Respekt und Dankbarkeit gegenüber Israel

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Respekt und Dankbarkeit gegenüber Israel

Predigt über Römer 11, 25-32 | verfasst von Benedict Schubert |

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

im 12. Jahrhundert entstand in unserer Stadt die erste jüdische Gemeinde. Die jüdischen Familien lebten nicht in einem Getto, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft mit den christlichen. Vor den Türen unserer Kirche lag auch der jüdische Friedhof. Das Zusammenleben war nicht spannungsfrei, zumal die Bettelorden ab Ende des 13. Jahrhunderts ihre antijüdische Propaganda verstärkten. Als sich 1348 die Pest von Südeuropa aus ausbreitete, kam es schliesslich in verschiedenen Städten Europas zu «Pestpogromen»: Den jüdischen Menschen wurde unterstellt, sie seien an der Seuche schuld, deshalb wurden sie vertrieben, verfolgt, vernichtet.

Im Dezember 1348 hatte die Pest Basel zwar noch nicht erreicht, doch die Panik hatte die Stadt schon ergriffen. Es herrschte ohnehin schon eine unverhohlene Judenfeindschaft, die klare wirtschaftliche Gründe hatte. Zum einen hatte sich ein Grossteil des Basler Adels bei jüdischen Kreditgebern schwer verschuldet, zum anderen hatten die privilegierten Achtburger, nichtadelige Basler Patrizier, das Bankgeschäft aufgenommen und waren Konkurrenten der jüdischen Geldverleiher geworden. In der Weihnachtszeit wurde der jüdische Friedhof verwüstet. Am 16. Januar kam es zum eigentlichen Pogrom. Aufgehetzte Banden sperrten alle Juden, die sie festnehmen konnten, in eine eigens dafür errichtete Holzhütte auf einer Insel im Rhein; die Hütte wurde angezündet, alle verbrannten oder erstickten. Kinder blieben verschont, aber zwangsgetauft und in Klöster verschleppt. Einzelne Erwachsene entgingen dem Tod, weil sie in letzter Minute konvertierten. Das sollte sie schliesslich aber auch nicht retten; als die Pest 1349 in Basel ausbrach, wurden sie trotzdem verhaftet und gefoltert. Durch Folter können Menschen bekanntlich dazu gebracht werden, irgendetwas zu gestehen. Deshalb gestanden die Gefolterten auch das ihnen vorgeworfene Giftkomplott und wurden deswegen hingerichtet. Ende 1349 war die jüdische Gemeinde in Basel ausgelöscht. Damit galten die jüdischen Guthaben und Pfandrechte als erloschen, Besitz und Häuser waren in christliche Hände übergegangen. Der Rat beschlagnahmte die Synagoge und den Friedhof; Grabsteine wurden als Türschwellen oder zur Ausbesserung der Stadtmauer verwendet, ein Grabstein wurde mit der Inschrift nach unten als Bodenplatte im Basler Münster verlegt.

Als wenige Jahre später, 1356, das grosse Erdbeben Basel traf, war das in den Augen Einzelner Gottes Strafe für diese Schandtat gegenüber Seinem Volk. Doch schon um 1360 liessen sich doch wieder jüdische Familien in Basel nieder. Die Gründe dafür sind unklar; die These, sie seien gerufen worden, weil die Stadt Geldverleiher brauchte, ist offenbar widerlegt. Ebenso unklar ist, weshalb diese zweite jüdische Gemeinde sich knapp vierzig Jahre später erneut auflöste. Vier Jahrhunderte lang blieb es jüdischen Menschen verwehrt, sich in Basel niederzulassen. Erst 1805 wurde schliesslich die dritte, immerhin bis heute bestehende israelitische Gemeinde in Basel gegründet. Wir leben in unmittelbarer und weitgehend guter Nachbarschaft miteinander. Jüdische Freunde stellen uns gegenüber jedoch besorgt fest, dass auch hier antisemitische Übergriffe am Zunehmen sind.

Ich habe an dieses äusserst dunkle Kapitel in der Geschichte unserer Stadt erinnert, weil es exemplarisch zeigt: Das Verhältnis zum Volk Israel, das Verhältnis zum Volk und zum Glauben von Jesus Christus ist belastet – und zwar seit den Anfängen der Kirche, seit viel Längerem als seit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, deren Ende vor 75 Jahren wir dieses Jahr erleichtert gefeiert haben.

