Ostersonntag

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Ostersonntag

Göttinger
Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Sonntag: Ostersonntag
Datum: 12.4.1998
Verfasser: Bischof Dr.
Wilhelm Sievers, Oldenburg


 

Liebe Gemeinde!

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“
In diesen knappen Worten ist die Osterbotschaft zusammengefaßt.
Sie ist der Grund für die Freiheit und Zuversicht, die der
christliche Glaube den Menschen gibt. Von diesem Ereignis ist eine
Bewegung ausgegangen, die in 2000 Jahren ein Drittel der Erdbevölkerung
erreicht hat. Ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der
Menschheit. Jeder denkende Mensch ist allein durch diese
Wirkungsgeschichte des Osterglaubens angesprochen, dem Wahrheitsgehalt
nachzuspüren.

Aber! Es gibt wohl kaum etwas im Leben der Menschen, zu dem der
Mensch nicht sein Aber hat. So ist es auch der Osterbotschaft von
ihren Anfängen an bis heute ergangen. Menschen hören wohl
diese Botschaft, aber sie haben ihre Bedenken, Zweifel, ja Ablehnung.
Nicht wenige sagen mit Goethe, „die Botschaft hör´ ich
wohl, allein mir fehlt der Glaube!“

Glauben kann man weder verordnen noch erzwingen. Er muß von
innen heraus wachsen durch Erfahrung und Überzeugung. So soll es
darum gehen, Zugänge zu dieser Botschaft zu erschließen.
Als Erstes ist nüchtern festzustellen, daß uns in der
Auferweckung Christi von den Toten ein Mysterium begegnet. Ein
Geheimnis, das sich unserem landläufigen Denken nicht erschließt,
weil wir damit nur in den uns bekannten Vorstellungen bleiben. Im
Mysterium begegnet uns eine Lebenswirklichkeit, die uns in neue Räume
führt. Nur wer eine Offenheit des Fragens und Denkens mitbringt,
wird die Chance haben, einen Zugang zu finden.

Als Zweites ist zu bedenken, daß die Auferweckung Christi mit
dem Kreuzestod Jesu nicht nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang
steht. Es heißt in der Heiligen Schrift: „Christus ist
gestorben und am dritten Tage von den Toten auferstanden“. Es
besteht auch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Tod und
Auferstehung. Leiden und Tod führen uns zu Grenzerfahrungen des
Lebens. Solche Grenzerfahrungen haben eine besondere Offenheit für
Gotteserfahrungen. Das ist nicht zwingend, aber es gibt viele
Menschen, die das mit ihrem Leben bezeugen können.

Wir müssen uns auf die besonderen Wege des Lebens einlassen.
Das heißt konkret auch auf den Weg des Leidens. Wenn wir an das
Leiden im Leben denken, dann erscheint es uns als lebenszerstörend,
als etwas Unheilvolles, das uns die Freude am Leben nimmt und unsere
Lebenspläne zerstört. Aber keiner von uns kann dem Leiden
ausweichen. Es gehört zum Leben dazu und erreicht einen jeden früher
oder später. So muß es darum gehen, daß wir auch ein
Interesse für das Leben von Menschen entwickeln, die durch Leiden
hindurchgegangen sind, um so auch selbst für solche
Lebenssituation vorbereitet zu sein.

Wo Menschen Leiden aufgebürdet werden verzehren die einen sich
darin, daß sie gegen das Schicksal aufbegehren, es nicht
wahrhaben wollen und nicht selten in Verbitterung und Resignation
verfallen. Die andere Möglichkeit aber liegt darin, das Leiden
anzunehmen als das mir zugeteilte Schicksal, mit dem ich umgehen muß.
Aus einer solchen Einstellung erwächst dann aber eine neue und
veränderte Sicht des Lebens. Das Leben gewinnt eine andere
Perspektive und er-schhließt eine neue Dimension des Lebens.

Das kann man freilich weder beweisen noch erzwingen, aber man kann
es an Menschen beobachten und ihren Zeugnissen entnehmen. Ich verweise
nur darauf, daß mir nicht wenige Menschen begegnet sind, die vom
Schicksal hart geprüft worden sind und gerade sie strahlten eine
Zufriedenheit, Gelassenheit und Dankbarkeit aus, die mich als junger
Mensch geradezu beschämt hat. Oder ich habe andere Menschen sagen
hören, die eine schwere Krankheit überstanden haben, ich
sehe das Leben jetzt mit anderen Augen. Kurzum, wo Menschen Leiden als
Ihr Schicksal angenommen haben und sich den Herausforderungen gestellt
haben, da hat sich ihnen eine neue Lebensperspektive erschlossen.
Solche Erfahrungen hat bereits der Verfasser des Hebräerbriefes
zusammengefaßt in die Worte, „jede Züchtigung aber,
wenn sie da ist, scheint uns nicht Freude, sondern Leid zu sein;
danach aber bringt sie als Frucht denen, die dadurch geübt sind,
Frieden und Gerechtigkeit “ (Hebr.12,11). Hier sind ganz deutlich
die Zusammenhänge von erfahrenem Leid und neuer Lebensperspektive
aufgezeigt. Allerdings so, daß es keine automatische Folge ist
durch Leiden neues Leben zu erfahren, sondern es sind Erfahrungen für
diejenigen, die durch Leiden geübt sind. Und das ist sicher eine
der schwersten Übungen im menschlichen Leben. Aber die
Erfahrungen anderer wollen mir Mut machen, wenn ich in das Tal der
Leiden geführt werde, mich ihrer zu erinnern, um so auch meinen
Weg anzunehmen.

