Predigt zu 2. Timotheus 1,7

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Predigt zu 2. Timotheus 1,7

Predigt zu 2. Timotheus 1,7 | verfasst von Th.-M. Robscheit |

„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

Liebe Gemeinde, während ich diese Gedanken niederschreibe, greift hier die Furcht, zumindest aber Unsicherheit, um sich. Apolda wurde durch eine Gruppe älterer und kranker Menschen, die zu einer Kur waren, zum Corona-Hotspot. Fast alle sind infiziert zurück gekommen; bis das aber bekannt war, waren manche im Gottesdienst, haben Freunden oder Verwandten „Hallo“ gesagt und so das Virus weiter verbreitet. In der Kirchengemeinde waren das unruhige Tage. „Bin ich im Gottesdienst zu nah neben Frau XY gesessen?“

Die manchmal etwas belächelten, oft nervigen und unsere Gottesdienste einschränkenden Coronaregeln werden nun plötzlich in einem anderen Licht gesehen. Gut, dass wir in die große Kirche ausgewichen sind, in der Abstandhalten kein wirkliches Problem ist. Gut, dass wir Regeln mit Augenmaß anwenden, auch wenn es (noch) keine weitergehende staatliche Einschränkungen gibt. Aber natürlich gab es auch Stimmen, die lieber wieder gänzlich auf Gottesdienste verzichten wollen oder diese bis zur Unkenntlichkeit reduzieren möchten. Unbestimmte Ängste und Sorgen treiben an: Was, wenn etwas passiert? Wie stünden wir in der Öffentlichkeit da? Müssen wir Christen nicht Vorbild sein (gemeint ist dann: ein Infektionsrisiko durch unterlassene Begegnung vermeintlich auf Null zu reduzieren)? Das ist der Geist der Furcht. Gerne wird auf Paulus verwiesen (Röm 14; 1. Kor.8): Man müsse auf die Schwachen Rücksicht nehmen, ohne dass reflektiert wird, wer denn damals die „Schwachen“ waren und wer es heute wäre. Paulus ging es mitnichten darum, Gesundheit zu schonen, sondern das Gewissen. Wäre es dann nicht konsequent, die Schwachen heute bei denen zu verorten, für die ein rudimentärer Gottesdienst kein „richtiger“ Gottesdienst ist? Stattdessen werden ungefragt ältere oder kranke Gemeindeglieder zu „Schwachen“ abgestempelt. Liebe Gemeinde, Angst ist bekanntlich kein guter Ratgeber.

„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Kraft, Liebe und Besonnenheit sind die positiven Eigenschaften, die der Verfasser des Briefes Christen durch die Gabe des Geistes zuschreibt. Es ist hilfreich, gut und zielführend, besonnen zu handeln, mit Augenmaß. Wir Menschen haben es generell schwer, Risiken richtig abzuschätzen. Gefahren, die wir gewohnt sind, relativieren wir, z.B. das Risiko im Straßenverkehr zu verunglücken. Eher Unbekanntes (& deswegen allein meistens schon selteneres) kann uns bis zur Hysterie verunsichern. Können Sie sich noch daran erinnern, als das Tamagotchi auf den Markt kam? „Jetzt verlieren Kinder den Bezug zur Realität oder zu richtigen Tieren!“ – ist nicht so gekommen!

Nun hilft zweimal Durchatmen und eine Nacht darüber schlafen alleine nicht, um auf das Coronavirus angemessen und besonnen zu reagieren. Denn natürlich gibt es im Gemeindekirchenrat, unter den Mitarbeitern und allen, die Entscheidungen mittragen müssen, unterschiedliche Sichtweisen. Was ist denn der besonnene Umgang? Oft braucht man innere Stärke und Kraft, Maßnahmen abzustimmen und umzusetzen. Schon allein deswegen, weil viel in Bewegung ist. Es sollte selbstverständlich sein, dennoch will ich es aussprechen: Die Gestaltung unserer Gottesdienste & unseres Gemeindelebens ist kein Raum für Machtspielchen! Gott hat uns den Geist der Macht, der Kraft gegeben, weil wir diesen Geist in turbulenten Zeiten unbedingt brauchen. Dazu aber auch, & das ist bekanntlich die größte Gabe, den Geist der Liebe. Mit ihm schauen wir auf unsere Schwestern und Brüder. Was ist jetzt für sie wichtig? Welche Risiken können wir mit Gottvertrauen eingehen und wo sollten wir äußerst behutsam sein? Und plötzlich werden Schubladen, auf denen „schwach“ oder „stark“ steht nebensächlich, ja fast unkenntlich. Wir feiern Gottesdienst. Auch im Seniorenheim. Aber wir laden dort nur die Bewohner ein, alle anderen bitten wir in die große Lutherkirche zu kommen. Wir beten und singen, doch halten wir Hygieneregeln ein. Wir können nicht jedes Risiko ausschließen, aber wir brauchen nicht leichtsinnig zu sein!

Liebe Gemeinde, Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!

Und der Friede Gottes, der größer ist als unsere menschliche Vorstellungskraft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.


Pfr. Th.-M. Robscheit aus Apolda (EKM)

Bemerkung zum Kontext: In Apolda finden normalerweise 09:00 & 10:30 öffentliche Gottesdienste statt. Der erste in der (großen) Kapelle des Carolienenheimes (Seniorenheim), der zweite eigentlich in der Martinskirche, wegen der nötigen Abstände jetzt aber in der wesentlich größeren Lutherkirche, die sonst für Gottesdienste nur an hohen Feiertagen genutzt wird.

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