Wir wollen also in selbstkritischer, demütiger Nachdenklichkeit den Text aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde an Rom lesen, der uns am heutigen Israelsonntag als Predigttext vorgeschlagen ist. Es ist der vorletzte Abschnitt von Kapitel 11, mit dem Paulus den Gedankengang abschliesst, dem die drei Kapitel 9–11 des Römerbriefs gewidmet sind. Paulus ringt mit der Frage, wie er es einordnen soll, dass die Jesusbewegung innerhalb des Volkes Israel eine Minderheit geblieben ist. Weshalb hat sein eigenes Volk zurückgewiesen, was ihnen Jesus als Evangelium verkündete, nämlich die Nachricht von der grosszügigen, weiten, grenzenlos inklusiven Gnade und Liebe Gottes? Weshalb verschloss sich die Mehrheit seiner Glaubensgeschwister dem, wie Jesus die befreiende Schrift und die Tradition Israels deutete und praktisch umsetzte? Die Frage ist für Paulus besonders dringend: Er selbst hat schliesslich die buchstäblich umwerfende Erfahrung gemacht, dass er zwar ebenfalls überzeugt war, die jüdische Gemeinde müsse sich durch strikte Abgrenzung rein erhalten. Doch dann machte die Begegnung mit dem Auferstandenen ihn zu einem, der erleichtert und begeistert weitersagte, dass in Jesus Christus niemand, weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier, weder Mann noch Frau (Gal 3,27) vom heilenden Raum des Gottesfriedens, des Schalom ausgeschlossen bleiben muss, sondern dass es von überall her Zugang gibt.

Warum verweigert sein Volk sich dieser Botschaft? Der Kern der Antwort, die Paulus findet, besteht in der Einsicht, dass Gott selbst Sein Volk sozusagen hat am Wegrand Halt machen und ausweichen lassen, damit die Heiden – die ausgeschlossenen, unreinen Völker – an ihm vorbei einziehen können in die Gemeinschaft mit Gott. Und so lese ich nun 11, 25-32

25 Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist. 26 Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob.27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«

28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.

30 Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Verlässlichkeit und Treue gehören wesentlich zu Gott. Das, was wir sehen und erleben, könnte uns zwar manchmal auf schmerzliche Weise vermuten lassen, Gott handle willkürlich. Doch dagegen bekennt Paulus, bekennen wir mit ihm: Gott ist kein unberechenbarer Despot. Gott ist nicht unzuverlässig. Wir sind es. Gott muss mit unserem Wankelmut umgehen. Wir tun heute dies, aber morgen genau das Gegenteil. Auf uns ist oft viel weniger Verlass, als wir selbst es gerne hätten. Wer von Euch, wenn Ihr am Abend auf Euren Tag zurückschaut, wird nicht regelmässig beschämt zugeben müssen: Ich habe nicht so gehandelt, wie ich selbst, wie meine Nächsten und wie Gott es eigentlich hätten erwarten dürfen. Während wir immer wieder Mühe bekunden mit der Treue und der Verlässlichkeit, können Gottes Gaben und Berufung ihn nicht gereuen. Das, was er in uns gelegt hat, was er mit uns angefangen hat, was er mit uns vorhat – das wird er auch zu seinem guten Ende bringen (vgl. Phil 1,6).

Auf diese Weise den Glauben bekennen, heisst immer, dem scheinbar Naheliegenden zu widersprechen. Wenn ein Glaubensbekenntnis bloss bestätigt, was ist und was alle für wahr und wirklich halten, dann ist es eine Banalität. Umgekehrt ist ein Glaubensbekenntnis aber auch nicht eine dreist absurde Behauptung. Indem Paulus tröstlich und klärend die Verlässlichkeit Gottes bekennt, antwortet er auf das, was er in Vers 25 «Geheimnis» nennt. Als Fremdwort «Mysterium» haben wir das griechische μυςτήριον in unseren Wortschatz aufgenommen. Es ist eine Art von Geheimnis, das ich von mir aus nicht entschlüsseln kann; es muss mir gezeigt, es muss mir «offenbart» werden. Diejenige, die das Geheimnis (wie der Apostel) schon kennt, muss es mir mitteilen. Erst wenn ich zum Geheimnisträger gemacht bin, kann ich weitergeben, was für alle anderen verborgen bleibt. Paulus will das Geheimnis von Gottes guten Plänen der Gemeinde unbedingt mitteilen: Ich will es Euch nicht verhehlen. Aus sich heraus wäre sie nie in der Lage, drauf zu kommen. Ihr sollt Euch nicht für klug halten – oder wie die BasisBibel reizvoll übersetzt: Denn ihr sollt euch nicht selbst einen Reim auf die Sache machen.

