Matthäus 25,14-30

Matthäus 25,14-30

Klärung der Erwartungen | 4. Sonntag nach Epiphanias | 28.01.2024 | Mt 25,14-30 (dänische Perikopenordnung)[1] | Anne-Marie Nybo Mehlsen |

Die Wendung ”Klärung der Erwartungen” ist ein Kunstbegriff, eine konstruierte Wendung, die nach Management klingt und einer Beziehung in einem Paar, wo Rollen, Zeit, Pflichten und schlechte Angewohnheiten in einer Absprache verhandelt werden.

Klärung der Erwartungen schafft Sicherheit, sagt man oft. Ja, das ist so…. bis zu einem gewissen Grad.

Perfektionisten brauchen besonders eine Klärung der Erwartungen – denn sonst gibt es ja keine Grenzen dafür, was andere – und nicht zuletzt die Perfektionisten selbst von sich erwarten können.

Klärung der Erwartungen verschafft das Gefühl der Kontrolle, im Guten wie im schlechten Sinne. Wir haben die Kontrolle in Bezug auf die neue Arbeit, den neuen Mitarbeiter, die neue Leitung und die neuen Bedingungen. Wir werden Experten darin, was wir erwarten können und wozu wir selbst verpflichtet sind. Jede Überraschung ist ausgeschlossen, weg mit jeder Motivation, sich zu überanstrengen und mehr zu geben.

Ich bekomme ja trotzdem weder mehr Geld oder Lob für einen Millimeter mehr als erwartet oder verabredet ist. Das ist der Preis dafür, die Kontrolle zu haben und die Gewissheit über meine Situation, meine Rechte und meine Pflicht.

Wir Menschen leben meist in einer wirtschaftlichen Lage mit ökonomischem Denken, und das veranlasst uns oft, unsere Lebenskraft und unseren Lebensmut auf den Versuch zu verschwenden, uns Verdienste zu erwerben, einen Bonus zu verdienen in irgendeinem Punktsystem, das umsonst ist.

Im Verhältnis zu Gott gibt er keine Klärung der Erwartungen. Es wäre absurd, weniger als alles aus der Hand Gottes zu erwarten, so wie es unmöglich ist, Gott etwas geben zu wollen.  Denn wer hat etwas erst Gott gegeben, so dass er dafür etwas erwarten kann?

Gott lässt sich nicht von Menschenhänden dienen, so als brauchte er das. Wir brauchen seine Hilfe. Wir müssen aus unseren Löchern herausgeholt werden, den eingefleischten Erwartungen und enttäuschten Hoffnungen.

Wir sind es, die wir uns vorstellen können, als die unnützen Knechte zu enden – draußen in der Finsternis.

Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber ich ende oft draußen in der Finsternis, wo es keine Hilfe gibt.

Das ist da, wo ich mich selbst hingebracht habe, wenn ich mir ganz sicher bin, dass ich hier selbst durchkomme! Ich muss das selbst durchstehen! Denn sonst müsste ich um Hilfe bitten – und das geht einfach schief. Wer sagt, dass ich meinen Zaun selbst wieder aufrichten kann nach einem Sturm? Ihn im weichen Boden befestigen? Wer sagt, dass ich Hilfe brauche für das Riesenprojekt, an das ich mich gewagt habe? Wenn ich dabei um Hilfe bitte, bekomme ich nur lauter Chefs, die über das Projekt bestimmen und gute Ratschläge erteilen wollen für alles Mögliche, für das ich sie nicht um Rat gebeten habe…

Nein, dann lieber es selbst machen – oder sein lassen, weil ich es nicht schaffe… aber lieber das als meine Verletzlichkeit und Ohnmacht zur Schau zu stellen.

Ich vergrabe also mich selbst und mein eigenes Talent in dem Schützengraben der Unverletzlichkeit und Selbstgenügsamkeit, und ich bitte die Welt, mich in Ruhe zu lassen mit dem, was ich nicht schaffe.

Du kannst selbst darüber nachdenken, ob du so etwas kennst. Oder gilt das nur für mich?

