Osterpredigt 2021

Osterpredigt 2021

4.4.21, Ostersonntag | Predigttext: 2. Mose 14,8–14.19–23.28–30a;15,20f. | Th.-M. Robscheit |

Predigtlied: BT 558: Ich hör die Botschaft: Jesus lebt

Eine Predigt, liebe Schwestern und Brüder, eine Predigt beginnt mit dem Friedensgruß; erst recht zu Ostern! Denn da wird die fröhliche Osterbotschaft verkündet: Der Herr ist auferstanden! Das Leben siegt!

Doch in diesem Jahr fällt mir dieser Gruß schwer. Es lastet so viel auf unseren Seelen, der Lebensmut sinkt; so lange schon ist  das Leben heruntergeschraubt.

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!

Doch seh ich nur: Die Welt erbebt,

weil Krankheit herrscht und Tod und Krieg.

Wo find ich Jesu Ostersieg?

Ostersieg? Bisher war das Wort für mich immer recht gewaltfrei: ein Sieg ohne Blutvergießen; eher im Gegenteil! Kein Tod, der wird überwunden!

Doch in diesem Jahr ist der Predigttext ein Gewaltorgie. Und da wurde der Bibeltext durch galantes Weglassen schon weich gespült, so fehlt zum Beispiel die zweite Hälfte des 30. Verses: Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen. Ich habe sofort Bilder von ertrunkenen Flüchtlingen vor Augen. Was sind Ihre Assoziationen und Bilder, wenn Sie jetzt den Text aus dem Buch Exodus hören, das sogenannte Schilfmeerwunder?

Text vorlesen: 2. Mose 14,8–14.19–23.28–30a;15,20f.

Diesem massenhaften Sterben gehen schon zehn heftige Plagen mit Not und Elend voraus. Eigentlich hatte der Pharao klein beigegeben und gibt Israel frei. Doch dann verstockt Gott sein Herz und die Borniertheit eines Anführers bringt erneut Tod über seine Untergebenen. Und dann, als die Ägypter schon kapitulieren und fliehen wollen, lässt Mose sie nicht entkommen, sondern schickt auf Gottes Geheiß das Meer zurück mit den bekannten Folgen. Für die ägyptischen Soldaten dieser Erzählung ist das jedenfalls kein fröhliches Osterfest.

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!

Ob dem nicht alles widerstrebt,

was täglich unsre Welt bedroht:

der Bosheit Trug, Gewalt und Not?

Für Israel ist diese Wundergeschichte um einen historischen Kern identitätsstiftend. Sie werden aus scheinbar aussichtsloser Lage gerettet. Das wird so sehr als Wunder erlebt, dass die Geschichte immer weiter ausgeschmückt wird. Historisch dürfte es keineswegs stimmen, dass der Pharao oder große Teile seines Heeres an der Verfolgung der Israeliten beteiligt waren oder gar zu Tode kamen. Für Israel ist das auch nicht entscheidend, sondern die Rettung in eine aus Sicht der Protagonisten ungewisse Zukunft. Die damit verbundenen menschlichen Zweifel durchziehen die Ereignisse Schilfmeer und die folgenden Jahrzehnte. „Hätten wir nicht in Ägypten sterben können?“, „Warum hast Du uns das angetan, dass Du uns wegführen mußtest?“, „Haben wir Dir nicht schon in Ägypten gesagt, dass Du uns in Ruhe lassen sollst, wir wollen den Ägyptern dienen?“; später dann der sehnsüchtige Blick zurück auf die vermeintlichen Fleischtöpfe Ägyptens. Ein einziges Gemaule und Genöle. Es überrascht mich immer wieder, wie wenig sich die Menschen in den letzten dreitausend Jahren verändert haben. Schnell lassen sie sich begeistern, schnell sehnen sie sich nach der „guten alten Zeit“ zurück, in der alles seine Ordnung hatte, glänzte und überhaupt viel besser war. Dabei wird Realität vereinfacht und verbogen. Vergessen sind die Qualen und Mühen, die überhaupt den Wunsch Ägypten zu verlassen, hervorgebracht haben.

Doch nun ist Israel erst mal gerettet. Erleichterung. Ein unglaubliches Glücksgefühl. Es wird gesungen und getanzt; man spürt: Leben. Wie neugeboren!

Vielleicht ist das ein Gefühl, dass sich mit Ostern vergleichen lässt: alles schien am Ende und nun ist doch alles neu. Die Kraft, die Menschen haben, wenn sie eine schwere Krankheit überstehen. Der Rausch unserer Seele, nach dem Bestehen einer wirklich schwierigen Prüfung.

Ist das der Kern der Osterbotschaft? Ein vergänglicher Glücksrausch? Wir sollten es besser wissen: wir kennen das Klagen in der Ebene. Damals die Israeliten, der Katzenjammer nach der Wiedervereinigung Anfang der 90er Jahre; die zermürbenden Einschnitte in unseren Alltag seit über einem Jahr. Das Jubellied der Mirjam ist vorbei, kaum dass der letzte Ton verklungen ist und der Alltag mit seinen Mühen, Sorgen, Ängsten und Ablenkungen bedeckt alles mit schwerem Staub.

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!

Herr, hilf, daß sich mein Herz erhebt

aus Kummer, Zweifel, Angst und Leid!

Mach es für deinen Trost bereit!

Herr, steh mir bei!

Die Erzählung von der Rettung Israels am Schilfmeer ist aber nicht nur eine Gewaltorgie gegen die ägyptischen Soldaten, nicht nur das erleichterte Ausatmen geängstigter Seelen. Es ist auch die Geschichte von Gottvertrauen entgegen aller Erfahrungen. Es ist absehbar gewesen und wird es immer sein, dass Aufbrüche in neue Zeiten, das Streben nach Idealen und gerechteren Verhältnissen auch mit Rückschlägen verbunden sein werden. Es wird immer Menschen geben, die mutlos werden und sich in die vergoldete Vergangenheit flüchten wollen und das für einen Weg in die Zukunft halten. Unsere Geschichte streitet das nicht ab; sie berichtet, dass trotz dieser Widrigkeiten, Menschen Gott vertrauen und seiner Botschaft ins neue Leben folgen. Sie brechen wieder auf, unzählige Schritte,  die die Welt verändern; weg vom Tod hin zu Hoffnung und Leben.

Unser Ostern 2021 ist wie das Innehalten am rettenden Ufer des Meeres. Wir dürfen das Leben feiern, aber wie auch Israel steht uns ein weiterer Weg bevor. Es ist nicht alles gut, wir müssen durch die Wüste wandern. Wir könnten zagen und zaudern. Wir können aber auch darauf vertrauen, dass Gott uns durch diese zermürbende Wüstenwanderung geleitet, Hoffnung gibt und zum Leben führt. Das ist Ostern!

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!

Ihr Boten, die ihr Hoffnung gebt,

führt mich zum Auferstandnen hin,

daß ich bei ihm geborgen bin!

Herr, steh mir bei!

Der Friede Gottes, der größer ist, als unsere menschlichen Vorstellungskraft, bewahre unsere Herzen und Sinne im auferstandenen Christus! Amen

Pfr. Th.-M. Robscheit; Apolda, EKM; thm@robscheit.de

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