Von sich aus kann niemand darauf kommen. Das Mysterium, das Paulus nun doch in Worte zu fassen versucht, ist Gottes Geheimnis. Gott aber behält es nicht für sich, sondern legt es offen, Gott offenbart es. Im Fachwort nennen wir diese Erfahrung «Apokalypse». Und wenn Euch nun dazu das letzte Buch der Bibel mit seinen Visionen in den Sinn kommt, macht ihr eine hilfreiche und erhellende Assoziation. Paulus teilt an unserer Stelle mit der Gemeinde in Rom seine Tiefenschau der Wirklichkeit teilt. Ebenso offenbart in der Apokalypse der Seher Johannes den Gemeinden in Kleinasien die Einsichten, die Gott ihn hat gewinnen lassen. Johannes weiss sehr wohl, dass die sichtbare, unmittelbar erlebte Wirklichkeit der Gläubigen äusserst bedrückend und beängstigend ist. Doch er hat eine Art von befreiend tröstlichem Durchblick erhalten. Hinter und über dem dunkel gewalttätigen Vordergrund dessen, was den Gemeinden aktuell zugemutet wird, sieht Johannes Gott am Werk. Gott ist daran, seiner Gemeinde aus allen Stämmen, Nationen und Sprachen (Offb 7,9) den Lebensraum zu schaffen, das «Himmlische Jerusalem», durch das das Wasser des Lebens fliesst, und die Bäume tragen zwölfmal im Jahr Frucht, ihre Blätter zur Heilung der Völker sind jederzeit greifbar (22,2). Paulus sieht wie ganz Israel und die Fülle der Heiden Gottes Barmherzigkeit erfahren.

Was der Seher Johannes seinen Gemeinden und der Apostel Paulus jener in Rom offenbaren, wird sich erst in Zukunft ganz erfüllen. Eine solch hoffnungsvolle Zukunftsschau ist angreifbar für den Vorwurf, es werde bloss billiger Trost gespendet. Es werde das Blaue vom Himmel versprochen, doch dafür gebe es im gegenwärtigen Jammertal der Welt weder Anzeichen noch Belege. Dieser Vorwurf ist tatsächlich nicht zu entkräften, sondern begleitet alle, die sich seit Paulus und Johannes bemühen, auf ihre Weise Gottes Mysterium weiterzugeben. Ich komme noch einmal darauf zurück.

Zunächst erlaubt mir aber noch eine Bemerkung dazu, wie sich Paulus denn das Geheimnis offenbart hat. Er berichtet nicht wie Johannes von nächtlichen Visionen, sondern legt die Schrift aus – und das war ja das, was wir heute das Alte Testament nennen. Zunächst deutet er die Kommunikationsstörung zwischen Jesus und seinem Volk mit dem biblischen Begriff der «Verstockung». An mehreren Orten erscheint dieses Motiv in der Schrift: Gott redet, und das Volk hört und versteht nichts. Ausdrücklich erhält beispielsweise Jesaja in seiner Berufung den Auftrag: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und versteht’s nicht; seht und merket’s nicht! Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschliesse und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen (Jes 6, 9f).

Während Jesaja noch erschüttert fragte, wie lange Gott diesen Zustand anhalten lassen werde, bekennt Paulus: Wir alle müssen das aushalten, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist. Eben: Israel muss am Wegrand sitzen bleiben. Aushalten lässt sich dies, weil dennoch nicht in Frage gestellt ist: Ganz Israel wird gerettet werden. Dieses Vertrauen begründet der Apostel mit zwei kurzen Zitaten, einem aus Jesaja und einem aus Jeremia. Er verknüpft sie zu einem Versprechen an das Gottesvolk, auf das sich aber auch die Gemeinde in Rom und die ganze Welt verlassen können: Einmal wird die Trennung zwischen Israel und dem Gottesvolk aus den Völkern aufgehoben sein.

