Matthäus 16,13-19

Matthäus 16,13-19

Liebe Gemeinde!

Die sogenannte Globalisierung bringt es mit sich, daß Menschen
verschiedenster Religionen und Weltanschauungen aufeinandertreffen. Dieses
Zusammentreffen kann, wie wir wissen, Krieg bedeuten. Und Krieg ist die
Sprache der Waffen. Wenn es gut geht, dann spricht man mit dem Mund,
mit dem Verstand und vielleicht auch mit dem Herzen. Ob wir uns dann
verstehen, ist noch lange nicht gesagt, denn religiöse Verständigung
gehört vermutlich zum Schwierigsten auf der Welt.

Ja, und nun beginnt das Gespräch mit der Frage: Wer ist ein Christ?
Was ist ein Christ? Und die Antwort darauf ist ein Bekenntnis, ein Bekenntnis
zu Jesus Christus. Anders geht es nicht. Denn das Bekenntnis ist die
einzig angemessene Form, um sich auszudrücken und verständlich
zu machen. Natürlich kann man sagen, daß man den wahren Christen
viel eher an seinen guten Taten und an seiner Haltung erkennt. Aber die
gute Tat und die vorbildliche Haltung müssen durch das Wort erläutert
werden. Und dieses Wort nimmt dann notwendig den Charakter des Bekenntnisses
an.

Nun wird innerhalb der christlichen Kirchen immer wieder um das wahre
Bekenntnis gestritten. Und es gibt auch in unserer Kirche eine sogenannte „Bekenntnisbewegung“.
Ausgangspunkt ist oft das Apostolische Bekenntnis und seine zeitgemäße
Auslegung. Wenn bei diesen Streitigkeiten vieles sehr lebensfremd und
kaum verständlich erscheint, so wird doch daran eines ganz klar:
Es ist nicht einfach und schon gar nicht selbstverständlich, ein
Bekenntnis zu sprechen. Denn wer ein Bekenntnis spricht, der verschreibt
sich ja mit Haut und Haaren. Wer ein Bekenntnis spricht, der gibt seine Überzeugung
der Öffentlichkeit preis. Wer ein Bekenntnis spricht, der muß darauf
gefaßt sein, daß man seine Ehrlichkeit unter die Lupe nimmt.
Und in der Tat ist das für jeden Menschen eine Mutprobe.

Zweifellos ist Jesus eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten
in der gesamten Menschheitsgeschichte, vielleicht die eindrucksvollste.
Aber solch eine Beurteilung reicht nicht aus. Die Frage: Wer ist Jesus
Christus? wird damit noch kaum beantwortet. Als eine lebendige und damit
weit interessierende Frage muß sie erweitert werden: Wer ist Jesus
Christus für mich? Nun wird sie bedeutungsvoll.

Als Jesus seine Jünger fragt: Für wen haltet ihr mich? da
ist ihnen vielleicht ein Schauer über den Rücken gelaufen.
Denn nun mußten sie ihrem Herzen einen Stoß geben, weil sie
sich nun an eine Überzeugung zu binden hatten. Jetzt mußten
sie Farbe bekennen. Es stand ihnen allerdings die Möglichkeit offen,
wie viele andere zu sagen: Du bist so etwas wie der wiedererstandene
Täufer oder Elias oder Jeremias. Du bist ein edler Mensch oder ein
großer Prophet oder ein religiöser Rebell. Aber sie übernehmen
diese Antworten nicht, sondern binden sich viel fester.

Es ist Petrus, der antwortet: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen
Gottes!“

Ausgerechnet Petrus sagt das, den uns derselbe Evangelist Matthäus
in einer Geschichte als besonders kleingläubig beschreibt (14,31).
Ausgerechnet Petrus, der den Herrn in seiner Angst verleugnet (26,34).
Ausgerechnet Petrus, dieser schwache Mann, den Paulus wegen seiner Unschlüssigkeit
tadeln muß (Gal. 2,11-21). Dieser schwache Petrus soll der Fels
sein, auf dem die Kirche gegründet werden soll? Jawohl, es sind
ganz schwache Menschen, denen das Wohl der Kirche anvertraut ist. Das
Lob und Bekenntnis Gottes ertönt seit je aus dem Mund der Unmündigen,
der Kinder und auch der Versager. Und genau von diesem Bekenntnis lebt
die Gemeinschaft der Christen.

Über den Inhalt und die Formulierung von Bekenntnissen ist nun
allerdings noch nichts gesagt worden. Schon das Neue Testament kennt
hierin eine Vielzahl. Und auch die lange Geschichte unserer christlichen
Kirche äußert sich nicht einheitlich. Jede Generation muß ihre
Erfahrung machen. Denn ein Bekenntnis ist nur aufgrund von Erfahrungen
möglich. Unsere Zeit neigt ja sehr zur Zurückhaltung und zu
Vorbehalten. Das hat wohl zwei Gründe. Einmal setzt sie sich in
verstärktem Maße mit der Vernunft und der modernen Wissenschaftlichkeit
auseinander. Und zum zweiten fragt sie; Welchen Bezug zum praktischen
Leben hat solch ein Bekenntnis? Doch sollte man nicht meinen, in unserer
Zeit fehlten die Bekenntnisse. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der
Fall: Es gibt ein weitverbreitetes Bemühen, neue und eigene Bekenntnisse
zu formulieren. erzwingen kann man hier nichts. Auch Petrus wurde das
Bekenntnis offenbart. Wir können uns von uns aus nur auf jenen Weg
begeben, an dessen Ende die völlige Hingabe steht. Wir sollten nicht
diejenigen verachten oder verunsichern oder überfordern, die am
Anfang dieses Weges stehen. Das einzige, was wir können, ist, uns
gegenseitig auf dem Weg des Bekennens und der Hingabe weiterzuhelfen.
Jeder von uns ist in der Gefahr, wie Petrus ein Verleugner zu werden.
Aber das Bekenntnis eines jeden von uns ist ein Felsstein, auf dem diese
unsere Kirche gebaut wird.
Amen

Ulrich Wiesjahn, Goslar

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