Predigt zu 2. Korinther 1,3-7

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Predigt zu 2. Korinther 1,3-7

Geteiltes Leid ist halbes Leid – geteilter Trost ist doppelter Trost | 4. Sonntag der Passionszeit | Laetare | 27.03.2022 | Predigt zu 2. Korinther 1,3-7 | verfasst von Barbara Pfister |

3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes.

4 Er tröstet uns in all unserer Bedrängnis, so dass auch wir andere in all ihrer Bedrängnis zu trösten vermögen mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.

5 Denn wie wir überschüttet werden mit dem Leiden Christi, so werden wir durch Christus auch überschüttet mit Trost.

6 Werden wir aber bedrängt, so geschieht es zu eurem Trost und eurer Rettung; werden wir getröstet, so geschieht auch das zu eurem Trost, der wirksam wird, wenn ihr geduldig dieselben Leiden ertragt, die auch wir ertragen.

7 Und unsere Hoffnung für euch ist unerschütterlich, weil wir wissen, dass ihr in gleicher Weise wie an den Leiden so auch am Trost teilhabt. (2. Korinther 1,3-7; ZB)

Zum Verzweifeln

«Eine Weltlage zum Verzweifeln», so betitelte der Deutschlandfunk letzte Woche einen Beitrag zur Krisenberichtserstattung. Nicht erst nachdem die Corona-Verzweiflung durch die verzweifelte Lage der Ukraine abgelöst wurde, nimmt die Angst zu. Bereits dem Apostel Paulus erging es so, als er zusammen mit seinem Mitarbeiter Timotheus in der Provinz Asia unter Druck kam:

«Wir wollen euch nämlich, liebe Brüder und Schwestern, nicht in Unkenntnis lassen über die Bedrängnis, die in der Asia über uns gekommen ist: So schwer und unsere Kräfte weit übersteigend ist die Last, die uns auferlegt wurde, dass wir sogar am Leben verzweifelten.» (2Kor 1,8)

Druck, der über die Kräfte hinausgeht und selbst den grossen Apostel Paulus am Leben verzweifeln lässt. Am Ende des 2. Korintherbriefes (11,23-33) listet Paulus einige seiner Bedrängnisse auf: Gefängnis, Schläge, überlebte Steinigung, Schiffbruch, Todesangst, Überschwemmungen, ausgeraubt werden, Verfolgung, Verleumdung, Verrat, Schlaflosigkeit, Hunger, Durst, Kälte, Erwartungen von andern und Sorgen für andere.

Vieles davon ist uns völlig unbekannt. Doch einige dieser Bedrängnisse kennen wir sehr wohl auch aus unserem Leben. Einige kennen die Zusage von Jesus: «In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.» (Joh 16,33b LUT). Hier wird genau dasselbe Wort verwendet, das uns im Korintherbrief so gehäuft begegnet: «In der Welt habt ihr Bedrängnis».

Das Niederdrückende, dem wir tagtäglich ausgeliefert sind, hat eine äusserliche wie eine innerliche Seite. Denken wir nur an den Begriff Depression, der beschreibt, dass das niedergedrückt werden nun seinen Tiefpunkt erreicht hat. Wir sprechen von Wirtschaftsdepression als Gegenstück zur Hochkonjunktur und von Depression als Leere, Freudlosigkeit und Dunkelheit in unserem Innern.

Verständlicherweise hängen äussere und innere Bedrängnis oft zusammen.

So hat mir vor wenigen Tagen bei einem Geburtstagsbesuch einer 95 jährige Frau erzählt, wie der Krieg in der Ukraine sie belastet. Dieser Konflikt, der sich mehr als 1000km östliche von uns entfernt ereignet, bedrängt ihr Inneres, weil er ganz viele Bilder und Gefühle wachruft, welche diese Frau an ihr eigenes Erleben im 2. Weltkrieg erinnert. Das auseinandergerissen werden von Familien: der eine an die Front, die andern flüchten ins Ausland, weckt Erinnerungen an den Trennungsschmerz durch Entzweiung und Tod innerhalb der eigenen Familie. Da wird die äussere Bedrängnis zur Inneren Angst und das Leid der Fremden lässt einem selbst verzweifeln.