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Wir könnten an diesem Punkt eine Reihe von kritischen Rückfragen stellen. Ob es legitim sei, beispielsweise, auf diese Weise zwei kurze Texte je aus ihren Zusammenhängen zu reissen, um sie zu einer neuen Aussage zu kombinieren. Ob Jesaja oder Jeremia jeweils wirklich das gemeint haben, was Paulus von ihnen überliefert. Ob die Rede von einer von Gott gewollten und bewirkten Verstockung nicht zu riskant sei.

Solche Fragen müssen in Kommentaren diskutiert werden. Ich beobachte: Das Neue Testament zitiert an verschiedenen Stellen die Schrift. Oft verbinden sich diese Zitate mit Deutungen, die uns aus heutiger Sicht mutig, wenn nicht abenteuerlich vorkommen. Mit all denen, die vor uns die Bibel als Kanon akzeptiert haben, verlassen wir uns aber darauf: Genau in einem so kreativen, lebendigen, begeisterten Umgang mit dem Geschriebenen wie Paulus, Johannes oder viele seither ihn gewagt haben, lässt Gott sich als lebendige Stimme vernehmen – und wir erleben Apokalypse, Offenbarung. Uns wird ein Geheimnis eröffnet, das es uns erlaubt, Erfahrungen auszuhalten, die wir sonst überhaupt nicht hätten einordnen können.

Bevor ich schliesse, noch dies: Ich habe vorhin angemerkt, dass diejenigen sich angreifbar machen, die sich darauf verlassen, dass Gott ihre kleine oder auch die grosse Geschichte der Welt an ein gutes Ende bringe. Sich auf ein solches Bekenntnis einzulassen und es sich anzueignen, braucht tatsächlich Mut. Bewahrheiten oder aber als Täuschung erweisen wird es sich erst dann einmal. Um es in alter Sprache zu sagen: Wir alle werden erst dann einmal herausfinden, ob wir in den Himmel kommen, oder ob alles im finsteren Nichts endet. Ich für mein Teil bin überzeugt: Ich lebe besser, leichter und erfüllter mit der Hoffnung darauf, dass die Vision vom himmlischen Jerusalem wahr ist.

Und zuletzt: Es bleibt mir unverständlich und ist meines Erachtens ungeheuerlich, dass Menschen, und ausdrücklich auch Christinnen und Christen angesichts unseres und vergleichbarer Texte ihren jüdischen Nachbarinnen und Zeitgenossen anders begegnen als mit tiefem Respekt und allergrösster Dankbarkeit.

Pfr. Dr. Benedict Schubert, geb. 1957, reformierter Pfarrer an der Peterskirche in Basel nach mehreren Jahren im Dienst der evangelisch-reformierten Kirche in Angola und bei mission 21 – evangelisches missionswerk basel, sowie Lehrauftrag im Fach aussereuropäisches Christentum an der Universität Basel; mit seiner Frau zusammen leitet er das «Theologische Alumneum», ein Wohnheim für Studierende aller Fakultäten.

Basel

benedict.schubert@erk-bs.ch

Die Predigt wird in einem Taufgottesdienst gehalten. Zu Beginn des Gottesdienstes begrüsse ich die Gemeinde in der Regel mit dem Wochenspruch. Das will ich so tun:

Seit dem 16. Jahrhundert wird dieser Sonntag als «Israelsonntag» begangen – in Erinnerung an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem und als Anlass, um über unsere Beziehung zum Volk Israel nachzudenken. Das Wort zur Woche stammt aus Psalm 33:

Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk,
das er zum Erbe erwählt hat!
(Ps 33,12)

Wohl ergangen ist es dem Volk Israel ja wahrhaftig nicht, diesem von Gott ausgesonderten, für ihn reservierten Volk. In der Tora wird schon überliefert, dass Gott dieses Volk nicht ausgewählt habe, weil es besonders gross und stark war. Es sei im Gegenteil das kleinste unter allen Völkern – doch, und darauf kommt alles an, es ist von Gott geliebt. Das gilt, und Israel bekennt es – auch wenn in seiner Geschichte es oft den Anschein machte, als sei es von Gott vergessen und aufgegeben.

Dass wir von Jesus gehört und in ihm erfahren haben, dass Gott seine Liebe auch auf die Völker ausgeweitet hat, ist Gute Nachricht. Im Blick auf die Geschichte Israels sollten wir sie aber nicht als Garantie für ein einfaches und störungsfreies Leben verstehen.

