Matthäus 3:13-17

Matthäus 3:13-17

Estomihi | 18.02.2007 | Matthäus 3:13-17 | Hanne Drejer |


Es ist Fastnachtssonntag, und alle Fastnachtsfeste und die verkleideten Kinder können Anlass sein, ein wenig darüber nachzudenken, in welchem Umfang das Leben faktisch ein Schauspiel ist – eine Bühne, auf der wir ununterbrochen füreinander Theater spielen. Es sind ja nicht nur die Kinder, die sich verkleiden können, wir Erwachsenen können es auch, und zwar nicht nur zur Fastnacht.

Denn wir spielen alle Rollen – wir haben Rollen, die wir spielen müssen, und andere Rollen, ohne die wir nicht leben könnten.

Ich sage das nur als eine Feststellung – nicht als Kritik; denn die Rollen, die wir – jeder für sich – spielen müssen, sind nicht der Art, dass wir sie aufgeben könnten, ohne dabei zugrunde zu gehen.

Im Laufe eines Tages können wir viele verschiedene Rollen spielen und auch wieder aufgeben, wir können viele verschiedene Masken aufsetzen – eine auf der Arbeit, wo man irgendeine Aufgabe zu übernehmen hat und deshalb gezwungen ist, in die entsprechende Rolle zu schlüpfen. Dann ist da unsere eigene Familie, wo jeder von uns seine besondere Rolle hat oder eine bestimmte Maske aufgesetzt bekommt, von der wir nicht so recht wieder loskommen können – und in allen anderen Zusammenhängen und menschlichen Gemeinschaften, an denen wir teilhaben, haben wir oder bekommen wir ganz unmerklich eine Rolle, die wir nun, so gut wir es vermögen, zu spielen haben. Schauspiel ist also keineswegs eine Sache, worauf die Leute am Theater das Patent hätten.

Denn wir spielen immer Rollen und tragen immer Masken, und wir halten uns auch gegenseitig in den Rollen fest, wenn sie erst einmal verteilt sind.

Und wir können verwirrt sein und aus der Fassung geraten, wenn jemand die Maske fallen lässt. Wie sollen wir uns in einer solchen Situation verhalten, und wie sollen wir unser Gegenüber dann verstehen? Man ist unsicher und hat Schwierigkeiten, die rechte Antwort oder Haltung zu finden. Wie man auch Schwierigkeiten haben kann zu akzeptieren, dass jemand völlig die Rolle wechselt. Das kann einem zu viel werden, eine Freundschaft kann zerbrechen und die gemeinsamen Wege müssen sich trennen.

Aber das ändert nichts daran, dass bestimmte Rollen und Masken zum Leben dazugehören – und ich glaube, das ist so, weil wir es nötig haben, uns selbst Halt zu verschaffen – damit wir Hilfe erhalten, unsere Pflicht zu tun,, so gut wir es vermögen.

Wenn wir Kinder bekommen, tun wir gut daran, uns Einblick zu verschaffen, wie Eltern vor uns die Elternrolle wahrgenommen haben; und in ihrer Art und Weise, sie auszufüllen, haben wir dann eine Rolle, zu der wir uns verhalten können – wir brauchen nicht auf genau dieselbe Art und Weise Eltern zu sein, wir brauchen nicht alles nachzumachen, sondern wir können selbst ja oder nein zu der Art und Weise sagen, wie Eltern vor uns Eltern gewesen sind – um so den für uns besten Weg zu finden. Das alles tun wir, um unsere Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen.

Und das gilt sebstverständlich auch dann, wenn wir mit etwas völlig Neuem anfangen wollen – da gilt dann auch, dass es nur klug ist, sich mit der Praxis anderer vor uns vertraut zu machen, sich bei anderen umzutun, denn hier ist eine Rolle auszufüllen, wenn alles gut gehen soll. Nicht in dem Sinne, dass du in allem dem Beispiel derer, die vor dir dawaren, folgen sollst, – aber die Rolle muss ja gespielt werden. Und es liegt auch eine Art Schutz darin, sich in die Handlungsweise anderer vor dir zu vertiefen – hier hast du eine Aufgabe, und in dem Fall kannst du an dem Punkt anfangen, an den schon andere Menschsen vor dir gelangt sind, und du kannst von da aus weiter arbeiten.

Dass es uns dann manchmal schwer fallen kann, die Rolle wieder aufzugeben, ist eine andere Sache. Man kann so sehr mit seiner Rolle zusammenwachsen, dass man sich mit ihr identisch fühlt. Sie kann zum Inhalt eines ganzen Lebens werden, diese Rolle, und menschlich gesprochen wird dann die Katastrophe an dem Tag eintreffen, an dem man die Rolle, die einem alles bedeutet, nicht mehr spielen kann – so wie Menschen es erleben, die z.B. aus irgendeinem Grund ihre gewohnte Arbeit aufgeben müssen oder auf etwas anderes verzichten müssen, das ihnen so ausgesprochen ihre Identität verliehen hat.

