Predigt zu 1.Kor 14,1-3 u. 22-25

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Predigt zu 1.Kor 14,1-3 u. 22-25

„…aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“ | Predigt zu 1.Kor 14,1-3 u. 22-25 | 2. Sonntag n.Tr. 13.6.2021 verfasst von Suse Günther |  

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet! Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse. Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.

Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen. Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? Wenn aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen überführt und von allen gerichtet; was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.

 

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

 

Liebe Gemeinde!

Das Schlagwort „Mobbing“ ist in aller Munde. Was aktuell in aller Munde ist, wird ja oft in der amerikanischen Sprache ausgedrückt. Der Begriff „Mobbing“ ist aktuell, die Sache aber ist alt. Früher haben wir dafür das Wort „Intrige“ gebraucht. Gezielt und verborgen einem oder einer anderen schaden. Das gab es leider immer. Was allerdings in der Gegenwart zum Glück neu ist, ist eben die Tatsache, dass man dieser Intrige viel Aufmerksamkeit schenkt und sehr genau untersucht, warum es dazu kommt und wer die Drahtzieher sind.

Und da hat man etwas Wichtiges herausgefunden: Mobbing trifft in erster Linie die Guten. Die Tüchtigen. Denen man sich vielleicht unterlegen fühlt, auf die man neidisch ist, gegen die man sich wehren möchte, sich dazu aber nicht in der Lage fühlt.

Die Sache ist wie gesagt alt. So alt, dass schon in der Urgemeinde die Menschen sicherlich nicht dagegen gefeit waren. Schon Jesu Jünger versuchten, sich den besten Platz zu sichern (Mk 10,35 ff)

Und Paulus sieht es als nötig an, seine Gemeinde in Korinth nur kurz vor unserem heutigen Predigttext daran zu erinnern (1. Kor 12, 4f): Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist, es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr.

Paulus sagt deutlich: Ihr seid verschieden, Ihr habt verschiedene Gaben. Was uns eint ist unser Glaube an den gemeinsamen Herrn Jesus. Was uns verbindet, ist sein Geist. Alle Eure Gaben sind wichtig, wir können den Glauben in der Welt nur gemeinsam leben.

Ich schließe daraus, dass Paulus das so deutlich betont, dass es eben nötig war. Im zwölften Kapitel seines Korintherbriefes zieht er niemanden zur Rechenschaft, sondern betont, wie wichtig es ist, als Christen zusammenzuhalten in der Welt und die gegenseitigen Gaben zu schätzen. Im heutigen Predigttext, dem vierzehnten Kapitel, wird er da schon deutlicher. Es geht ihm vor allem um eine Gruppierung innerhalb der Gemeinde, die sich anscheinend in den Vordergrund stellen möchte. Und das mit Mitteln, die in der Mobbingforschung als eine Möglichkeit, andere auszuspielen, erkannt wurden: Mit Geheimnistuerei. Eine bestimmte Gruppe ist eingeweiht, eine andere wird ausgegrenzt, indem ihr Informationen vorenthalten werden.

Eingeweiht sind in unserem Predigttext die Zungenredner.

Sie wissen nicht, was das ist? Ich wusste es auch nicht, bis ich zum ersten Mal Gottesdienste charismatischer Gemeinden besucht habe. Also Gemeinden, die sich ganz besonders darüber identifizieren, vom Heiligen Geist bewegt zu sein.

Zu Beginn dieser Gottesdienste geraten Menschen, bewegt durch besondere Lieder und Gebete, in eine Art Trance. In den dichtgefüllten Kirchen beginnen sie, in fremden Sprachen – also Zungen, daher das Wort Zungenrede – zu reden. Oft sind diese Worte gar keiner bestimmten Sprache zuzuordnen, sondern völlig unerkennbar. Zum ersten Mal habe ich einem solchen Gottesdienst beigewohnt während meiner Ausbildung. Damals, 1989 in Basel, war es bewegend einen Gottesdienst mitzufeiern, in dem hunderte junge Menschen sich in den Bänken drängten, moderne Lieder sangen, einer mitreißenden Predigt zuhörten. So lebendig waren die herkömmlichen Gottesdienste, die ich kannte, nie gewesen. Nur eines hat mich eben verunsichert, diese Zungenrede, bei der die Leute, so meine Wahrnehmung, völlig die Kontrolle über sich zu verlieren drohten.

Erst anschließend habe ich in meiner Bibel nachgeforscht und entdeckt, dass genau diese Fähigkeit sehr wohl zu den allerersten benannten Gaben der jungen christlichen Gemeinden gehörte.

Offensichtlich hat aber bereits Paulus sich bemüht, diese Fähigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, damit kein Schindluder damit betrieben wurde. Denn, das war in seinen Augen die Gefahr dabei: Es kann ja niemand überprüfen, welche Worte die Gläubigen sprechen. Was sie für göttliche Anweisungen erhalten haben. Sie können hinterher viel erzählen. Sie können diese Trance auch vortäuschen. Und sich damit zu einer exklusiven Gruppe innerhalb der Gemeinde machen, nach dem Motto: „Wir wissen Bescheid und Ihr habt keine Ahnung“. Der nächste Schritt ist dann nicht weit. Vom „Ihr habt keine Ahnung“ bis zum „Ihr gehört nicht dazu“ trennen nur Millimeter.

