Matthäus 28, 16-20

Matthäus 28, 16-20

Vorbemerkung: Die Predigt ist für
einen Tauferinnerungsgottesdienst geschrieben. Die getauften Kinder der
letzten zwei Jahre mit ihren
Eltern, Paten und Patinnen werden zuvor schriftlich eingeladen und gebeten,
ihre Taufkerzen mitzubringen. Da dieser Predigttext in die Ferienzeit
fällt, macht es Sinn, die Predigt evtl. auf einen späteren
Zeitpunkt zu verschieben. Wichtig ist mir, dass ein solcher Gottesdienst/Predigt
den Kindern gerecht wird, weil sie angesprochen werden, sie mit-agieren
und der Text elementarisiert, aber nicht verniedlicht wird. In der Friedensgemeinde
sind die Kinder des Kindergartens, die auch eingeladen sind, gewohnt,
einmal wöchentlich in der Kirche biblische Texte erzählt zu
bekommen und die Themen spielerisch zu erarbeiten. Sie sind dabei konzentriert
und das Abschiedsritual mit dem Händereichen „Friede sei mit
dir und ich wünsche dir eine gute Woche“ wird in den Gottesdienst-Ablauf
(nach dem Segen) integriert.

Liebe Gemeinde, heute feiern wir einen Tauf-Erinnerungsgottesdienst.

Ja, vor allem die Kinder sind damit gemeint: die 11 hier vorne (namentlich
nennen) –von den zwanzig, die wir in den letzten zwei Jahren getauft
haben.

Tauf-Erinnerung: wer erinnert sich an die eigene Taufe? Ihr beide, die
ihr mit fünf Jahren im Kindergarten getauft wurdet, wisst es noch
genau. Und die beiden anderen waren ganz klein, noch Säuglinge,
Babys und haben damals gespürt, dass die Orgelmusik zu hören
war, dass ihnen Wasser über den Kopf gegossen wurde und dass es
anders war als zu Hause. Sie haben etwas gemerkt und erinnern sich ganz
tief drinnen an eine besondere Aufmerksamkeit, die ihnen galt.

Das ist die Kindertaufe und wir werden uns nachher hier vorn aufstellen,
mit den Taufkerzen in der Hand und singen: „ich bin getauft auf
deinen Namen“.

Ihr und sie haben richtig gehört: auf deinen Namen, nicht auf meinen
Namen. So war das aber früher mal, da bekamen die Kinder die Namen
von ihren Taufpaten und Taufpatinnen und über dem Taufbecken wurde
der erstmals öffentlich genannt. Nicht nur darum, aber auch darum
wurden die Kinder möglichst schnell nach der Geburt getauft, denn
namenlos zu sein, tut nicht gut; das Kind kann nicht angesprochen werden.
Nein, das tut nicht gut, den Eltern nicht, aber vor allem nicht dem Kind.
Aber es gab noch andere Gründe für die schnelle Taufe nach
der Geburt, denn oft erkrankten die Kinder schwer – und die Medizin konnte
noch nicht so wirksam helfen, wie heute.

Die Eltern, Großeltern und Patinnen waren der festen Überzeugung,
dass ein getauftes Kind besser geschützt ist, weil es durch Gottes
Segen wie mit einem Mantel umgeben ist. Nun, ihr seid getauft: aber hier
sind einige andere Kinder, aus dem Kindergarten, Geschwisterkinder und
Freunde, Freundinnen. Wer sich nachher hier vorne dazustellen möge,
ist herzlich eingeladen.

In jedem Gottesdienst hören wir einen Bibeltext, der in dem großen
Buch aufgeschrieben ist, das auf dem Altar liegt. Die Geschichte heute
erzählt von der Taufe und von dem, was Jesus zu seinen besten Freunden
gesagt hat. Er hat ihnen gesagt, was sie tun sollten, wenn er nicht mehr
da wäre.

Heute hören wir den Text in einer anderen, modernen Übersetzung
– denn Jesus hat nicht deutsch gesprochen, sondern so wie man in seinem
Heimatland damals sprach. Die Übersetzung klingt für Sie, die
Sie die Worte aus dem Matthäusevangelium schon häufiger gehört
haben, vermutlich fremd. Und liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden und
Kinder achtet bitte mal darauf, was euch auffällt! Was geschieht
in der Geschichte?

Die Elf aber gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus es ihnen
geboten hatte, und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, aber
sie zweifelten. Da trat Jesus herzu, sprach zu ihnen und sagte: »Mir
ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Nun geht und macht
alle Völker zu meinen Jüngerinnen und Jüngern; tauft sie
in den Namen Gottes hinein, in die Gemeinschaft Gottes, Vater wie Mutter,
Jesu Christi und der heiligen Geistkraft und lehrt sie alles zu halten,
was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis
zum Voll-Ende der Welt.
(Übersetzung aus: Liturgische Texte in gerechter Sprache, Hanne
Köhler und Erhard Domay (Hg.), Gütersloh 2000)

