Matthäus 18,1-6.10

Matthäus 18,1-6.10

Michaelistag | 29.09.2022 | Mt 18, 1-6.10 | Winfried Klotz |

Die Kleinen– und die Großen- und ihre Engel!

1 Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich?

2 Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie

3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.

4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.

5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.

6 Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

10 Seht zu, dass ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.

 

„Wer ist doch der Größte im Himmelreich?“ Oder anders: Wer hat vor Gott und in der Gemeinde Jesu das größte Renommee? Wer hat was zu sagen, wer kann und darf bestimmen, wem gebührt Anerkennung und Ehre?

Es ist doch interessant, dass solche Frage in der Jüngerschaft Jesu aufkommen; das sind doch sehr irdisch, menschliche Anwandlungen! Das zeigt doch, wie sehr auch Menschen, die zu Jesus gehören, um sich selbst kreisen, sich wichtig nehmen. Was haben die eigentlich bei Jesus gelernt? Wissen die nicht, dass Gott durch Jesus rettet und zu einem neuen Leben befreit?

In einem Doppelschritt versucht Jesus, Wert und Würde des Menschen für seine Nachfolger zu erklären: Zuerst ruft er ein Kind und stellt es in die Mitte; warum ein Kind? Es steht für alle, die klein sind, ob nun als Kind oder im Ansehen anderer. Es ist noch unmündig, braucht Schutz, Begleitung und Wegweisung, damit es nicht ausgebeutet wird und unter die Räder kommt. Das Kind bildet den Gegensatz zu den Anwandlungen der Nachfolger Jesu, die von sich denken, dass sie geistlich- vor Gott- schon groß, erwachsen, mündig sind. ‚Jesus, wir kennen uns aus mit dem Himmelreich, wir verstehen die Wege Gottes in dieser Welt und wir sind bereit und fähig, sie voranzubringen. Wir überlegen nur, wer die Führungsposition einnehmen sollte als Beste/Bester!‘

Dazu sagt Jesus:

„Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“

Das mit der Umkehr und Selbsterniedrigung klingt hart, aber was soll Jesus Leuten sagen, die dermaßen eingebildet sind! Die noch nichts wissen und verstanden haben davon, dass Jesus folgen bedeutet, IHM auf dem Kreuzweg zu folgen! Dass es Verzicht auf Selbstverwirklichung bedeutet im Wissen, nur so in der Nähe Jesu sein und IHM dienen zu können, aber auch auf diesem Weg zu erfahren, dass Gott die ehrt, die Jesus dienen. (Johannes 12, 26) Es kommt doch nicht auf Ansehen und Ehre bei Menschen an, sondern auf das Ansehen bei Gott!

Umkehr meint hier: Nimm eine neue Blick- und Herzensrichtung ein, streich deine eigenwilligen Pläne durch, suche den Willen Gottes auf dem Weg mit Jesus. Das Himmelreich, Gottes Friedenswelt, ist nicht mit den Mitteln dieser Welt und der Kraft deiner Einsicht und der Größe deines Intellekts, ja noch nicht einmal mit deiner Selbstaufopferung zu gewinnen. Der Weg dahin braucht das Aufschauen auf Jesus, den Gekreuzigten (Hebr. 12, 1-2), die Bereitschaft Gottes Wege zu gehen (Römer 12, 1-2). Wer auf sich und seine Fähigkeiten schaut, wer ständig seinen Erfolg oder Misserfolg bewertet, wer ankommen will und sich deshalb anpasst, trägt nichts bei zum Himmelreich. Bestenfalls dümpelt er dahin wie ein Segelschiff, dem der Wind fehlt.

Wenn wir Jesu Worte einfach schlucken, haben wir ihn vermutlich nicht verstanden. Wer kann schon sich und seine Wünsche aufgeben, nur um Jesus zu folgen und der Gestaltwerdung des Reiches Gottes in dieser Welt zu dienen?! Da muss doch der Geist Jesu in unseren Herzen kräftig wehen! Genau diese Zusage haben wir aber von Jesus (Apg. 1, 8; Johannes 14, 16-17). Darum lasst uns im Aufschauen auf Jesus bitten!

Wie wichtig die Kleinen und Unbedeutenden Jesu nicht nur als Vorbild sind, sagen die beiden folgenden Verse: „Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.

Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.“

Jesus meint eine konkrete Aufnahme von Kindern und Fürsorge für sie. Das bedeutet umgekehrt: Er meint, dass es um Gottes willen notwendig ist, auf eigenen Lebensgewinn zu verzichten, um Kindern Leben zu ermöglichen! Übrigens gilt das in heutigen Zeiten, wo Paare auf Kinder verzichten, um mehr vom Leben zu haben, oder Eltern sich nicht weiter um ihre Kinder kümmern, weil sie ihr eigenes Fortkommen im Blick haben. Jesus sagt: Nehmt euch eurer Kinder an, nehmt sie wirklich in euer Herz und Leben auf, nicht, wie es heute auch üblich ist, kleine Prinzen und Prinzessinnen aus ihnen zu machen, sondern um euren Kindern einen Weg ins Leben zu ermöglichen!