Rollen haben wir, und Rollen müssen wir übernehmen, und ich glaube nicht, dass wir jemals ganz ohne sie leben können.

Die verschiedenen Rollen des Lebens sind nicht notwendig negativer Art, solange wir uns nur dessen bewusst sind, dass es Rollen sind.

”Beruhige dich doch und sei du selbst und leg deine Maske ab,” – so können wir leicht zu anderen sagen, aber für die meisten Menschen ist es wohl unmöglich, der Aufforderung nachzukommen. Denn ein Mensch ist ja nicht ein Produkt, das fix und fertig wäre – du bist etwas, zu dem du dich entwickelt hast, deine Identität wechselt je nach Situation, Alter und all den anderen Verhältnissen, die ganz natürlich ihren Einfluss geltend machen und die uns all die Freuden und Besorgnisse, Niederlagen und Herausforderungen schaffen, durch die wir uns als Menschen entwickeln, und die uns zu dem gemacht haben, was wir sind.

Mit anderen Worten: ich glaube nicht, dass wir die Rollen, die uns das Leben gibt, entbehren können. Denn eine Rolle ist nicht immer nur etwas Äußerliches und Unechtes und Künstliches. Eine Rolle ist weitgehend eine Stütze und eine Hilfe, um das tun zu können, was zu tun ist.

Deshalb haben wir Rollen nötig, auf die wir uns stützen können.

Und so ist es, weil wir Menschen sind.

Anders verhält es sich mit Christus, Gottes Sohn.

Er vermochte immer nein zu sagen zu allen Rollen und Masken, die man ihm antrug.

Jedesmal, wenn jemand eine Rolle bereithielt und erwartete, dass er sie auf sich nehmen würde, sagte er nein danke.

So wie wir heute hören, dass er sein Wirken als Sohn Gottes beginnt, indem er getauft wird. Damit schließt er die Kindheit und Jugend ab, von der wir im Wesentlichen nichts wissen, um mit dem zu beginnen, was seine Bestimmung war: Gottes Willen und sein Reich zu offenbaren. E beginnt also das Ganze damit, dass er sich mit der Taufe der Sünder taufen lässt – und damit sagt er eben zugleich nein zu einer bestimmten Rolle, und es ist faktisch die Rolle als Gott, zu der Jesus nein sagt. Jedenfalls zu der Rolle als eine überirdische göttliche Gestalt, die Menschen von ihm erwarteten. Denn er will sich mit der Taufe von Menschen und Sündern taufen lassen – obwohl er doch selbst rein und frei von Sünden war und sich deshalb nicht taufen zu lassen brauchte.

Denn Jesus kam, um Mensch unter Menschen zu sein, und das Merkwürdige dabei ist: indem er voll und ganz Mensch war, war Jesus genau das, was Gott von ihm wollte: er war ein Mensch, wie wir alle von Anfang an seit dem Morgen der Schöpfung es sein sollten. Und eben deshalb, weil Jesus stets daran festhielt, dass dies seine Aufgabe war – Mensch unter Menschen zu sein –, eben deshalb wurde er Gott für uns. Denn er tat damit das, was wir nicht selbst können, er war echter Mensch in allem. Und deshalb können wir auch gar nicht anders als ihn Gottes Sohn nennen – denn er war dadurch Gott für uns – er, der einzige, der imstande war, wahrer und echter Mensch zu sein; von ihm können wir nur sagen: dieser Mensch ist wirklich auch Gottes Sohn.

Indem er echter Mensch war, war er also zugleich Gottes Sohn. Dies meinten die Alten mit der Lehre, dass Jesus Christus sowohl wahrer Gott als auch ein richtiger wahrer Mensch ist. Denn wäre er nicht beides, könnte er auch nicht unser Erlöser sein.

Man braucht sich also überhaupt nicht darüber zu wundern, dass Johannes der Täufer verwirrt ist und Jesus eigentlich nicht taufen will. Er versucht Jesus zurückzuhalten, als er in das Wasser steigen will, und sagt: in Wirlichkeit bin ich es doch, der von dir getauft zu werden hat, und da kommst du, Sohn Gottes, zu mir. Ich, der ich dir nicht einmal bis an die Kniekehlen reiche, sollte dich taufen? Es müsste doch umgekehrt so sein, dass du, der Reine, mich, den Unreinen, taufst. Oder mit anderen Worten: warum willst du nicht die Rolle übernehmen, die du spielen sollst: nämlich Gott zu sein?