Die 95 jährige Frau verabschiedet mich mit den Worten: «Danke, dass sie zugehört haben und ich das teilen durfte. Das tat gut.» – Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Bedrängnis und Leiden

Ich lese zur Zeit ein Buch über das Leiden: «Sterne leuchten nachts» – Gott im Leiden lieben lernen.1 Bereits auf den ersten Seiten zerstört der Autor mein Drang, solche oben genannten Bedrängnisse verstehen und einordnen zu wollen. Er gibt den Tipp, Gott nicht immer verstehen zu wollen, sondern

lernen ihn in solchem Leid zu erkennen.2 Gott verstehen, ihn durchschauen und Gott erkennen ist nicht dasselbe – jedenfalls nicht im Sprachgebrauch der Bibel. Gott erkennen heisst, ihm nahekommen, uns ihm hingeben und uns ihm anvertrauen3 – mitten im Leid, da wo wir ihn nicht verstehen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Apostel Paulus. Für ihn gibt es zwar einen gewissen Vorteil, weil er mindestens zum Teil seine Bedrängnis nachvollziehbar erklären kann. Handelt es sich doch grösstenteils um «Leiden um Christi willen», wie es uns Vers 5a sagt: «Wir werden überschüttet mit dem Leiden Christi».

Nirgends hat Jesus Christus denen, die ihm nachfolgen versprochen, dass er Leid von ihnen fernhalten wird. Viel mehr fordert er seine Jünger und Jüngerinnen auf, ebenfalls «das Kreuz auf sich zu nehmen» (Vgl. Mt 16,24ff). Paulus erlebt täglich, dass Jesus nachfolgen heisst, auch seinen Leidensweg mitzugehen. Somit passen seine Worte aus dem 4. Kapitel des 2. Korintherbriefes ausgezeichnet in die Passionszeit, in der wir stehen:

«Von allen Seiten dringen Schwierigkeiten auf uns ein. […] Oft wissen wir nicht mehr weiter. […] Auf Schritt und Tritt erfahren wir am eigenen Leib, was es heisst, am Sterben Jesu teilzuhaben. … Mitten im Leben sind wir um Jesu willen ständig dem Tod ausgeliefert. […] Doch wir vertrauen auf Gott, und deshalb lassen wir uns nicht davon abhalten, zu reden und das Evangelium zu verkünden.»

(4,8-13 NGÜ – gekürzt)

Geteiltes Leid ist halbes Leid! Doch Paulus teilt mit der Gemeinde in Korinth nicht nur seine Bedrängnis und sein Leiden um Christi willen, sondern auch sein Trost, inmitten des Leidens. Paulus will sich nicht selbst aus der Bedrängnis retten, sondern in seiner Verzweiflung von Gott getröstet werden.

Gott des Trostes

«Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes». (2Kor 1,3)

Bei Erbarmen und Trost geht es nicht nur um eine lindernde Wirkung auf unser Gemüt. Die beiden Eigenschaften Gottes sind in der Bibel immer tatkräftig.

Seine Barmherzigkeit lässt den Vater im Gleichnis vom «verlorenen Sohn» seinem Sohn entgegeneilen, ihn in die Arme schliessen und ihm eine neue Lebensweise eröffnen. (Vgl. Lk 15,20ff) Sein erbarmungsvolles Mitleid gegenüber den Menschen, die wie Schafe ohne Hirten umherirren, bewirkt, dass es Jesus die Eingeweide umdreht. (Vgl. Mt 9,36) So sehr berührt ihn die Not seiner geliebten Menschen, dass er bereit ist alles einzusetzen für ihre Rettung, selbst sein Leben. (Vgl. Joh 10,11)

Und Gott, der sein Volk wie eine Mutter tröstet, wie wir es in der Lesung gehört haben (Vgl. Verse aus dem Trostbuch des Jesaja Kp. 40-66), hat dessen Geschick gewendet, es aus der Gefangenschaft befreit und aus dem Elend in eine neue Freiheit und ein neues Leben geführt. Erbarmen und Trost sind also weit mehr als Worte. Gott als Vater des Erbarmens kümmert sich inmitten des Leides tatkräftig um seine Kinder. Und Gott, der wie eine Mutter tröstet, wischt die Tränen des leidenden Kindes ab (Vgl. Offb 21,4), hebt es auf ihren Schoss und trägt es (Vgl. Jes 66,12+13).