Nun ja – vielleicht kommt da ja ein nichtsahnender Mitmensch vorbei in meiner Not und fragt ganz unschuldig: Soll ich dir dabei helfen – oder willst du am liebsten selber? Dann muss ich alles liegen lassen, was ich in den Händen habe, das fallen lassen, was doch nicht stehen kann, und die Hilfe annehmen. Dann muss ich mir helfen lassen aus meinem kleinen Grab und die Dinge auf anderen Prämissen als meinen eigenen geschehen lassen. Und wenn der Zaun einmal wieder steht, kann ich eben nicht sagen: Seht selber, ich habe es geschafft!

Da war ja jemand, der sich nichts anderes traute als für sich selbst zu sorgen. In seiner Furcht vergrub er sein anvertrautes Talent – um sich gegen die ganz unangemessene Erwartung zu schützen, dass daraus mehr werden könnte. Für ihn war das ein ganz unmöglicher Gedanke, dass das aufblühen und wachsen und gedeihen – zu mehr werden könnte, viel, viel mehr. Genug um davon weiterzugeben!

Aus Furcht landen wir da. Wir scheuen das Wagnis, wagen es nicht, uns auf die Bedingungen einzulassen. Die Bedingungen, die ja in Verletzlichkeit, Ohnmacht und der Möglichkeit bestehen, das Wagnis einzugehen, die Gemeinschaft anzunehmen, Hilfe anzunehmen für das, was einem anvertraut ist, es blühen zu lassen dort mitten im Leben und den gemeinsamen Bemühungen.

Mein umgefallener Gartenzaun ist eine Aufgabe, die meine Fähigkeiten weit übersteigt, wie sich gezeigt hat, denn er ist furchtbar schwer und steht in weichem Boden auf nun zerbrochenen Pfählen. Woher habe ich die Vorstellung, dass ich die Lösung schon besser selbst finden muss – anstatt andere um Hilfe zu bitten? Was fürchte ich da zu verlieren? Oder geschenkt zu bekommen?

Es gibt weit größere Dinge im Leben, mit denen ich auch nicht allein fertig werde. Beziehungen, Liebe, Talente – denn auch ich bin ein Mensch mit Talenten.  „Du hast Talent dafür“, wurde mir als Kind gesagt – und ich war sofort daran zu zerbrechen in harter Arbeit für mein Talent – es war ja etwas Besonderes, was mir anvertraut war.

Es ist paradoxal, dass wir das Wort Talent für Fähigkeiten benutzen, die besonders sind, und dann denken, dass dann alles spielend von selbst geht. Alle Menschen haben besondere Gaben. Alle Menschen haben Talent für irgendetwas, aber die knallharte Arbeit, die erforderlich ist, tüchtig zu werden, und der Druck von Erwartungen, der daraus folgt, seine Talente zu entwickeln, lässt viele Talente verkümmern.

Wann dürfen wir nun eingehen in die Freude unseres Herrn, ruhen in der Sonne und das Werk blühen sehen, das uns anvertraut ist, ganz frei und gratis? Die Arbeit daran, dass es gelingt, gedeiht und blüht, erfordert, dass wir uns selbst darin einbringen zusammen mit anderen. Du darfst dich nicht davor fürchten zu korrigieren und zu verändern, darfst nicht zu der Ansicht kommen, dass du alles selbst willst. Du darfst nicht glauben, dass die anderen etwas von deinem Wert wegnehmen, bloß weil sie dir etwas geben von ihren Kräften, ihrem Wissen und ihrer Erfahrung.

Du bist geliebt! Du bist es schon so wie du bist, und jeder Schritt auf deinem Weg ist schon eine Entwicklung. Jeder Versuch, auch der missglückte, ist ein Teil des Gelingens. Und du sollst nicht glauben, dass du alles selbst vollenden kannst, dass es peinlich ist, um Hilfe zu bitten. Es ist keine Schwäche, Unterstützung zu erwarten von Mitmenschen, und überhaupt nicht dumm, darauf zu vertrauen, dass Gott dir helfen will mit den anvertrauten Talenten.

Evangelium bedeutet noch immer frohe Botschaft – wir sollen nicht zur Furcht, sondern zur Freude gebracht werden. Gehe ein in die Freude deines Herrn – wir sind auf dem Wege dahin. Aber wir müssen uns erst in den Regen begeben am umgefallenen Gartenzaun und erkennen, dass wir nicht alles selbst machen können.