Paulus betont deshalb im heutigen Predigttext, dass das alles schön und gut ist mit den verschiedenen Gaben. Dass sie aber nur wirken können, wenn ein liebevoller Umgang miteinander die Grundlage ist. „Strebt nach der Liebe“, so beginnt er den heutigen Abschnitt. Alles, was Ihr tut, das soll dazu dienen, den Menschen gut zu tun. Aufzubauen und zu trösten. Nicht auszugrenzen und zu verletzen.

„Die Zungenrede ist ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen“ – schreibt Paulus und erinnert mich damit an mich damals als junge Vikarin in der riesigen St. Alban Kirche in Basel: Ich war fremd in dieser Art des Glaubens, ich hatte meinen Weg als Pfarrerin noch nicht einmal begonnen, aber ich war beeindruckt. Ich erlebte es als Zeichen: So also kann Christentum sein. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte mir gesagt: „So ist das richtige Christentum“. Paulus aber betont etwas anderes: Das richtige Christentum gibt es so gar nicht. Es gibt viele Menschen, die zur Gemeinde gehören, die sich bemühen, die ihre Fähigkeiten einbringen. Erkennen soll man die christlichen Gemeinden daran, dass sie die Liebe unter sich wirken lassen.

Und deshalb benennt er im heutigen Predigttext eine Fähigkeit als ganz besonders wichtig: Die Fähigkeit der „prophetischen Rede“. Denn die prophetische Rede verschweigt nichts. Sie weist nicht zurück auf eine kleine und besondere Gruppe, sondern sie weist in die Zukunft. Sie erklärt. Sie legt das aus, was die Zungenredner in ihrer ganz eigenen Sprache von Gott gehört haben. Sie beschreibt Gottes Willen. Darüber kann man dann unterschiedlicher Meinung sein. Aber die Fakten liegen auf dem Tisch, man kann darüber gemeinsam sprechen.

Auf diese Weise ist prophetische Rede einladend. „ein Zeichen für die Gläubigen“ – so sagt Paulus. Also für die, die es wirklich verstehen und für die, die es verstehen wollen. Die darüber sprechen wollen, sich den Erfahrungen und Überlegungen des Glaubens gemeinsam aussetzen wollen.

Natürlich stehen auch die in Gefahr, sich als etwas Besonderes anzusehen. Nach dem Motto: „Wir haben verstanden, worum es geht, wir können es anderen erklären“. Deshalb stellt Paulus alle seinen Überlegungen voran die Aufforderung: „Strebt nach der Liebe“ – und wer seine Bibel aufschlägt (was übrigens eine Gabe ist, die wir fast alle haben, in der Bibel nachlesen), der wird feststellen, dass unmittelbar vor unserem heutigen Predigttext ein Vers steht, den wir alle kennen, den ganz viele Menschen als Geleitwort für ihre Partnerschaft ausgewählt haben: „es bleiben uns Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.“ (1.Kor 13, 13)

Wie kommt es dazu, dass Menschen sich gegenseitig bewusst schaden wollen? Es kommt dazu, weil sie sich aus irgendeinem Grund anderen unterlegen fühlen und dann mit sehr gezielten Mitteln die anderen klein machen wollen.

Es trifft also leider oft die Guten, die sich dann noch mehr bemühen. Und damit tatsächlich alles noch schlimmer machen, weil die anderen sich ja dann noch mehr wehren zu müssen meinen.

Paulus benennt für dieses Problem in meinen Augen die einzige Lösung: Er erinnert seine Leute daran, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Alle sind wichtig in der Gemeinde, denn alle haben ganz besondere Begabungen. Zungenrede und prophetische Rede, die Gabe zu heilen, zu predigen und Wunder zu tun (1. Kor 12) und vieles mehr.

Wir wissen das aus unseren heutigen Gemeinden auch. Manch einer kann besonders gut musizieren. Eine andere versteht viel von finanziellen Belangen. Wieder andere sind besonders kreativ und können Gruppen gut leiten, engagieren sich im Eine Welt Laden, organisieren den Kirchendienst oder punkten in den Presbyteriumssitzungen

mit Lösungen und harmonischem Auftreten.

Keine dieser Fähigkeiten ist besser oder schlechter als die anderen, alle aber sind wichtig, nur so können wir in der Welt als Christen bestehen. Viel nötiger als die Frage „Was kann der oder die denn da schon wieder besser als ich“ ist die Frage „was kann ich besonders gut“? Was kann ich einbringen? Und auch, was kann ich nicht so gut, was überlasse ich lieber anderen, wie gut, dass es diese anderen gibt.

Ja, Paulus hat recht. Die prophetische Rede ist dabei wichtig. Die Fähigkeit, unser Handeln zukunftsorientiert auszurichten. Aber ganz besonders wichtig ist etwas, wozu wir alle begabt sind: „Strebt nach der Liebe“. AMEN

 

de_DEDeutsch