Offenbarung 1, 9-18

Offenbarung 1, 9-18

Ein Brief von der Insel | 3. Sonntag nach Epiphanias | 21.01.2024 | Offenbarung 1, 9-18 | Berthold W. Haerter |

Liebe Gemeinde

«Wir sind in Sicherheit.

Dank Gottes Gnade geht es uns gut.» (Neue Zürcher Zeitung, 10.01.2024, p 7: Der Krieg erreicht die «kleine Schweiz»)

Diese Whatsapp -Nachricht stammt nicht aus dem Gaza oder Israel.

Sie stammt auch nicht aus der Ukraine.

Sie stammt aus Kongo-Kinshasa, aus Afrika.

In Kongo-Kinshasa herrscht ein, von der Welt kaum wahrgenommener, Krieg zwischen der von Rwanda unterstützten Rebellengruppe M23 und der kongolesischen Armee.

«Wir sind in Sicherheit.

Dank Gottes Gnade geht es uns gut.»

Das hat der Verwalter einer Lodge aus dem Osten Kongos, aus einer der wohl schönsten Landschaften geschrieben.

Man nennt die Gegend auch «la petite Suisse».

Samuel Juhudi wurde dort mit seiner Familie von der Rebellengruppe M23 überrollt.

(sie NZZ)

«Wir sind in Sicherheit.

Dank Gottes Gnade geht es uns gut.»

Mancher würde in ähnlicher Lage Gott verfluchen.

Der junge Vater dankt, hat auf Gott vertraut und ihn offensichtlich erlebt.

Keine Whatsapp-Nachricht mit berührendem Inhalt, sondern ein Brief mit außergewöhnlichem Inhalt ist die Offenbarung nach Johannes.
Das letzte Buch der Bibel, am Ende des Neuen Testaments.

Die Offenbarung ist ein Brief, der geschrieben wurde, weil Johannes, wie der junge Vater aus dem Kongo, etwas Besonderes mit Gott erlebt hat.

Wir wissen über diesen Johannes wenig.

Er ist Christ.
Er ist eine Autorität.

Er ist bekannt unter den christlichen Gemeinden in der römischen Provinz Asia, der heutigen Türkei.

Die kleinen christlichen Gemeinden, werden immer wieder von der römischen Besatzungsmacht bedrängt. (Die grossen Christenverfolgungen haben noch nicht eingesetzt. Örtlich sind sie aber möglich.)

Sie haben auch das Gefühl, keine Juden mehr zu sein, sondern etwas Neues, eben Christusnachfolger und doch gehören sie teilweise noch zur Synagoge.

Johannes fühlt sich mit ihnen, in ihrer Bedrängnis aber auch im christlichen Glauben eng verbunden.

Mehr wissen wir nicht von ihm.

Wir kennen aber sein rhetorisch fein geschliffenes, in gutem Griechisch geschriebenes Werk.

In ihm erzählt er, das er beauftragt wurde, alles aufzuschreiben, was Gott bzw. Gottes Geist ihm zeigen wird.

Er soll es als Brief verschicken.

Das geschah, so betont Johannes, am Tag des Herrn, also nach Jesu Auferstehung.

Ein Sonntag?

In der Offenbarung 1, 9-11a erfahren wir Folgendes (alle Bibelzitat nach der Zürcher Bibel):

9 Ich, Johannes, euer Bruder und Gefährte in der Bedrängnis,

der mit euch teilhat an der Herrschaft und mit euch in Jesus ausharrt,

ich bin auf die Insel Patmos gekommen – um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.

10 Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte in meinem Rücken eine mächtige Stimme wie von einer Posaune,

11 die sprach: Was du zu sehen bekommst, das schreibe in ein Buch und schicke es den sieben Gemeinden: …

Johannes befindet sich auf der Insel Patmos, wahrscheinlich nicht ganz freiwillig.

Vielleicht hat er sich auch zurückgezogen vom Trubel der Welt, um sich ganz auf Gott zu konzentrieren.

Er befindet sich im Gebet, da gerät er «quasi» eine Stufe höher.

Er kommt mit Gottes «neuer» Welt in Kontakt.