Wir haben also hier im Bereich unserer eigenen möglichen
Lebenserfahrung die paradoxe Situation, daß Leiden als scheinbar
lebenszerstörende Kraft gerade das Tor zu einem neuen Leben öffnet.
Damit sollte uns eine Brücke gegeben werden, um auch zumindest
annäherungsweise den Zugang zu dem Paradox von Tod und
Auferstehung zu finden.

Während das Leiden und die Erfahrung neuen Lebens sich auf der
Ebene unseres zeitlichen gegenwärtigen Lebens abspielt, überschreitet
das Geschehen von Tod und Auferstehung diese Ebene.

In der Auferstehung wird eine neue Dimension des Lebens erschlossen,
die aber annäherungsweise sich dem Menschen erschließen
kann, der durch Leiden hindurgegangen ist. Diese Erfahrung ist kaum in
Worte zu fassen. Es erfüllt den Menschen eine Ahnung , ja mehr
noch als eine bloße Ahnung, sondern ein Gespür für ein
geistiges Umfeld, das der Beter des Psalms in die Worte gefaßt
hat, „du stellst meine Füße auf einen weiten Raum“.
Hier wird etwas unmittelbar erfahrbar von dem Geist Gottes, der einen
inneren Frieden und eine Weite des Denkens erschließt, die den
Menschen zu einer Ruhe und Versöhnung mit seinem Leben und mit
Gott finden läßt bis in das Sterben hinein.

Damit ist aber ein Zusammenhang erschlossen, in dem das Wort „Christus
hat demTode die Macht genommen“ uns ansprechen kann. Sicher
werden wir sterben. Aber in dem Sterben liegt die Macht des Todes. Das
Sterben erscheint als das endgültige Ende des Leben und so
erscheint alles Mühen des Menschen umsonst zu sein, denn am Ende
sind wir tot.

In der Begegnung mit Christus haben die Jünger mit ihm Leiden
und Kreuz durchlitten bis hin zur Aufgabe jeder Hoffnung wie es in den
Worten der Jünger anklingt, wenn sie sagen, „wir hielten ihn
für den, der Israel erlösen würde und nun ist er tot“.
Dennoch haben sie nicht aufgegeben. Sie ließen von Gott nicht
los. Sie lasen in den Schriften des Alten Testaments und erzählten
sich die Geschichten, die sie mit Jesu erlebt hatten. Sie rangen
angesichts des Kreuzestodes Jesu mit Gott ähnlich wie Jakob mit
Gott gerungen hat nach den Worten, „ich lasse dich nicht, du
segnest mich denn“. Dieses Ringen gehört zum Glauben dazu.
So ist den Jüngern der Durchbruch zur Wirklichkeit Gottes
geschenkt worden, der sich niederschlug in dem Bekenntnis: „Christus
ist auferstanden“.

Es ist ein Bekenntnis, das nicht einfach nur in Worten besteht. In
diesem Bekenntnis spiegelt sich die Wirklichkeit Gottes wider. Darum
konnte es seine weltgeschichtliche Bedeutung entfalten. Wären es
nur bloße Worte oder Einbildungen von einigen einfachen Leuten
aus Galiläa gewesen, dann wäre das ganze wie ein Spuk längst
im Strudel der Geschichte untergegangen.

Darum haben wir guten Grund, uns auf diese Botschaft einzulassen.
Sie eröffnet uns eine neue Lebensperspektive, daß wir auch über
unser Sterben das sagen können, was in einer alten Brückeninschrift
steht, „alles ist nur Übergang“. In solchem Wissen
angesichts des eigenen Sterbens aber verliert der Tod seine Macht.
Denn so ist mit dem Sterben nicht alles aus und vergeblich. Es ist ein
Übergang in neue Räume. Wir kennen diese Räume nicht.
Aber in Christus und durch ihn werden wir in Gottes geistiges Umfeld
hineingenommen, daß unserem Herzen Trost und Zuversicht auch
angesichts unseres letzten Weges schenkt.

Im Kern geht es bei der Osterbotschaft um Gott und unsere
Gemeinschaft mit ihm in der Kraft seines Geistes. Suchen wir Gott, wo
er für uns zu finden ist: in seinem Wort der Heiligen Schrift, in
Christus und der Gemeinschaft mit ihm im Gottesdienst, Gebet und Feier
des Heiligen Mahles. Dann kann auch in uns der Glaube wachsen, der
bekennt: „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig
auferstanden!“ Amen – so ist es!

 

Bischof Dr. Wilhelm Sievers, Oldenburg

 

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