Psalm 24

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Psalm 24

Macht hoch die Tür | 1. Advent | 3.12.2023 | Ps 24 | Thomas-M. Robscheit |

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern & Brüder!

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind, sondern auch die Adventszeit mit ihren Riten und Liedern. Allenthalben gibt es große und kleine Adventsmärkte, die meistens Weihnachtsmärkte heißen. Der Duft von Glühwein und gerösteten Mandeln mischt sich mit dem Rauch von Bratwürsten. Musik dudelt, Füße sind nasskalt und der Mund klebrig von den Leckereien, gelegentlich wird auch die Zunge schwer. Häuser und Gärten werden illuminiert, scheinbar in jedem Jahr mehr. Stollen und Plätzchen stehen auf dem Tisch und dann gibt es auch noch die Adventslieder, ganz vorne dabei „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Auch wir werden es in diesem Gottesdienst singen. Das geht 2023 gar nicht anders. Zum einen ist der dem Lied zu Grunde liegende Psalm 24 in diesem Jahr auch der Predigttext am 1. Advent, zum anderen wird das Lied 400 – in Worten vierhundert! – Jahre alt. Der Königsberger Pfarrer Georg Weissel schrieb den Liedtext 1623 zur Einweihung der Altroßgärter Kirche. Der Legende nach wütete über Königsberg ein heftiger Schneesturm. Der Küster des Domes öffnete die Tür, damit die Menschen Zuflucht finden konnten. Darunter auch Pfarrer Weissel. Er blieb mit dem Küster im Vorraum und betrachtete das Domportal. So seien ihm die ersten Zeilen des Liedes eingefallen und zu Hause habe er es schnell fertig getextet.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ – königlich beschreibt Weissel Gottes Erscheinen in der Welt, nicht anders als der Psalm 24 gut 2.000 Jahre früher. Der König der Ehre ist stark und mächtig, mächtig im Streit ist dieser König der Ehre. Da ist kein Platz für stille Besinnlichkeit, da schmettern Trompeten, hallen Trommelwirbel und Fanfaren.

Das Martialische nimmt Weissel in seinem Text zurück; vielleicht weil Krieg ist. Die ersten drei Strophen des Liedes sind auf Gott Vater, Jesus Christus und den Heiligen Geist bezogen, wie in den jeweils letzten beiden Zeilen deutlich wird. Bei ihm ist der König sanftmütig und barmherzig. Bringt Freude und Wonne, Heil und Leben.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, ein festliches Lied. Es passt mit seiner (jüngeren) volkstümlichen Melodie ganz wunderbar in die heile, salbungsvolle, süßliche Adventszeit. Doch was ist, wenn es uns anders geht? Wenn die Krisen der letzten Zeit, die Unsicherheit und Sorgen unserer inneren Kraft so zugesetzt haben, dass wir keine Vorfreude mehr empfinden? Wenn Einsamkeit unser Herz schwer macht oder wir kaum wissen, warum wir überhaupt morgens aufstehen sollen? Was, wenn Schwermut und Antriebslosigkeit sich breitgemacht haben?

Vielleicht ist gerade dann dieses alte Adventslied der Schlüssel zu den verrammelten Seelen-Toren? Vielleicht sind wir auch Flüchtende vor dem Schneesturm unserer Zeit? Vielleicht hat dieser Sturm damals in Königsberg all das aufgebrochen, was die vielen Kriegsjahre des 30-jährigen Krieges, dessen Ende noch gar nicht absehbar war, an Ängsten und Sorgen aufgestaut hatten: Die Sehnsucht nach Barmherzigkeit, Frieden, ein Ende der Not. Ich stelle mir vor, wie Pfarrer Weissel durchfroren, mit schmelzendem Schnee im Gesicht im roten Backstein-Dom steht. Nicht vorn am Altar, wo Gold und Herrlichkeit glänzen, sondern hinten, Blick nach draußen wo die Welt ungemütlich ist. Wie er die großen Türen sieht und er fast unter dem Leid zerbricht, der Hartherzigkeit seiner Mitmenschen. Vielleicht sind es nicht nur geschmolzene Flocken, die sein Gesicht nässen. Ihm kommt Psalm 24 in den Sinn. Und wie er trotzig, wie sein Küster vor ihm, die großen Türen öffnen will, nicht nur, damit alle, die Schutz brauchen, die Sehnsucht haben nach Geborgenheit, Frieden, nach Gnade und Barmherzigkeit hinein kommen können; nein sondern, den Unbilden zum Trotz, den König einziehen lässt: nicht als streitbaren Kämpfer, sondern sanftmütig, barmherzig in die Herzen der Menschen. Weissel vertraut darauf. Die Welt wird ein besserer Ort, wo die Herzen zum Tempel zubereitet sind:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
eu’r Herz zum Tempel zubereit’.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.

Ach, das ist doch nur sentimentale Augenwischerei, mag mancher denken. Kommen Heil und Leben quasi als Nebenprodukt in diese Welt, wenn jemand Gott in sein Herz lässt; sein Haus schmückt nicht um zu protzen, sondern mit Andacht, mit Besinnung und Hingabe?

Es wird über dieses Lied noch eine weitere Geschichte erzählt. Vierzehn Tage nachdem ersten Singen soll sie sich zugetragen haben: In Königsberg führte der Weg vom Armenhaus ins Zentrum und damit auch zum Dom über das Grundstück eines Geschäftsmannes namens Sturgis. Vermutlich hat ihn der Anblick der zerlumpten Gestalten auf seinem Grundstück gestört, vielleicht hatte er Angst vor Neid. Jedenfalls hat er den Weg gesperrt und alles Intervenieren der Betroffenen und des Rates haben nichts bewegt. Am vierten Advent war dann Pfarrer Weissel dort, hat ihm ins Gewissen geredet, dann wurde „Macht hoch die Tür gesungen“, vom Pfarrer, den Zerlumpten und allen, denen die Hartherzigkeit weh tat. Das traf Sturgis, er holte den Schlüssel, schloss das Gartentor auf und es wurde auch nie wieder verschlossen.

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.

Amen

Thomas-M. Robscheit

EKM, Apolda| thm@robscheit.de

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