Matthäus 6,1-4

Matthäus 6,1-4

 

Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


 

13. Sonntag nach Trinitatis,
9. September 2001
Predigt über Matthäus 6,1-4 verfaßt von Katharina Coblenz-Arfken


1. Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu
stellen;
Ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.
2.Wenn du Almosen gibst, sollst du es nicht von dir ausposaunen lassen,
wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun,
damit sie von den Leuten gelobt werden.
Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin
3. Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen,
was die rechte tut,
4. damit deine Gabe verborgen bleibe; und dein Vater,
der in das verborgene sieht, wird dir`s vergelten.

Liebe Gemeinde,

die kleine Sarah ist zu Bett gegangen und soll noch ihr Nachtgebet sprechen.
Statt wie gewohnt zu sagen „Hab ich Unrecht heut getan, sieh es,
lieber Gott, nicht an,“ betet sie: „Hab ich Unrecht heut getan,
geht`s dich, lieber Gott, nichts an!“
So denken nicht nur Kinder. Erwachsene stellen es nur oft geschickter
an, wenn sie eigenes Fehlverhalten nicht wahrnehmen wollen.

Jesus hinterfragt in diesem Abschnitt der Bergpredigt unsere Gerechtigkeit
und damit im Grunde unseren ganzen Lebensstil.
Was ist die Motivation für unser Handeln? Konkret macht das Jesus
am Beispiel des Almosengebens. Das Wort „Almosen“ stammt noch
aus dem Griechischen, wo es „eleemosyne“ heißt und „Barmherzigkeit“
bedeutet. Wir kennen das aus dem „Kyrie eleison – Herr, erbarme
dich“. Das Tun der Barmherzigkeit stellt Jesus hier in diesem Kapitel
den Ratschlägen für das Beten (Verse 5-14) und Fasten (Verse
16-18) voran.
Das Zusammenleben der Menschen konnte nur funktionieren, wenn es auch
die Gaben für die Armen gab. Denn nicht selbstverschuldete Armut
kann jeden Menschen treffen, sei es durch Krankheit, sei es durch einen
Unglücksfall.
Es steht außer Zweifel, daß wir den Menschen, denen es schlechter
geht als uns, helfen, sie auch materiell unterstützen. In dem barmherzigen
Samariter, von dem das Evangelium des Sonntags erzählt (Lk 10,25-37)
zeigt uns Jesus, wie ein Mensch Barmherzigkeit übt – eben indem
er das nächstliegende tut. Die Hilfe ist nicht vorgeplant, nicht
berechnet. Der Reisende ist der, der dem Notleidenden begegnet, ihn
sieht und das tut, was er kann: Er behandelt die Wunden notdürftig,
bringt ihn zum nächsten Krankenhaus, sprich Herberge, und bezahlt
die Kosten für die Pflege des Verletzten. Er erwartet dafür
keinen Dank. Es kommt darauf an, daß er hilft. Das ist wesentlich.
Dazu braucht es kein Gehabe.
Aber schon zur Zeit Jesu muß Wohltätigkeit zum Laufsteg menschlicher
Eitelkeiten geworden sein. Wenn ich schon etwas Gutes tue, müssen
das doch die anderen sehen. Und es war auch so, wer besonders viel Spenden
in der Synagoge oder Bei Fastengottesdiensten öffentlich versprach,
der wurde besonders geehrt und durfte z.B. neben dem Rabbi sitzen (U.Luz,
Der Evangelium nach Matthäus, Neukirchen 1985, S.323).

Heute lautet die Devise „Tu Gutes und sprich darüber“.
Ausposaunt werden die guten Taten in Zeitungen, Fernsehshows, Spendenlisten.
In der Kirche sucht man nach Sponsoren, die sich dadurch auch einen
guten Namen machen können. Besonders eignen sich Glocken dafür,
aber auch bunte Kirchenfenster. Etwas sichtbares also.
Genau hier warnt Jesus uns davor, dem Schein zu verfallen. Er ruft uns
zur Achtsamkeit, daß wir nicht Schauspieler werden, um vor den
Menschen im rechten Licht zu stehen. „Denn Gott, der ins Verborgene
sieht, wird es dir vergelten.“ Gott durchschaut uns, er blickt
in unser Herz. Hier ist wieder die Radikalität Jesus zu spüren,
die unser Umdenken fordert. Die Quelle dafür ist und bleibt die
Liebe Gottes.
Die Menschen, die so mühsam bedacht sind auf die Wirkung ihrer
guten Taten, haben wohl wenig von dieser Liebe Gottes verspürt,
die ihnen schon längst geschenkt ist. Sie suchen sie am falschen
Ort. Das Gesehenwerden von den Menschen kann die Liebe Gottes nicht
ersetzen. Im Gegenteil.

