Predigt zu Jesaja 40,1-8

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Predigt zu Jesaja 40,1-8

Was Gottes Wort tut | 2. Sonntag nach Trinitatis | 13.06.2021 | Predigt zu Jesaja 40,1-8 | verfasst von Rudolf Rengstorf |

Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat’s geredet. Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

(Jesaja 40,1-8)

Liebe Leserin, lieber Leser!!

Wir haben den Text mit den berühmten und gern vertonten Worten vor Augen „Tröstet, tröstet mein Volk“. Ich weiß nicht, ob Ihnen auffällt, wie sehr diese Sätze vom Rufen, Predigen, Sprechen bestimmt sind und das im ständigen Hin und Her zwischen Gott und Mensch. Das Sprechen, Rufen, Predigen verbindet die Sätze wie eine Band, und sie enden in der Feststellung: „Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“

Dass Gott spricht, sich den Menschen deutlich vernehmbar mitteilt, das war von Anfang an so, als er die Welt mit seinem Wort geschaffen hat. Denn mit der Schöpfung sagt Gott dem Menschen: Sieh, ich habe mit der Welt eine Stätte geschaffen, an der du gut aufgehoben und zu Hause und auf mich ausgerichtet bist. Und mit diesem Wort, das von Anfang an da war und auch an Ihrem und meinem Anfang da war, uns ins Leben gerufen hat, mit diesem Wort kommt Gott immer von neuem in die Welt und auf den Menschen zu. An sich ist es in den Strukturen dieser Welt von Anfang an ja schon da, bleibt aber meist ungehört. Denn es wird übertönt von dem, womit Menschen auf ihre Leistungen aufmerksam machen, womit sie sich in den Vordergrund tönen. Aber Gott lässt sich nicht zum Schweigen bringen. Er meldet sich, indem er Menschen dazu bringt, seine Botschaft weiterzugeben.

Doch woran merken wir, dass die Worte, die Menschen im Namen Gottes sprechen, auch wirklich von Gott kommen? Dass da mehr ist als Worte von Menschen, die sich nur hervortun und Leichtgläubige hinters Licht führen wollen? Was sagen wir denen, die uns entgegenhalten: Was da in der Kirche erzählt wird, ist doch immer nur dasselbe belanglose Gerede. Da passiert ja nichts. Schon gar nicht in Corona-Zeiten. Bei den Katholiken gibt’s wenigstens noch was zu sehen und zu erleben. Aber bei euch nichts als meist auch noch sehr abgehobenes Gerede.

Wenn das wahr wäre, würde niemand mehr zur Kirche kommen. Doch die Frage, ob es da wirklich um Gottes Wort in der Predigt geht, ist berechtigt. Woran erkennen wir, dass Gott sich in den Worten eines Menschen äußert? An den Sätzen aus Jesaja 40 wird deutlich, wie Gottes Wort kommt und was es tut. Denn ein Tu-Wort ist es immer.

Die Menschen, an die diese Worte zuerst gerichtet waren, saßen als verachtete Minderheit im Land ihrer Feinde. Vor mehr als zwei Generationen hatten die Babylonier ihre Vorfahren nach der Eroberung Jerusalems nach Babylonien verschleppt. Alle Hoffnungen darauf, dass ihr Gott sich bald für die Niederlage rächen und die Seinen im Triumphzug wieder nach Hause bringen würde, hatten sich zerschlagen. Für den Gott Israels hatte man hier nur ein mitleidiges Lächeln: Bleibt uns vom Leibe mit euren alten Geschichten, hieß es. Worauf es im Leben ankommt, das ist Fruchtbarkeit und Wohlstand, militärische Stärke und Überlegenheit. Das sind die Götter, denen wir dienen. Und wer da nicht mithalten will und kann, der hat im Leben verspielt, ist ein Looser und bleibt ein Looser. Viele Israeliten hatten sich schon von ihren Volksgenossen gelöst. Besonders Jüngere hatten es satt, sich von allem fernhalten zu müssen und das Leben an sich vorbeiziehen zu lassen. Sie hatten sich sozusagen richtig integrieren lassen. Die Zurückgebliebenen, am Sinn ihres Lebens und an einem Gott zweifelnd, von dem ja nichts zu spüren war, sie bekommen dies zu hören:

Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden.