So hat es Paulus erlebt: Gott neigt sich mir zu, greift rettend ein und hilft. Ich leide nicht nur mit Christus, sondern er ist mitten in meiner Bedrängnis mein Retter, Helfer und Erlöser. Und wie erleben wir diesen Trost konkret? So, dass geteilter Trost, doppelter Trost wird?

mitleiden, mitgetröstet werden, mitauferstehen

«Denn wie wir überschüttet werden mit dem Leiden Christi, so werden wir durch Christus auch überschüttet mit Trost.» (2Kor 1,5)

Geteiltes Leid mit Christus ist halbes Leid. Inmitten von Bedrängnis, Not, Leid und Verzweiflung erkennen wir, dass wir mit Christus verbunden sind. Dass wir somit nie allein rufen müssen: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.» (Ps 22,2; Mt 27,46)

Unser Schrei ist immer nur ein Echo von dem, der dies bereits vor uns geschrien und durchlitten hat, als er verachtet, blutig geschlagen und durchbohrt wurde; als er unsere Krankheit und unsere Schmerzen ertrug, sich bestrafen liess, um zu erwirken, dass wir Frieden mit Gott haben und durch seine Wunden geheilt werden können. (Vgl. Jes 53,3-5)

Die Passionszeit hört nicht mit Karfreitag auf, sondern mit Ostern. Und der heutige Sonntag, Laetare – «Freut euch» – steht für diese Osterhoffnung, mitten in der Leidenszeit. Darum sagt Paulus nicht nur:

«Denn wie wir überschüttet werden mit dem Leiden Christi», sondern auch: «so werden wir durch Christus auch überschüttet mit Trost.» (2Kor 1,5) Und dies doppeln auch die Verse aus dem 4. Kapitel nach, deren zweite Hälfte ich euch vorher unterschlagen habe:

«Auf Schritt und Tritt erfahren wir am eigenen Leib, was es heißt, am Sterben Jesu teilzuhaben. Aber gerade auf diese Weise soll auch sichtbar werden, dass wir schon jetzt, in unserem irdischen Dasein, am Leben des auferstandenen Jesus teilhaben. […] Denn wir wissen: Der, der Jesus, den Herrn, von den Toten auferweckt hat, wird auch uns zusammen mit Jesus auferwecken.» (2Kor 4,10+14)

Gottes Trost bewirkt in uns Hoffnung – auf Auferweckung zu einem neuen Leben. Dieses neue Leben hat für Christen bereits begonnen. Ist doch unsere Taufe ebenfalls ein Bild für unser Sterben mit Christus. Am Anfang unseres Glaubensweges sind wir bereits zum ersten Mal mit Jesus auferweckt worden und nun gilt: «Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Und solange ich noch dieses irdische Leben habe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sich selbst für mich hingegeben hat.» (Gal 2,20)

Christus lebt in mir durch den heiligen Geist. Wisst ihr, wie Jesus den Heiligen Geist genannt hat? Tröster, Beistand, Ermutiger und Ermahner – einer der gerufen wir um einem andern helfend zur Seite zu stehen (Vgl. Joh 14,26). Es ist genau dasselbe Wort, das im Korintherbrief den Gott des Trostes beschreibt.

«Wir werden durch Christus auch überschüttet mit Trost.» (2Kor 1,5b) Wir leben – mitten in Bedrängnis – und in uns lebt der Tröster und Beistand. Wir haben den Gott des Trostes immer mit dabei, ganz nah, untrennbar mit uns verbunden. Darum ist von Gott erfahrener Trost, doppelter Trost.

Getröstet um zu trösten

Und noch mehr:

«Er tröstet uns in all unserer Bedrängnis, so dass auch wir andere in all ihrer Bedrängnis zu trösten vermögen mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. […] Werden wir aber bedrängt, so geschieht es zu eurem Trost und eurer Rettung; werden wir getröstet, so geschieht auch das zu eurem Trost, der wirksam wird, wenn ihr geduldig dieselben Leiden ertragt, die auch wir ertragen. Und unsere Hoffnung für euch ist unerschütterlich, weil wir wissen, dass ihr in gleicher Weise wie an den Leiden so auch am Trost teilhabt.» (2Kor 1,4+6-7)

Den Trost, den Paulus erlebt hat, kann er nun den Korinthern weitergeben. Geteilter Trost ist doppelter Trost. Denn glaubhaft und hilfreich andere trösten kann nur, wer selbst in durchlebter und durchlittener Bedrängnis Gott als Trost erfahren hat.

