Römer 15,4-13

Römer 15,4-13

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


3.
Advent

12. Dezember 1999
Römer 15,4-13

Reinhard Weber


Vorbereitender Hinweis:

Die vorliegende Predigt ist sprachlich wie auch gedanklich
zugespitzt auf eine argumentative Entfaltung des Textes in seinen Hauptaspekten
und Hauptanliegen. Dabei ist sich der Autor darüber durchaus im Klaren,
daß man den Predigttext gewiß auch ganz anders aufnehmen und zur
Darstellung bringen kann, besonders in sprachlicher Hinsicht. Hier kann und
wird es je nach Predigtgemeinde gut sein, die im vorliegenden Text rhetorisch
stark durchgearbeitete und bisweilen durchaus anspruchsvoll formulierte
Darstellung des Themas entsprechend den jeweils gegebenen Verhältnissen zu
variieren und anzupassen.

Die vorliegende Predigt sollte daher auch ihrer Intention nach vor
allem als ein Fundus betrachtet werden, aus dem sich verschiedene Teilaspekte
insbesondere gedanklicher und strukturbildender Natur herausziehen und unter
veränderten homiletischen Auspizien mit anderer Zielrichtung und in
verwandelter Gestalt verwenden lassen.

Davon unbeeinträchtigt ist Vf. der Auffassung, daß der
Sache nach der Predigttext durch die im folgenden genannten vier
Gliederungspunkte (s.u.) angemessen erfaßt und vergegenwärtigt wird.
Von Wichtigkeit ist insbesondere die trinitätstheologische Entfaltung und
Grundlegung des den Text prägenden anthropologischen und ekklesiologischen
Gemeinschafts- und Anerkennungsgedankens und ihre situative Aktualisierung im
Blick auf die gegenwärtige adventliche und ökologische Problematik
einschließlich ihrer eschatologischen Bezüge, welche die Adventszeit
ja von den Predigttexten her durchgängig bestimmen. Daher führen die
Predigtgedanken mit innerer Logik auf die weihnachtliche Unterscheidung von
Gott und Mensch als präzise Bestimmung ihres Zusammen hin, um jenes im
Weltverhalten der Christen dergestalt akut werden zu lassen, daß es auch
ihre Weihnachtsfreude und Weihnachtsgestaltung konfiguriert und prägt.

Liebe Gemeinde!

Welches Thema hat unser Predigttext, was will er von uns, was
spricht er uns zu? Wovon redet er? Hat er überhaupt ein einheitliches
Thema? Was hören wir in den Worten des Apostels, und was hören wir
aus ihnen heraus? Können wir sein Wort, das Wort in den Wörtern noch
hören? Sind wir noch hörfähig, noch hörbereit in diesen
hektischen Tagen und Wochen? Redet dieser Text überhaupt noch zu uns?
Spricht er uns noch an? So kann man fragen, wenn man den Apostel heute am 3.
Advent so erstmal drüberhin gehört hat.

Wenn man genauer hinhört, dann scheint es, unser Text habe
vier verschiedene Lehren, Absichten, Aspekte, Hinweise, Aussagen für uns:

1.) Die Schrift, die Bibel also ist uns zur Lehre, zur Belehrung
geschrieben, aus welcher die Hoffnung auf dem Grunde des Trostes erwächst,
wenn sie von unserer Geduld begleitet ist, denn Gott ist ein Gott der Geduld
und des Trostes

2.) Aus diesem Sein Gottes ergibt sich die Forderung an die
Christen, untereinander einträchtig gesinnt zu sein, wie es ihrem Herrn
gemäß ist, auf daß Gott, der Vater, einmütig gelobt
werden kann

3.) Aus diesem einträchtigen Sinn folgt dann auch die
gegenseitige Annahme untereinander, die ihre Basis in dem Angenommensein durch
Christus hat, welcher auch und gerade dadurch der Maßstab ist für
ein solches Verhalten, daß er Heiden und Juden miteinander versöhnt
hat, indem er beiden zu Diensten gewesen ist

4.) Aus alledem ergibt sich, daß Gott als ein Gott der
Hoffnung angesprochen werden kann, der Freude und Frieden im Glauben bringt und
so die menschliche Hoffnung begründet und bereichert

So kurz gebündelt und kompakt zusammengefaßt der
inhaltliche Aufbau unseres Predigttextes, so seine Aussageabsicht.