Von aussen wird er angesprochen.
Es ist also nicht ein Traum sondern er hört eine beeindruckende Stimme wie eine Posaune (Basisbibel: Trompete).
Er hat eine Vision.

Für uns nüchterne Reformierte ist das schwer begreifbar.

Aber es gibt Menschen, die mir glaubhaft erzählen, dass sie in speziellen spirituellen Sitzungen, sich dieser Welt annähern können.

Ich würde über Johannes Erleben hier sagen:

Er begegnete in einem Moment Jesus.
Dann verstehen ich es besser.

Momente, in dem ich dem Göttlichen besonders nahe war, die haben wohl nicht nur ich, sondern auch Manche von Ihnen schon erlebt.

In der Offenbarung stürzen nun eine Fülle von Bildern auf uns ein.

Sie sind so aussergewöhnlich, dass man Lust bekommt, sie zu malen.

Hans Holbein hat es in der ersten Zürcher Bibel, der Froschauer Bibel versucht und ist eigentlich gescheitert.

Es sind zu viele Eindrücke auf einmal.

Hören wir, was Johannes sah (Off. 1,12-16):

Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die zu mir sprach.

Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter,

13 und inmitten der Leuchter eine Gestalt, einem Menschensohn gleich,

gekleidet in ein Gewand, das bis zu den Füssen reichte,

und um die Brust gegürtet mit einem goldenen Gürtel.

14 Sein Haupt aber und sein Haar waren weiss wie weisse Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen,

15 seine Füsse gleich Golderz, wie im Ofen geglüht, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser.

16 Und in seiner Rechten hielt er sieben Sterne,

und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert,

und sein Antlitz leuchtete, wie die Sonne strahlt in ihrer Kraft.

Johannes sieht Jesus Christus, angetan mit einem Umhang, wie ihn der Hohe Priester im Tempel getragen hatte (der Tempel wurde 70 n.Chr. zerstört).

Das weiße Haar zeugt von der großen Weisheit.

Die Augen vom Christus waren so leuchtend, dass man realisiert, diese Augen sehen alles und kennen jeden.

Jesus Christus steht auch nicht auf tönernen oder Betonfüssen, wie ein Denkmal.

Die Füsse, die unter dem Mantel hervorschauen verraten seine ganze Beschaffenheit.

Der hier erfahrene Jesus ist nicht aus irdischem Material.

Er ist fest und stabil, nichts kann ihn zerstören oder umbringen.

In seiner rechten Hand hatte der Geschaute 7 Sterne.
Schon damals dachte man, wie Esoteriker heute, dass Sterne einen Einfluss aufs Leben haben.

Wenn der «Menschensohngleiche» (Martin Karrer) diese als Siebnergestirn in der Hand hat, bedeutet das:

Gott bzw. Jesus hat auch die Sterne im Griff, sie unterliegen Gottes Macht.

(In der Weihnachtspredigt haben wir die Verbindung von Sternen mit Gott bzw. Weltenherrschern behandelt.)

Das Schwert mit zwei Klingen, das aus dem Mund kommt, deutet an, dass Christus mit seinen Worten aufrütteln, schützen, aufrichten und richten will.

«Der Jesus, der am Kreuz, im mittleren Alter in irdischer Leiblichkeit starb, ist (hier) kaum wiederzuerkennen. (Martin Karrer: Johannesoffenbarung, EKK, 267)

Aber er leuchtet wie die Sonne, also er strahlt Gottes Liebe aus, will Johannes sagen.

Das bekannte Lied «Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da.» versucht das in unserer Zeit zu übersetzen.

Man kann sich gut vorstellen, dass bei diesem Bild von fast angstmachender Macht, Johannes zusammensinkt.

Er verliert die Macht über seinen Geist und seinen Körper.

Er wird ohnmächtig.

Wir hören die Verse 17 und 18:

Und als ich ihn sah, fiel ich wie tot zu seinen Füssen,

und er legte seine Rechte auf mich und sprach:

Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige;

ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit,

und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.