Andere trösten heisst nicht, ihnen eine Erklärung für ihr Leid geben oder billigen Trost zusprechen mit gut gemeinten Worten, die aber nichts helfen wie z.B. «Kopf hoch, das wird schon wieder.» Auch müssen wir nicht unbedingt unsere eigene Leid- und Trosterfahrung dem andern erzählen und seine Situation mit unserer vergleichen. Jemandem beistehen und ihn trösten kann auch heissen aushalten, einfach da sein, gemeinsam schweigen, praktisch helfen oder dem Gegenüber anbieten an seiner Stelle zu glauben, zu hoffen und sich an den Verheissungsworten der Bibel festzuhalten, wenn er oder sie es selbst nicht mehr kann.

Vielleicht passiert es dann ganz unerwartet, dass wir miterleben, wie andere an unserem Trost teilhaben, indem Bedrängte auf einmal erkennen: Gott ist selbst jetzt in mir am Werk. Er bewirkt etwas. Nicht dank dem Leid, das ich erfahre, sondern trotz dem Leid.4 Mitten im Schweren kann Dankbarkeit wachsen. Inmitten von Kampf und Verzweiflung sehe ich Hinweise darauf, wie Gott die

Dinge voraussehend lenkt. 5 Auf einmal werden andere Ziele wichtig, als diejenigen für die es sich bis anhing zu Leben lohnte.6 Was mich zerstören wollte hat mich veredelt und aus Mist ist Dünger geworden, der meinen Charakter wachsen lässt, so, dass aus Fluch Segen wird.7

Wie schön, wenn Gott uns als Getröstete brauchen kann, um andere zu trösten. Ich möchte schliessen mit der Kurzgeschichte einer Frau, die das erlebt hat:

Ein Strauss aus Leid und Trost Erfahrungen

«In einem Dorf wohnte ein grosses Glück. Ein Mann und eine Frau bekamen ein Mädchen, das der Sonnenschein aller wurde. Eines Tages wurde das Kind vor den Augen der Eltern auf der Strasse überfahren. Das ganze Dorf nahm Anteil an der Trauer der Eltern. Auch nach über einem Jahr war die Mutter über den Verlust ihres Kindes untröstlich. Sie konnte keine Kinder mehr spielen sehen ohne bitteren Gedanken. Langsam wuchs in ihr Hass und Zorn, Neid und Eifersucht auf alles Lebendige und Gesunde. In ihren Gedanken lebten alle Menschen glücklich und zufrieden. Nur sie war geschlagen und voller Leid. In ihrer Not ging sie zum Pfarrer. Der bat sie, durch das Dorf zu gehen und sich aus jedem Haus, in dem kein Leid wohnt, eine Blume zu erbitten. Mit dem Strauss sollte sie dann nach einer Woche wieder kommen. Die Frau ging durch ihr Dorf von einem Haus zum andern. Als sie nach einer Woche zum Pfarrer kommt, hat sie nicht eine einzige Blume, aber einen Strauss von Erfahrungen. Sie musste erleben, dass in jedem der Häuser ein Leid wohnt, eine Not ist und Trost nötig war. So konnte sie manchen Leuten aus ihrer eigenen Schmerzerfahrung beistehen. Das war der Anfang einer inneren Heilung.»8

«Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes. Er tröstet uns in all unserer Bedrängnis, so dass auch wir andere in all ihrer Bedrängnis zu trösten vermögen mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.» (2Kor 1,3+4)

Amen

VDM Barbara Pfister Bubikon E-Mail: barbara_pfister@gmx.ch

Barbara Pfister, geb. 1977, Pfarrerin Stellvertreterin in der ev. ref. Kirche Wetzikon (Zürich) seit September 2020. Diese Predigt wurde im Wochengottesdienst im Altersheim Wildbach gehalten am 25. März 2022.

Liedvorschläge zum Thema Trost/Tröster/getröstet werden:

Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Licht, mein Leben (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 239) In dir ist Freude (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 652) Jesus meine Freude (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 659) Von Gott will ich nicht lassen (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 671) Ach bleib mit deiner Gnade (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 342) O Heiliger Geist, o Heiliger Gott (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 506) Komm, o Tröster, Heiliger Geist (reformiertes Gesangbuch der Schweiz 515)

Schriftlesung: Trostverse aus Jesaja 40-66 z.B. Jesaja 54,7-10 oder Jesaja 66,10-14

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