Das makabere ist dabei ja, daß es oft inmitten unserer Kirche
geschieht, daß wir von unseren Eitelkeiten gefangen werden. Ich
erinnere mich wieder an die Fahrt nach Klaipeda im Baltikum. Es war
zwei Jahre nach der Wende als ein Vertreter einer reichen Gemeinde aus
dem Westen und eine Vertreterin einer ärmeren östlichen Partnergemeinde
in ein Dorf bei Klaipeda fuhren um Kontakte zu den Christen dort zu
knüpfen. Zur Kirche von Kritingale gehörten mehr als eine
Handvoll Christen aber weit weniger als hundert. Sie wollten ihr geschändetes,
zweckentfremdet gebrauchtes und zerstörtes Gotteshaus wieder aufbauen.
Siebzig Jahre lang stand die Kirche ode als Stall, Munitionslager, Baustoffhandlung..
Das Unternehmen erschien uns hoffnungslos. Meine in den letzten Gottesdiensten
gesammelte Kollekte von 600.-DM übergab ich – „viel zu wenig“
dachte ich traurig. Meine westlichen Kollegen, der Pfarrer hatte noch
einen finanzkundigen Fachmann mitgebracht, übergaben vorsichtshalber
nichts, sie wollten erst einmal sehen, ob daraus etwas würde. Wenn
der Bau vorankommt, dann wollten sie gern ganz gezielt für ein
Kreuz oder einen Altar spenden.
Zu dieser Spende kam es nicht, wohl aber zur Einladung zum Einweihungsgottesdienst
dieser Kirche nach zwei Jahren. Die Christen in Kritingale hatten ihre
Kirche gemeinsam wieder aufgebaut – vielleicht ganz ohne Spenden, denen
man ansah, woher sie kamen und wo die Spender vermerkt waren.

Das zweite Beispiel ist noch nicht lange her, da trug der Pfarrer des
Ortes die Jacke mit der großen Aufschrift Notfallseelsorge – obwohl,
wie sich später herausstellte, er überhaupt keinen Dienst
hatte. Wollte er gesehen werden? Aber als bei der Veranstaltung am Abend
ein Kirchenbesucher ohnmächtig wurde, der Rettungswagen bestellt
und der Hilfsbedürftige hinausgetragen werden musste, rührte
er sich nicht. Er bekam es einfach nicht mit.
Nimmt uns vielleicht unsere Eitelkeit so gefangen, daß wir nicht
mehr das nächstliegende sehen? Man spricht heute von Imagepflege,
das Bemühen um das eigene Ansehen, das sehr viel Kraft kostet.
Wie entlastend klingt da der Rat Jesu, daß die linke Hand nicht
wissen soll, was die rechte tut.
Die „linke Hand“, ist ja die Hand auf der Seite des Herzens,
symbolisch gesprochen die Hand der mütterlich bergenden Liebe.
Alles Handeln und Leben aus dieser Quelle braucht keine zu Schaustellung.
Diese zerstört sie. Die Liebe als die Kraft im Verborgenen wirkt
weiter als wir mit unserem Verstand begreifen mögen.
Gott, der ins Verborgene sieht, ist ja auch der Gott, der uns aus Liebe
ins Leben gerufen hat.
Wenn wir in dieser Liebe bleiben und aus ihr handeln, dann haben wir
den Lohn bei Gott und sind unabhängig vom Beifall der Menschen.
Alles Berechnen und Vergelten wird überflüssig.
Ignatius von Loyola sagt in seinen viel gelesenen geistlichen Übungen:
„Jene Liebe, die mich bewegt und das Almosen geben läßt,
soll von oben herabsteigen, von der Liebe zu Gott.“ (Geistliche
Übungen, Leipzig 1978, S.143) Dann strahlt Gott auch aus unserem
Leben wieder und das Tun der Barmherzigkeit bleibt eine Sache des Herzens.

 

Liedvorschlag EG 82,7 „Laß mich an andern üben,
was du an mir getan;
und meinen nächsten lieben,
gern dienen jedermann
ohn Eigennutz und Heuchelschein
und, wie du mir erwiesen,
aus reiner Lieb allein.
Justus Gesenius 1646

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Katharina Coblenz-Arfken
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18556 Altenkirchen
Tel.: 038391-12326
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