Der große überdimensionierte, menschengleiche und doch eher engelmässig beschriebene Jesus Christus,

er wird in diesem Bild zum Freund, zum Bruder, der sich um seinen Johannes kümmert.

Christus legt seine rechte Hand auf Johannes und spricht:

Fürchte dich nicht …

Bei diesem «Fürchte Dich nicht», klingt mit:

‘Johannes, hab keine Angst vor mir.’

Und:

‘Johannes, hab keine Angst vor dem, was Du noch sehen wirst, was auf Euch Christen in Zukunft noch zukommen könnte.

Es werden schwere Zeiten kommen, aber fürchte Dich nicht.’

Das von Johannes Aufgeschriebene drückt aus:

Der Jesus, der durch die Auferstehung zum Christus wurde, begleitet und führt.
Sein Geist ist lebendig.

Schauen wir uns das Neue Testament an, so finden wir dieses «Fürchte Dich nicht» als einen Satz, den nur Jesus spricht.

Kein anderer. (Wohlgemerkt nicht: Fürchtet Euch nicht! Wenn dieses auch auf Jesus verweist.)

So erzählt das Markusevangelium (Mk 5,30ff) vom Synagogenvorsteher Jairus.
Dieser geht zu Jesus und bittet ihn, seine kranke Tochter zu heilen.

Jesus wird auf dem Weg zum Hause des Jairus aufgehalten und bekommt die Nachricht:

Das Kind ist bereits gestorben.

In diesem Moment spricht Jesus zu Jairus:

Fürchte Dich nicht, glaube nur.

Also, hab keine Angst, hab Vertrauen zu mir.
Es kommt gut.

Das alles schwingt mit, als Christus zu Johannes sagt:

Fürchte Dich nicht.

Er macht Johannes Mut, weiter zu sehen und zu hören, was Christus ihm noch zeigen will.

Er macht ihm Mut.

‘Ich bin der, der den Tod überwunden hat, der gestorben und wieder lebendig geworden ist.

Jetzt bin ich lebendig und habe den Schlüssel des Todes und die Unterwelt.

Wenn ich also die Macht über die Erde und selbst über den Tod habe:

Johannes, wovor fürchtest Du Dich nun noch?

Ich bin an Deiner Seite!’

Johannes schreibt wirklich einen aussergewöhnlichen Brief.

Zusammengefasst in der WhastApp aus dem Ostkongo:

«Wir sind in Sicherheit.

Dank Gottes Gnade geht es uns gut.»

Johannes wird beauftragt, den Brief an 7 Gemeinden zu schreiben.

Die Zahl 7 ist ein Symbol für Gottes Kraft und Liebe zur ganzen Welt

Sie deutet an, dass dieser Brief seine Bedeutung für die gesamte Welt mit ihren 4 Himmelsrichtungen hat, in der der dreieinige Gott wirkt (sieben).

Dieser Brief ist auch für uns interessant, die wir das Jahr 2024 begonnen haben.

Jesus Christus ist noch heute in dieser Welt, sagt uns dieser Bibeltext.

Er ist nicht sichtbar, nur entdeckbar.

Er will mich aufrichten.

Denn:

«Leben, Licht und Wissen um das, was ist und sein wird, findet sich allein bei dem einen Gott … .

Dieser eine Gott aber macht sich durch Christus sichtbar, der «Der Lebendige» ist, obwohl er starb.»

(Karrer, 271)

Wir leben in schwierigen Weltzeiten.

Mancher von uns lebt auch privat, beruflich bzw. gesundheitlich in einer aufreibenden, anstrengenden, einem manchmal die Hoffnung raubenden Situation.

Jesus Christus will jedem von uns Mut geben.

Lebe im Heute!

Versuche immer wieder loszulassen und Verantwortung an Gott abzugeben.

«Fürchte Dich nicht, glaube nur.»

AMEN

Berthold W. Haerter

Oberrieden am Zürichsee

Berthold.haerter@bluewin.ch

Geb. 1963, Pfarrer der Ev.-Ref. Kirche Zürich seit 1993

Tätig in der Agglomerationsgemeinde seit 2005

Predigtreihe: Offenbarung nach Johannes

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