Predigt zu Jona 1

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Predigt zu Jona 1

Gottes Humor: er lächelt über Jonas Fluchtversuch| Predigt zu Jona 1 und 2 | 1. So. n. Trinitatis (6. 6. 2021)|  verfasst von Michael Plathow |

Lesung: Jona 1, 1 – 2, 3 und 2, 4 – 10 und 2, 11

„Die Situation ist ernst“ – eine Warnung, die in den zurückliegenden Monaten erging. Ja, sie war und sie ist ernst. Sie konnte einem den Boden wegziehen und den Atem rauben, wenn da nicht auch das Andere wäre: Humor.

Was meint Humor? „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass der Kragen platzt“, wie ein Sprichwort sagt. Als springender Punkt des zum Lächeln reizenden Humors erweist sich die Komik einer Alltagserfahrung. Sie spiegelt sich im heiteren Minenspiel und in zustimmendem Anteilnehmen. Der heitere Ernst des Humors, der entlastet und frei macht.

1.Davon berichtet die biblische Erzählung von Gottes Geschichte mit dem Propheten Jona. Es ist eine Novelle aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts vor Christi Geburt.

Gott ruft den Propheten Jona. Es ist der lebendige Gott, der Jona nach der Stadt Ninive sendet. Er soll sich aufmachen hin zu den Menschen, die Gott vergessen haben. Jona soll gehen zu den Menschen mit Sorge, Sehnsucht und Schuld. Jonas soll sie zur Umkehr rufen.

Doch Jona tut sich schwer und tut sich so wichtig. Der Auftrag ist ihm zu gewichtig, weil er nur auf sich schaut, und dabei sich selbst für wichtig nimmt. Er widersetzt sich. Er verweigert sich. Wie ein pubertierender Trotzkopf schlägt er genau die entgegensetzte Richtung ein. Er bricht auf nach Tarsis. Er rennt. Er eilt. Bloß weg dahin, wo Gottes Stimme ihn nicht erreichen möge. Von der Hafenstadt Jafo segelt er los über das weite Meer.

„Aber“ der Herr entlässt den Propheten nicht; er bleibt Jona nah. Gott lässt Wind und Sturm losbrechen (1, 4). Die Wellen schlagen hoch. Das Schiff droht zu kentern. Kapitän und Mannschaft forschen voll Angst nach dem Schuldigen.

In Unglück und Not wird der Schuldige gesucht.

Auf dem in Seenot kämpfenden Schiff fragt man: „Was sollen wir tun?“ Erkundet hatte man, dass Jona auf der Flucht ist vor seinem Gott. Auch gesteht Jona seine Schuld. Ja, er ist bereit, das Schiff und die Besatzung durch sein persönliches Opfer zu retten: „Nehmt mich und werft mich ins Meer“ (1, 12). Gleichwohl versuchen die Seeleute sich zunächst aus eigenen Kräften zu retten. Vergebens.

Das Unwetter bricht über sie. Da beginnen sie zu beten. Religiös unmusikalisch sind sie und irgendwie normal, fromm sind sie und lebenserfahren.

Sie beten, wie immer in Gefahr und Angst der Ruf nach Gott laut wird, wie erst am tiefsten Punkt im Leben wir uns Gott nähern.

Sie ahnen und wissen, dass da eine höhere Macht ist, von der sie abhängig sind und die sie unbedingt angeht gerade jetzt. Sie schreien den Gott-Ruf: „Herr, höre meine Stimme“ hinaus gegen den Sturm. Dann übergeben sie Jona dem Meer: Sündenbock durch Schuldübertragung und Schuldübernahme ist er. Und zur allseitigen Befriedung beruhigt sich das Meer.

2.Die Geschichte zwischen Gott und Jona, liebe Gemeinde, erfährt nun einen weiteren Spannungsmoment: „Aber“ der Herr schickt einen gewaltigen Fisch, wird erzählt. Der verschlingt Jona. Drei Tage und drei Nächte verbringt dieser gefangen im Bauch des gewaltigen Tieres. Und unwahrscheinlich und irgendwie kurios, aus finsterem Bauch wendet sich der Prophet an seinen Gott; er schreit seine Angst „zum Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene geschaffen hat“; er klagt: das Wasser steht ihm bis zum Hals. Er schnappt nach Luft. Die Tore des Todes schließen sich. Seinem Leben entschwindet Zukunft.

Und da, da kommen über Jonas Lippen – angesichts der komischen Situation eigentlich unvorstellbar – Worte der Zuversicht: Du aber, aber du Herr, „bist ja mein Gott“. Andeutet sich da irgendwie die Glaubensheiterkeit im Vertrauen auf Gott.

Der Prophet Jona erinnert an Gottes Gemeinschaftstreue, er verlässt sich auf den Herrn.