Wir müssen die Furcht austreiben, die uns lähmt, und auf andere zugehen. Aufstehen und zu Freunden und Nachbarn gehen, um bei ihnen zu investieren, ihnen die Gabe geben, die darin besteht, dass wir sie brauchen, auf ihre Bereitschaft und Fähigkeit und Liebe vertrauen. Dann gehen wir da zusammen in der Sonne und können lachen über das, was schwerfällt, und gemeinsam pusten vor Anstrengung und uns dann zusammen freuen, wenn es gelingt – auch da, wo es etwas schief steht. Seht, da sind Blumenzwiebeln vergraben am Zaun, und das wird das Band, das stark und fest zwischen Freunden und Nachbarn geknüpft ist, während wir gemeinsam arbeiteten. Mit Gottes Hilfe ließ ich los und erkannte meine Niederlage – nicht nur in Bezug auf den Zaun, sondern auch in Bezug auf vieles andere, was größer und tiefer ist im Leben und wo ich meinte, es unter Kontrolle zu haben. Da ist viel Heulen und Zähneklappern dabei. Lohnt sich das? Ist Gott die Mühe wert?

Nein – eigentlich nicht, denn das wäre ein Missverständnis, wenn wir in dieser Weise ökonomisch denken. Wie etwas, was getan werden muss, um etwas anderes zu erreichen. Ein Prinzip des Gebens und Nehmens. Eine Liebe, die teuer erkauft werden muss oder für die hart gearbeitet werden muss. So eine Liebe treibt keine Furcht aus. Die bringt uns keinen Schritt näher zu dem Lebensmut und dem Vertrauen, die allesentscheidend sind, wenn die Aufgabe in unseren Händen blühen soll.

Gott meint, dass sich die Mühe lohnt! Er meint, dass wir den ganzen furchtbar teuren Preis wert sind. Es kostete ihn buchstäblich Blut, Schweiß und Tränen, ja dazu Leben, Tod und Auferstehung. Das ist die Liebe, die vollkommene Liebe, die unsere Furcht austreibt.

Gott investiert sein ganzes Vermögen in uns, legt das Schöpfungswerk, das wunderbare und verletzliche Leben in unsere Hände. Anvertrautes Gut. Aber er begnügt sich nicht damit. Er gibt auch sich selbst! Jesus investierte sich ganz, er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, krempelte die Ärmel hoch, um dich als jedem Schützengraben aus enttäuschten Erwartungen auszugraben. Von ihm lernen wir, dass die Liebe alles in den anderen investiert. Glaubt alles, hofft alles, erträgt alles – wagt alles. Wenn dieses Wunder geschieht, dann blühen die Talente, der Überschuss fließt von selbst. Wer hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben. Wir haben mit einem Mal unendlich viel einander zu geben, ohne die Furcht zu verlieren, ohne die Furcht, dass uns etwas entgeht, wenn wir die Hilfe anderer annehmen.

Gott gibt noch mehr! Hier wird es unglaublich groß, hier wird es zu evangelischer Freude. Eine Freude, in die wir eingehen, in der wir wohnen und von der her wir handeln, von der wir austeilen. Christus geht noch immer freiwillig draußen in der Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern ist, um uns in die Freude zu holen. All das vergeudete, vergrabene, verlorene Leben, aus dem nichts wurde und von dem alle glaubten, es sei ewig verloren. Das übertrifft die kühnsten Erwartungen.

Seht, er macht alle neu! Verwandelt! Lässt auferstehen! Selbst aus dem, was vergraben war, entspringen Frühjahrsblumen, und du und ich dürfen im Sonnenschein der Freude sitzen mit dem Kaffee und über all dies lachen, während wir die starken Bande der Liebe spüren, die aus der Mühe und Arbeit entsprangen. Die Mühe, die Arbeit, die Niederlage und die Tränen, die an diesem Tage längst vergessen sind.

Groß und voller Lebensmut ist es zu hören, dass Gott so ist. Der Gott, mit dem du keine Klärung der Erwartungen vornehmen kannst, den du nicht kontrollieren kannst, gegen den du dich nicht versichern kannst und dem du nicht zurückzahlen kannst. Er stand auf aus dem Grabe, aus dem Loch in der Erde, und wurde zum Frühling der Auferstehung für dich und mich, für die Menschen“ Der „unbekannte Gott“, dessen Altar Paulus sah, zeigt uns sein Angesicht in Jesus Christus. Amen!

Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen

DK 4930 Maribo

Email: amnm(at)km.dk

[1] In Dänemark ist an diesem Sonntag Septuagesima.

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