche Phänomen
zeigt sich auch, wenn wir auf einer Bühne agieren. Warum wird der
Sieger so hoch postiert? Und wie fühle ich mich am Rednerpult?
Wie genüßlich sagen wir: Er ist nun im gehobenen Dienst!?
– Hier liegen die Versuchungen doch ganz nahe an unseren Gefühlen
und Empfindungen. Da oben eröffnen sich neue, völlig ungeahnte
Möglichkeiten! Auf der Leiter des Ruhmes muss ich nur weit genug
oben sein – dann bin ich auch wer. Bei dem Radrennen rund um den Hennigerturm
in Frankfurt hatte der hessische Rundfunk einen Postboten aus dem Oldenwald
mitfahren lassen, ein guter Radfahrer, aber kein Spitzenprofi. Er kam
ganz gut voran und schnitt nicht gerade sensationell ab. Aber er war
zufrieden.

Eine sympathische
Idee! Jedoch auch ein Beispiel für unsere Höhentheorie: Er
war begeistert, ganz in der Nähe der gefeierten Starelite gewesen
zu sein! Und wie recken sich die Köpfe, wenn gar die Fernsehkamera
in unsere Nähe schwenkt! „Oben sein“ ist fast alles in
unseren Wunschphantasien.

Und beim Besitz
ist ebenso das Versucherische angesiedelt – und das ständig. Wenn
ich doch dieses Kettchen hätte, dann wäre mein Glück
perfekt. Eine Zeitlang wird der neue Schmuck beachtet, dann liegt er
da und eines Tages ist er völlig vergessen.

Alle Reiche der
ganzen Welt in einem Augenblick! Welch eine gigantische Vision. Wer
verlangt schon nach deren Verwirklichung? Wohl nicht jedermann will
giga- und megareich sein, aber ein bisschen davon wohl schon. Und die
Unersättlichen hat es in der Weltgeschichte doch immer wieder gegeben.
Diese haben sich dann in gewissen Augenblicken auf der Höhe ihres
sonderbaren Ruhmes malen und darstellen lassen und gehörten sie
oft nur für kurze Zeitspannen zu den Großen der Weltgeschichte.
Der Versucher hat es darauf angelegt, ganz dem Reich und der Herrlichkeit
dieser Welt zu verfallen und dem zu dienen, dieses zu vergöttlichen.

Verbirgt sich nicht
dieser Vorgang etwa in dem Sätzchen: „Es wäre wirklich
Spitze, wenn ich dies oder das hätte?“ Der Versucher treibt
es in jedem Fall auf die Spitze mit der Verführung und unserem
Kniefall vor dem Reich dieser Welt. Höchste Gefahr ist nahe bei
der Begeisterung für das Höchste, Schnellste, Teuerste, Schönste,
Extravaganteste!

Jesus erkennt den
Abgrund der Verführung in die blanke Gottlosigkeit. Die Attacke
des Versuchers bleibt bei Jesus jedoch nicht lange ohne Antwort. Für
ihn ist es ohne Zweifel ein Sturz in den Abgrund, wenn wir uns den Dingen
der Welt ausliefern und unterwerfen. Die Reiche der Welt sollen und
müssen wohl sein. Diese haben wir nicht zum Sturz zu bringen, aber
unser Verhältnis zu diesen Reichtümern dieser Welt muss umgekehrt
werden! Es ist sozusagen ein Umsturz des Verhältnisses nötig.
Nicht sie sollen unter uns und über uns herrschen. Denn Gott ist
der Herr – er allein. Alles in unserer Welt hat eine vorläufige
und nachrangige Funktion. Gott ist Schöpfer und Herr und Geber
aller Gaben. Diese haben dienende und niemals uns beherrschende Autorität!
Sie sind vergänglicher Natur – wie wir – und darum bleibt alles
Gott unterworfen.

Was ist Glück?

Jesus wendet sich
ab von dem versucherischen Gedankengut und hin zu dem, der allein Herr
heißt. Ob wir unser Verhältnis zu unseren Glücksvorstellungen
und Wunschträumen nicht gerade auch auf dem Hintergrund dieses
Evangeliums überdenken sollten? Wie nimmt sich da die verführerische
Welt von schreierischen, verlogenen Werbespots aus!?

Wir wollen uns
erfreuen an den Gaben, die wir haben oder erhalten, als an Gaben, die
uns durch Gottes Güte gewährt werden. Nehmen wir sie dankbar
in den dienenden Gebrauch, nicht nur zu unserem Nutzen, sondern auch
zum Wohle des Nächsten. Und machen wir unsere Eitelkeit und unser
Ich nicht zum Götzen, vor dem wir oder andere niederfallen und
anbeten. Beten wir miteinander den Herrn an, der allein unserer Achtung
würdig ist und von dem allein wir mit Jesus sagen:
Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Amen.

Friedrich Malkemus
Dekan i.R., Kirchenrat
Wolfgang-Zeller-Str. 13
34613 Schwalmstadt-Ziegenhain

 

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