Sünden und Schuld werden von Gott beim Namen genannt. Daran erkennt man sein Wort. Und dass Schuld sich rächt, das kommt aus seiner Hand. Aber – und das ist typisch für Gottes Wort – es legt die schuldig Gewordenen nicht fest auf das, was sie getan haben. Es befreit von dem, was andere ihnen immer von neuem vorhalten und nie vergessen werden. Gottes Wort schafft eine freundliche Atmosphäre, in der die am Boden Liegenden aufatmen, sich aufrichten und ihr Leben erhobenen Hauptes neu beginnen können. Das tut Gottes Wort bis heute – auch mit mir und mit Ihnen. Und das suchen wir in der Kirche.

Da aber will und kann es nicht bleiben. Gottes Wort verwirklicht sich draußen zum Beispiel in den Initiativen, die Strafentlassene freundlich aufnehmen und ihnen neue Startmöglichkeiten ins Leben verschaffen. Gottes Wort verwirklicht sich, wo menschlicher Häme und Selbstgerechtigkeit Grenzen gesetzt werden. Wie übel ergeht es etwa Politikern, die bei Lug und Trug ertappt wurden und dann tief gefallen sind. Wo immer ihr Name auftaucht, ist auch die Empörung über ihr Versagen sofort wieder da. Was für ein Segen, wenn da jemand sagt: Schluss jetzt. Der Mann, die Frau hat dafür bezahlt und hat nun ein Recht darauf, unbescholten weiterzuleben und neu durchzustarten. Auch wenn da von Gott gar nicht die Rede ist, so kommt sein Wort hier doch zur Geltung.

Und weiter:

Es ruft eine Stimme:

In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen. Denn des Herrn Mund hat’s geredet.

Gottes Wort bahnt seiner Herrlichkeit einen Weg in der Wüste. Dazu muss man eine Vorstellung von den Gottesbahnen haben, die den Israeliten in Babylonien vor Augen standen: Auf breiten Prozessionsstraßen wurden zu den großen Festen haushohe Gottesbilder und -statuen durch die Stadt getragen, geschoben oder gezogen. In ihnen spiegelte sich wider, womit die Herren im Lande sich brüsten konnten: Vitalität und Erfolg. Eindrucksvolle Werbefeldzüge einer Großmacht, von denen die Massen sich begeistern und mitreißen ließen. Bilder, die uns aus der Zeit des Dritten Reiches ja bekannt sind. Wer nicht mitlief mit diesen Göttern, blieb zurück in einem Leben, das sich in Niederlagen, in Armut, in Existenzängsten erschöpfte.

Gottes Wort gibt sich nun daran zu erkennen, dass es freimacht von der Faszination todbringender Macht. Stattdessen eröffnet es die Aussicht auf Leben in der Wüste. Es richtet sich aus auf den, der nicht gezogen werden muss, sondern der den Wüstenleuten entgegenkommt und sie anstiftet, dem mit ihm kommenden Heil und Leben Bahn zu brechen. Den Israeliten war es damals tatsächlich vergönnt, auf dem Weg durch die Wüste nach Hause zu kommen und damit ans Licht zu bringen, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist.

Und uns heute ist es möglich und aufgegeben, in die Wüsten zu gehen, die sich hinter den himmelstürmenden glänzenden Fassaden unserer Konsumwelt auftun: dahin zu gehen, wo Menschen bei uns nicht mehr mitkommen und ausgebrannt aufgeben. Dahin, wo um jedes einzelne Leben – und sei es auch noch so kläglich – gekämpft wird. Da wird deutlich: Der lebendige Gott ist im Kommen in einer Vielzahl von Initiativen, die sich dem Leben verschrieben haben. In ihnen – und nicht in dem, was viel Lärm macht – kündigt sich an, was unserer Welt allein Zukunft und Heil bringen wird.

Und schließlich

Es spricht eine Stimme: Predige! Und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Feld. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorr, die Blume verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Gottes Wort lässt Raum für die Klage darüber, dass alles im Tode endet und wir nichts an uns haben, was wir dem Tod entgegensetzen könnten. Und dennoch steht menschliches Leben unter dem Gebot „Predige!“ Nicht um Klage zuzudecken und einen Trost zu spenden, für den niemand einstehen kann. Aber predige, nimm auf und gib weiter: Gottes Wort, das dich ins Leben gerufen hat, verstummt nicht mit deinem Tod. Er bleibt bei seinem Wort, das sagt: Du bist mein in Ewigkeit. Amen.

 

 

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