Verlassen dürfen wir uns darauf: in Jesus Christus hat Gott sich auch mit uns Heiden verbündet. Das feiern wir heute sichtbar in der Taufe von Florentina und Niko.

Corona verbietet es uns, so viel und so frei zu singen, wie wir das sonst gerne tun. Als Eingangslied singen wir Strophen aus dem Psalmlied «Nun danket Gott, erhebt und preiset» (RG 66 / EG 290), als Schlusslied «Amen, Lob, Preis und Herrlichkeit» nach einer Luther-Melodie (RG 351, im EG nicht vorhanden). Zwischen dem ausführlich eingeleiteten Predigttext und der Predigt als Bitte um den Geist ein Lied aus der amerikanischen Tradition – weil der eine Taufvater Amerikaner ist: Spirit Divine.

Folgende Taufansprache habe ich entworfen (Gotte und Götti sind die Dialektbezeichnungen für die Paten…):

Wenn ich jetzt dann gleich Florentina und Niko je etwas Wasser auf die Stirn träufle und dazu die Taufformel ausspreche, sieht das im besten Fall rührend aus, im schlimmsten etwas ungelenk. Ihr werdet Erinnerungsfotos machen und das damit festhalten können.

Doch nur mit dem Vertrauen Eures Herzens könnt Ihr erkennen, dass in der Taufe nicht bloss etwas Rührendes passiert, sondern etwas Grosses und überaus Starkes:

Florentina und Niko werden in den Bund mit Gott hineingenommen. Von jetzt an wird nichts und niemand mehr ihnen weismachen können, sie seien nicht geliebt, sie seien nicht gemeint, sie seien nicht geachtet.

Ihr als Eltern und Gotte und Götti werdet natürlich alles daransetzen, dass Eure Kinder immer und immer wieder hören, wie schön es ist, dass es sie gibt. Ihr werdet Ihnen hoffentlich vermitteln, dass sie ein grosses Geschenk sind, und Eure Phantasie wird Euch immer wieder auf neue Ideen bringen, wie Ihr Eure Kinder ermutigen, fördern, wertschätzen könnt.

Ihr könnt Eure Kinder aber nicht davor bewahren, dass sie auch anderes zu hören bekommen. Es kann sein, dass sie verspottet werden, dass sie ausgeschlossen sind von einem Kreis, dem sie gerne angehören würden. Es kann sein – und das erleben nicht wenige ja als besonders belastend – dass sie eine innere Stimme hören müssen, die ihnen vorwirft, sie seien und könnten nichts wenn ihnen – wie das uns allen ja passiert – ein Fehler unterläuft, wenn sie ein Ziel nicht erreichen, in einem Projekt scheitern.

Ich wünsche Ihnen, dass sie selbst sich in solchen Situationen sagen können, oder dass jemand es ihnen dann sagt:

Gott selbst hat sich mit Dir verbündet. Du stehst unter Gottes Schutz und Segen.

Gott war es, der Dich gewollt und geschaffen hat. Gott hat Dich nach seinem Bild entworfen und Du wirst so herauskommen, wie Gott selbst es sich in seiner Liebe vorstellt.

In Jesus geht Gott Dir voraus. Du musst Dir den Weg nicht selbst bahnen, die Spur ist gelegt, die Dich in ein erfülltes, vom Licht durchschienenes Leben führt. Jesus weicht auch dann nicht von Deiner Seite, wenn Du durch ein dunkles Tal musst – und am Ende wird er Dich durch die Nacht des Todes ins Licht des Lebens führen.

Gottes belebende Kraft ist um Dich und in Dir. Du wirst nicht nur mit dem auskommen müssen, was Du in Dir findest an Glauben, an Hoffnung und an Liebe. Du darfst darauf zählen und immer darum bitten, dass Dir so viel zufliesst, dass es für Dich und für viele reicht.

All das, was Gott Seinem Volk zugesagt hat, seine grossen Versprechen, seine Liebeserklärungen, seine befreienden Weisungen darfst Du auf Dich beziehen, für Dich in Anspruch nehmen. Du gehörst dazu.

Das ist das Grosse und Starke, was in der Taufe geschieht.
Bringt also Eure Kinder!

de_DEDeutsch