Wer sich klammert an Nichtiges, eigenwillig, oder an von Menschen Gemachtes und Erdachtes, sein Herz daran hängt, der verliert das, was letztlich träg, Hilfe und Heil schenkt. Jona bekennt gegen die Finsternis: „Hilfe finde ich bei dem Herrn!“  (2, 10).

Und die Komik steigert sich: Jona singt aus voller Kehle und der ganze Fisch ist voll Gesang. Wie in einem Dom schallt und hallt es.

Der Herr „aber“ befiehlt dem Fisch, Jona auszuspucken ans Land (2, 12). Jona ist gerettet. Wunderbar! Märchenhaft! Gottes Güte ist immer noch größer.

Dreimal spricht Gott das „Aber“ in dieser Geschichte mit Jona. Dreimal ruft er Jona. Gott geht Jona nach und zugleich voraus. Er lässt ihn nicht aus den Augen. Obwohl Jona sich schwer tut, in sich verkrümmt – Gottes Güte bleibt ihm nah. „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen…“ (Ps 139, 9f). Denn du bist bist bei mir.

Gott ist uns näher als wir uns selbst sind. Auch wer Gottes Geschichte mit sich abbrechen will, den überlässt Gottes „Aber“ nicht sich selbst und seinem Schicksal. Kein vernichtendes Aber ist es. „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen“ (Jes 42, 3). Gottes Wege sind anders, seine Gedanken höher (Jes 55, 8). Es ist das „Aber“ der Liebe Gottes.

3.„Der Mensch denkt sich einen Weg; aber Gott lenkt seine Schritte“, sagt das alttestamentliche Sprichwort von der Furcht Gottes als Anfang aller Weisheit (Spr 16, 9). Darum wendet sich die Klage in Zuversicht: „dennoch vertraue ich darauf, dass du gnädig bist“ (Ps 13, 6); „aber du, Herr, sei nicht fern; eile mir zu helfen“ (Ps 22, 29).

Gottes Güte und Liebe ist immer größer, liebe Gemeinde, selbst wenn wir uns verschließen, an einem Auftrag scheitern wie Jona.

Der lebendige Gott – und das ist der springende Punkt der Jona-Novelle –  der lebendige Gott ist es, der sich selbst erfahrbar macht: „Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Güte und Treue“ (Ex 34, 6). Gegen alles, was sich schwer tut, der Schwere nicht gewachsen fühlt oder sich so wichtig nimmt, spricht Gott das befreiende „Aber“. Gottes Liebe mischt sich ein, durchkreuzt den eigenwilligen Weg und eröffnet Neues.

Gott spricht sein gütiges „Aber“ mit Anteil nehmendem Humor über Jona, der nur auf sich schaut und sich so wichtig nimmt.

Papst Johannes XXIII. war es, der von einem um Rat bittenden jungen Bischof erzählt, der vor der Gewichtigkeit der Aufgabe zurückschreckt; bis in den Schlaf verfolge ihn, dass er den Dienst  auf Dauer nicht bewältigen könne. „Auch mir erging es so“, antwortete der Papst, „Einmal bin ich eingenickt. Da erschien mir ein Engel im Traum und ich erzählte ihm meine Not. Darauf sagte der Engel: ´Giovanni, nimm dich nicht so wichtig`. Seitdem kann ich wunderbar schlafen“. Glaubensheiterkeit in der Gewissheit, die K. Barths Telefongespräch mit E. Thurneisen am Abend vor seinem Abruf bekennt: „Gott ist im Regiment“.

In der Erzählung von Jona platzte Gottes Kragen nicht. Ein heiteres, wenn auch nicht unbeschwertes, Lächeln Gottes, wie Psalm 2, 3 singt, scheint über dem Propheten, der sich schwer tut. „Wir sollen Mensch sein und nicht Gott; das ist die Summe“ des 1. Gebotes  (M. Luther).

Gottes liebendes Lächeln offenbart sich einzig in Jesus, Gottes eingeborenen Sohn, unserm erstgeborenen Bruder:

Für Jesus war Jonas Rettung aus dem Bauch des gewaltiges Fisches das Zeichen für seine „Auferstehung am dritten Tag“ (Mt 12, 39, 41). Christus ist Sieger, der Befreier von der Macht der Finsternis und des Todes zugunsten des Lebens.

Die Liebe Gottes  ist da „für uns“; ihm sind wir bleibend wertvoll. „Herr, deine Güte reicht soweit der Himmel ist“ (Ps 36, 6a).

„Hilfe finde ich beim Herrn“, bekennt Jona im Bauch des Fisches (2, 10). Auch mit uns hat Gottes Liebe und Güte immer noch etwas vor, selbst wenn wir uns schwer tun, vielleicht weil wir uns so wichtig nehmen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen, unsere Vernunft und unser Tun im Glauben an Gottes Liebe und Güte. Amen.

Lied: EG 277, 1, 2, 4

Prof. Dr. Michael Plathow Uni Heidelberg, Pfr. i. R., D 69181 Leimen, email: michael@plathow.de

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