Reflexion zum 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses

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Reflexion zum 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses

Reflexion zum 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses
Der Heilige Geist, der das ewige Leben gibt
Jochen Cornelius-Bundschuh


Der Heilige Geist, der das ewige Leben gibt
Martin Luther, WA 30 I, 93,13-16: „Item dat tibi in cor per sacramenta, ut credas verbo et fias membrum Ecclesiae. Iam incepit sanctificare: ubi mortui, perficiet istam sanctificationem per ista duo, ‚Aufferstehung des leichnams‘ et per ‚vitam aeternam‘.“

Es gibt wohl kaum einen Aspekt des ‚Glaubens‘, der sich so großer Zustimmung erfreut wie der des ewigen Lebens. Wer Menschen heute nach ihrer Religiosität fragt und mit ihnen darüber spricht, wie sie angesichts des Todes leben und was sie für Vorstellungen haben, was ‚danach‘ kommt, erhält vielfältige Antworten. Ein breiter Grundtenor hebt jedoch zwei Aspekte besonders hervor: „Ich bin sicher, es gibt da irgendetwas danach“ und „Wir werden uns wiedersehen.“ Auch Menschen, die sich nur am Rande als Glieder der Kirche fühlen, ihren eigenen Glauben kaum, wie Luther schreibt, mit Wort und Sakrament verbinden, erhoffen sich ‚in ihrem Herzen‘ ewiges Leben als personale Kontinuität. Sie wollen ’nicht an den Tod glauben‘ (E. Lange).

Für theologisches Denken ist es nicht leicht, sich zu dieser Rede vom ewigen Leben in Beziehung zu setzen. Zu schnell scheinen hier religiöse Wünsche und die Aussagen des dritten Glaubensartikels in eins gesetzt zu sein. Zu glatt rückt der ‚volkstümliche‘ Ansatz eine Kontinuität ins Zentrum, indem er von einer wie auch immer modifizierten Lehre von der Unsterblichkeit der Seele her denkt. Sie wird „beim Tod vom Leib befreit und … überlebt“ (L. Dabney). So „wie ein Schmetterling über dem Grab davon flattert, … so haben sich die Heiden das Leben nach dem Tod vorgestellt“, hat Karl Barth gegen diese Ansicht polemisiert und dagegen den grundlegenden Bruch, den Schrecken des Todes hervorgehoben.

Mit diesem Zugang zum Leben nach dem Tod verbindet sich zudem eine klare Unterscheidung, ja Trennung von Leib und Seele. Allerdings scheint die Sorge früherer Theologengenerationen, dass es dadurch leicht zu einer Geringschätzung des Leibes in der Gegenwart kommen könne, heute nicht mehr bedrängend. Denn die Trennung wird erst virulent, wenn Leiden als Vorboten des Todes in den Blick kommen und der schnelle, selbstbestimmte Tod als Zurücklassen des Leibes und als Übergang der Seele in einen neuen Zustand, in dem sich die sozialen Beziehungen später wieder aufnehmen lassen, zur Hoffnung wird. Andererseits ist festzuhalten, dass die Rede vom Weiterleben der Seele und von einem möglichen Wiedersehen personaler Wesenskerne es vielen Menschen in seelsorglichen Situationen leichter macht, sich auf Verlust und Trauererfahrungen einzustellen.

Wesentlich seltener begegnet heute die Gegenbewegung, die sich ‚mündig‘ und ‚grimmig‘ auf das Hier und Jetzt konzentriert und das, was danach kommt, radikal von dem unterscheiden will, was bisher war. Der Mensch ist ganz tot, die Auferweckung bedeutet eine Neukonstituierung, die ganz aus dem Heilshandeln Gottes lebt. An dieser Stelle tritt der Aspekt der Kontinuität weitgehend in den Hintergrund. Auf die Frage der Angehörigen: „Was wird aus Emil, wenn er tot ist?“ (Bukowski) gibt es keine Antwort, die Wiedererkennbarkeit und Identität umfasst.