Das andere Wort Jesu mit dem „Mühlstein“, ein ungewöhnlich drastisches, hartes Wort, ist eine Warnung an all die, die in Kirche und Theologie das Sagen haben, aber auch an die, die ihre Freiheit in Glaubens- und Lebensfragen anderen zum Maßstab machen. (vgl. 1. Korinther 8 / Römer 14) Wer auf rückständige Gemeindegliedert eindrischt, die das und jenes nicht kapieren und akzeptieren können und wollen, muss sich fragen lassen, ob er/ sie noch in der Liebe lebt, die Gott in Jesus Christus geschenkt hat. Wer mit aufgeklärter Theologie anderen den Boden des Glaubens löchrig macht, weiß noch nicht, was Erkenntnis meint. Paulus formuliert es so: „Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, der hat noch nicht erkannt, wie man erkennen soll. Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.“ (1. Kor. 8, 2-3) Auch unser „Durchblick“ braucht das Maß der Liebe zu Gott und damit zum Nächsten.

Schließlich: wir haben gesehen, unser Predigtwort ist kein „Engelstext“, der uns in die Geheimnisse des verborgenen Lebens der Engel einführt. Vielmehr geht es um das Miteinander in der Gemeinde Jesu, dieses Konglomerat aus so „schrecklich“ verschiedenen Menschen! Werfen wir jetzt noch einen Blick auf den 10. Vers unseres Abschnitts, der dazu bewogen hat, ihn für Michaelis vorzusehen. Worin ist die Bedeutung und Würde der Menschen in der Gemeinde Jesu, ob klein oder groß, begründet? Doch darin, dass sie vor Gott sind!

„Seht zu, dass ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“

Was Jesus hier sagt, gilt für alle, Kleine und auch die Großen sind im Himmel durch ihren „Tauf-Engel“ repräsentiert, das macht sie gleich vor Gott und verbietet, jemand gering zu achten. (* s. unten) Der Gedanke ist uns fremd, war aber damals, wie wir aus außerbiblischen Schriften wissen, geläufig.

Das muss uns aber nicht weiter beschäftigen, wichtig kann uns am Tag des Erzengels Michael und aller Engel werden, dass es einen Zusammenhang zwischen himmlischer und irdischer Welt gibt. Gott, der Schöpfer, überlässt seine Schöpfung nicht sich selbst, in der Sendung Jesu zur Sammlung des Gottesvolkes und zur Rettung derer, die sich zum Glauben rufen lassen, wird das sichtbar. Jesus baut die Brücke zwischen Himmel und Erde (vgl. Joh. 3, 13 / Joh. 1, 51!). In all dem leuchtet immer wieder etwas von der unsichtbaren, himmlischen Wirklichkeit auf. HERR Zebaoth, wird Gott im Alten Testament oft genannt, d. h. Gott der Heerscharen, gemeint sind die Engel. Sie sind ausführende Organe, genießen keine besondere Verehrung, sind auch nicht immer als Engel erkennbar, sondern schlichtweg Boten. Der Hebräerbrief wehrt eine Verehrung der Engel ab, wenn er sagt: „Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt (Psalm 110,1): »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache«? Sind sie nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen?“ (Hebr. 1, 13-14)

Michaelis- Tag des Erzengel Michael und aller Engel – halten wir für uns fest, dass Gott auch heute noch uns seine Engel sendet, wenn wir in vielleicht auswegloser Lage, aber in seinem Dienst unterwegs sind. Engel sind dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen! Amen.

Empfehlenswert und hilfreich ist das Internetportal „Das Kirchenjahr“: https://www.daskirchenjahr.de/tag.php?name=erzengelmichael&zeit=AndereFeste2

(*) vgl. Klaus Bergers Anmerkung Nr. 38 in seiner Übersetzung der Schrift „Hirt des Hermas“ 25, 2-4: „Hier heißt es jeweils: „dem ich übergeben wurde“. Im Hintergrund steht die Auffassung, dass bei der Taufe für jeden Täufling ein Engel bestellt wird. Noch im norddeutschen protestantischen Barock sind die Taufengel architektonisch lebendig.“ In Berger/Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt/M und Leipzig 1999

Winfried Klotz, Pfr. Jg. 1952, verh. 3 erw. Kinder, theol. geprägt von Otto Michel und Hans Joachim Iwand; seit 30 Jahren Hobbyschafhalter, Mitglied im Schäferverein Odenwald.

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