Die engsten Freunde Jesu begleiten ihn auf einen Berg – dort begegnet
ihnen Jesus. Und sie reagieren, so wie wir es auch tun würden: sie
zweifeln. Wie kann das sein, dass er bei uns ist, obwohl er nicht mehr
so ein lebendiger Mensch ist wie er zuvor war. Er begegnet seinen Freunden
und Freundinnen immer wieder für kurze Momente, aber er ist nicht
mehr so greifbar wie er einmal war. Natürlich zweifeln die Jünger,
wie sie in der Bibel genannt werden. Sie spüren, dass er ihr Lehrer
und Freund ist, darum „fallen sie nieder“, sie sind so innerlich
berührt, vielleicht haben einige auch geweint oder laut gerufen: „Bist
du es Jesus?“

Jesus geht zu ihnen und spricht zu ihnen und erzählt
ihnen, dass er sehr viel Macht habe; nämlich ALLE Macht im Himmel
und auf der Erde. In anderen Übersetzungen heißt es manchmal:
dass er Gewalt habe. Aber es ist nicht Gewalt gemeint, die Menschen verletzt.
Es ist eine Macht im Sinne von Ver-Mögen, etwas Können und
Einfluß-Haben gemeint. Und zwar, so wie Jesus gelebt hat: dass
er seine Kraft und seine Fähigkeiten, seine besonderen Gaben, die
ihm Gott geschenkt hatte, FÜR Menschen genutzt hat, die Hilfe brauchten.
Auch für die Kinder. Für Kranke und Behinderte, für Menschen,
die von der Mehrheit abgelehnt wurden, weil sie nicht so lebten, wie
die Anderen. Er hat Frauen und Männer dabei unterstützt, wieder
Lebensmut zu haben und in ihrem Leben einen Sinn zu sehen.

Und er hat,
das haben die Freunde und Freundinnen Jesu am eigenen Leibe gespürt,
ihnen Gott nahe gebracht. Sie lernten, ihn Vater, Abba in ihrer Sprache
zu nennen und mit Gott ganz direkt zu sprechen. So, wie wir heute auch
zu Gott sprechen werden, wenn wir beten: „Vater Unser im Himmel,
der du zu uns wie eine Mutter und ein Vater bist, gib uns unser tägliches
Brot.“

Und sie haben erlebt, dass die Gemeinschaft trägt.
Dass jeder und jede so besonders sein konnte, wie er oder sie war: äußerlich
und innerlich. Sie haben in der Gruppe zusammengehalten, haben keine
Unterschiede gemacht zwischen Frauen und Männern, zwischen Klugen
und weniger Klugen, zwischen Starken und Schwachen. Für Viele war
das neu.

Nun ist Jesus auf dem Berg bei ihnen und spricht zu denen, die
trotzdem mutlos sind. Er spricht ihnen Mut zu. Denn den brauchen sie,
wenn sie das tun wollen, worum er sie bittet – oder richtiger wozu
er sie auffordert: Geht hinaus zu allen Völkern; zu den Fremden,
die andere Sprachen sprechen, die anders leben als ihr und erzählt
ihnen von dem. Was ihr erfahren habt, so mag Jesus gesagt haben, das
erzählt und lehrt sie, was ich euch gelehrt habe. Dass es gut tut,
einander nicht weh zu tun. Dass es auch für die Starken schön
ist, den Schwachen zu helfen – und nicht nur für die Schwachen.
Dass die Klugen von den weniger Klugen lernen können. Geht hinaus
in alle Welt und, wenn sie wollen, dann nehmt sie auf in die Gemeinschaft,
indem ihr sie tauft. Das Taufen mit Wasser, das uns am Leben erhält,
erfrischt und reinigt, das ermöglicht neues Leben. Dann, wenn Menschen
mutlos waren und in einer Sackgasse, aus der sie allein nicht herauskamen.

Jesus hat nicht gesagt, dass sie Kinder taufen sollen – aber er
hat es auch nicht ausgeschlossen. Wir heute wissen, wie sehr die Kinder
Schutz, Begleitung und Menschen brauchen, die ihnen zeigen, wie Leben
sinnvoll gestaltet werden kann. Wir wissen, wie sehr Kinder geduldige
und kreative
Erwachsene brauchen, die ihre Fragen beantworten und ihnen Türen öffnen.
Und, aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass Eltern ebenso
wenig perfekt sind, wie die Heranwachsenden allen Erwartungen, die in
sie gestellt werden, in Gänze genügen können. Wenn es
uns gelingt, im Sinne Jesu und der Gemeinschaft, die wir Christinnen
und Christen als Kirche sind, einander Raum zu geben und einander liebevoll
zu begegnen, dann wäre schon viel erreicht. Die Tauf-Erinnerung
ist heute ein Rückblick auf den ersten Schritt mit der Taufe:
auf
dem langen Weg des religiösen Mensch-Werdens
unter dem Schutz Gottes

und in der Nähe Jesu.

Sie, die Patinnen und Paten dürfen sich an ihr Versprechen erinnern
lassen – und die Eltern sich darauf besinnen, dass sie nicht allein
gelassen sind mit ihrer Aufgabe, ihre Kinder im Größerwerden
zu begleiten.

Wir Menschen haben nicht alle Macht im Himmel und auf Erden. Mich beruhigt
das, weil die „Fehlerquelle Mensch“, wie ein Atomphysiker
einmal gesagt hat, die unberechenbarste ist.
Darum sei die Liebe Gottes, die höher ist als alle unsere menschliche
Vernunft, mit euch allen. Amen

 

Hanna Kreisel-Liebermann
Pastorin in Göttingen
hannakl@gmx.de

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