An einer Stelle sind sich die beiden Ansätze jedoch nah: sie denken anders als das Glaubensbekenntnis die Frage nach der Auferstehung der Toten und dem ewigen Leben von der Anthropologie her. Es ist die Qualität der Seele, die Kontinuität verheißt; es ist der Charakter des Todes als anthropologisches und soziales Geschehen, der die Betonung der Diskontinuität angemessen erscheinen lässt. Das Glaubensbekenntnis aber versteht die eschatologische Dimension vom Wirken des Heiligen Geistes her.

Er ist nämlich einerseits die Gabe, die den Christenmenschen in der Taufe zugeeignet wird und die sie in den Christusleib eingliedert, so dass unser Fleisch, unser konkretes Leben schon hier im Himmel ist (Heidelberger Katechismus Frage 49). So wie er bei Christus geblieben ist, als dieser am Kreuz vom Vater verlassen war, so hält er an unserem Leben fest und wird es einstmals vollenden. Andererseits ist der Heilige Geist die Kraft, die eschatologisch Neues schafft: „Irdisches, vergängliches, hinfälliges Leben wird durch den Geist und aus dem Geist als Gott gemäßes Leben dem Tod entrissen und dem Vergehen entzogen.“ (M. Welker)

Im Wirken des Geistes gehören also die Aspekte der Kontinuität und der Diskontinuität untrennbar zusammen. Folgt man den Ausführungen in 1. Korinther 15, so kommt dem ‚verweslichen‘ Fleisch, dem konkreten Leichnam, eine hohe Bedeutung zu. Er ist durch den Geist dem drohenden Weg zurück ins Nichts entzogen; was biologisch konsequent ist, wird durch den Geist in ungeahnter und wissenschaftlich nicht zu plausibilisierender Weise überwunden.

Alles, was das Sein in Christus ausmacht, wird im Tod nicht verloren gehen oder zerstört werden; der Heilige Geist vollendet uns mit unserem Leib, mit allem, was sich an Freuden und Leiden in ihn eingeprägt hat, was an Erfahrungen in ihm und mit ihm Gestalt gewonnen hat. Ob dies nur für die geliebte und liebende Seite des Menschen gilt, wie dies von W. Härle entwickelt wird, scheint mir zumindest fragwürdig; vielleicht trennen wir damit zu schnell das Schwere, das Mühselige, den Kreuzweg, den ein Mensch gehen musste und im Geist Gottes gegangen ist, von ihm ab. Und malen ein Bild des ewigen Lebens, das dann doch wesentlich von unseren Bildern von Heil und Unversehrtheit geprägt ist.

Auch in der sozialen Dimension geht es nicht nur um Kontinuität: mag sein, dass die Angehörigen ihre Beziehung zu den Verstorbenen weiter pflegen (W. Härle), mag sein, dass die Verstorbenen selbst in einer in unserer Logik nicht nachvollziehbaren Form weiterhin mit unserer Wirklichkeit verbunden sind (H.-M. Gutmann). Die Kraft des Heiligen Geistes, der ewiges Leben gibt, zeigt sich gerade auch darin, dass alles, was einen Menschen ausmacht, sein Leib und sein Denken, sein Tun und sein Lassen, seine Reden und sein Verschweigen, all das durch den Heiligen Geist endgültig der Verfügung anderer Menschen und Mächte entzogen und von Gottes Gegenwart durchdrungen wird.

Das, was Menschen unter dem Segen im Angesicht Gottes (Num 6) und im Leib Christi schon jetzt sind, wird im ewigen Leben umfassende, unaufhebbare und unbedrängte Realität. Es kommt zu einer ungeahnten Vertrautheit mit Gott, der alles in allem ist und doch auch Gegenüber bleibt. Gegenüber für die von seinem Geist erfüllten Geschöpfe, die nicht in einem „Zustand der reinen Passivität“ die „höchstmögliche Teilnahme am göttlichen Leben“ (W. Härle) gestalten, sondern im gemeinsamen Loben und Preisen.


Direktor Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
Predigerseminar der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck
Gesundbrunnen 10
34369 Hofgeismar
05671-881271
E-mail: cornelius-bundschuh@ekkw.de

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