Anders zu sein als wir?

Aber Jesus sagt nein; denn seine Rolle war eine andere, oder wie er sagt: lass es jetzt geschehen, denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen!

Gerechtigkeit bedeutet den rechten Weg zu gehen und auf die rechte Weise zu leben, und der Weg, den Jesus zu gehen hatte, war: Mensch zu sein. Und er wollte oder konnte sich nicht dazu bewegen lassen, andere oder feinere Rollen zu spielen. Kaum war Jesus getauft, als Satan ihn in der Wüste in 40 Tagen versuchte, mit der ganzen Macht, die er als Sohn Gottes bekommen konnte. Aber Jesus hielt stand, so wie er sich auch später niemals von noch so wohlgesinnten Sympathisanten versuchen ließ, die nicht verstehen können, dass er als der wahre Mensch unser Erlöser ist.

Und deshalb sagte Jesus nein zu Prestige und Einfluss, wenn jemand ihn zum König machen wollte, und er ging stattdessen in das Leben von Menschen und nahm am Ende sogar alle Angst und alles Leiden auf sich, das auch zu einem Menschenleben gehört.

Es waren also nicht einfach schön klingende Worte, dies alles, es war echte Solidarität mit unserem Leben, in dem Maße, dass es ihn schließlich das Leben kostete. Aber gerade dadurch war er eins mit uns – machte er sich völlig gleich mit uns. Und aus diesem Grund wollte er an jenem Tage im Jordan getauft werden.

Und als er aus dem Wasser herausstieg, öffnete sich der Himmel über ihm und Gott selbst sagte: Dies ist mein lieber Sohn!

Jetzt konnte Jesus sein Wirken beginnen – jetzt war er sozusagen ernannt – mit diesen Worten wurde er von Gott selbst gekrönt! Gekrönt und als Mensch an die Arbeit gestellt. Den Weg des Leidens zu gehen.

Und dieselben Worte lauten von Gott selbst für uns, wenn wir getauft werden – da sagt Gott zu uns: du bist mein liebes Kind in alle Ewigkeit!

Nicht dass wir das Leben Jesu, welches Jesus zu leben vermochte, leben sollen oder könnten, aber indem dieselben Worte bei unserer Taufe zu uns gesagt werden, dürfen wir von dem leben, was Jesus für uns tat, als er starb und wieder auferstand, damit wir leben können – ja, leben können als freie Kinder Gottes, trotz Sünde und Tod.

Die Taufe macht uns frei, Menschen zu sein, frei von Sünde und Tod und Teufel, frei von all dem, was wir selbst nicht besiegen können, das aber von Christus für uns besiegt worden ist, und darin liegt die Freiheit für uns, so dass wir Menschen sein können.

Christus ließ sich taufen zum Leben von Menschen, um den Weg zu gehen, den wir nicht selbst gehen können. Zu ihm sagte Gott: du bist mein lieber Sohn! Und wenn uns dieselben Worte bei der Taufe gesagt werden, schenkt uns das einen Wert, den uns niemand und nichts jemals nehmen kann; denn wir haben ihn von ihm, der uns das Leben gegeben hat, von Gott selbst.

In der Taufe schenkt Gott uns die Freiheit zu leben und das Leben zu formen, das wir von ihm geschenkt bekommen haben – die kostbare und verletzbare Gabe, die das Leben ist, das deshalb sowohl missbraucht als auch verraten werden kann. Das weiß Gott genau; denn es ist der Preis der Freiheit. Aber ohne diese Freiheit wären wir keine Menschen, sondern Roboter.

Und damit sind wir wieder bei der Fastnacht und all den Rollen, die wir spielen müssen, weil wir auf eine Rolle, mit der wir uns stärken, nicht verzichten können, oder weil wir von anderen, die nicht verstehen, dass jeder Mensch einen Wert in sich selbst hat und nicht von anderen gelenkt werden darf, in irgendwelche Rollen hineingezwungen werden.

Gegen all dies lautet das Wort der Taufe: jeder Mensch ist einzig und ein Rätsel und geliebt von dem Schöpfer des Lebens, so wie wir sind, nicht wie wir einmal werden können, wenn andere uns abrichten; sondern so, wie wir sind, haben wir jeder unseren Platz und unsere Aufgabe in dem Leben, das wir von ihm bekommen haben, der froh und bereitwillig alles mit uns teilt und dessen Liebe und Vergebung groß genug sind für alle.

Amen


Pastor Hanne Drejer
Kirkestræde 1
DK-5466 Asperup
Tel.: ++ 45 – 64 48 10 82
e-mail: hdr@km.dk


Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

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