Aber was fangen wir damit an, wie können wir diese für
manchen Zeitgenossen heute wohl recht unanschaulichen Aussagen für uns und
in unserer Situation verstehen?

Zunächst, mit der „Lehre“ sieht es heutigentags recht
beschwerlich und eher ungemütlich aus. Lehre und Lehrer stehen
allenthalben nicht hoch im Kurs, nicht nur bei den Schülern in der Schule.
Auch sonst wird häufig unbesehen auf sie eingeprügelt. Man findet,
und das ja wohl auch nicht ganz zu Unrecht, Lehre und Lehrersein habe etwas mit
Autorität zu tun. Und eben dies wird leicht mit autoritär
verwechselt. Und das wiederum hört man nicht gern, das mag man nicht, das
ist geradezu ein Schimpfwort. So wird vielfach das Kind mit dem Bade
ausgeschüttet. Man verweigert sich auch der ehrlichen, der
vorwärtsbringenden, der echten, der nicht nur sachbegründeten und
sachdienlichen, sondern vor allem der menschlich gereiften Autorität, weil
man sich generell nichts mehr sagen lassen will, kein Sensorium, kein
Gefühl mehr für menschliche Respektabilität aufbringt, weil sie
allzuoft gesellschaftlich ausgehöhlt worden ist. Autonomie ist das
große Schlagwort. Man möchte unabhängig und frei sein und dazu,
so meint man, müsse man alle Tradition abbrechen und gleichsam mit sich
selber anfangen. Man will ja nicht von gestern sein, kaum noch von heute,
sondern möglichst gleich von morgen. Diese Haltung ist ganz verbreitet. Es
veraltet ja alles so schnell. Man muß sich gleichsam selber ständig
im Katalog neu bestellen bis hin zum Face-, nein zum Body-Lifting.

Und genau damit hat es nun eine eigenartige Bewandtnis, die
irgendwie zwangsläufig zu sein scheint: dies öffnet nämlich den
Rattenfängern Tür und Tor, denen gerade die Aufsässigen, die
Rebellen gegen jede und alle Autorität oft besonders leicht verfallen und
auf den Leim gehen, weil sie nicht unterscheiden können, weil sie vor
Hyperkritik unkritisch werden. Wer alles kritisiert, kritisiert gar nichts! Er
wird kritiklos. Man muß sich in eine Tradition, eine Überlieferung
hineinstellen, um sie überschreiten und überwinden zu können.
Kritikfähigkeit muß nämlich erst mühsam erworben werden.
Man kann nur ein ernstzunehmender Kritiker dessen sein, was man kennt. Man
kennt aber nur das, worin man steht und was man gelernt hat. Darum bedarf es
der Lehre und der hinter ihr stehenden Autorität.

Der christliche Glaube steht also, das ist die erste Aussage des
Paulus in unserem Predigttext, mit Grund auf der Lehre, auf der Schrift, auf
der Überlieferung! Das ist das erste, was Paulus uns hier einschärft.
Und das ist kein Selbstzweck, keine Gralshüterei, kein unreflektierter
Konservativismus, nein, das ist ein gesundes Wissen um die Basis des
Menschlichen, das ist im ureigensten Interesse des Menschen: denn hier sprudeln
die Quellen der Kraft, hier ist das Fundament des christlichen
In-der-Welt-Seins, hier ist der Trost, aus dem die Kraft zu leben stammt.

Aber nun gilt auch dies und muß sogleich hinzugefügt
werdem: zum Studium, zur Annahme der Lehre, zur Erforschung der Schrift
gehört Geduld, viel Geduld und ein langer Atem. Von einer Stunde zur
andern ist das nicht zu machen. Hier gibt es kein Schnell-Schnell, kein
Ruckzuck oder Hauruck. Hier gibt es keine raschen, billigen Erfolge, hier kann
nicht herumgezappt werden wie an der Fernbedienung, hier ist keine unmittelbare
Bedürfnisbefriedigung zu finden. Hier müssen vielmehr dicke Bretter
gebohrt werden, manchmal jahrelang ohne sichtbares Ergebnis. Erst spät
bisweilen enthüllt sich manchmal der Sinn. Hier muß man Kondition
haben und sich auf andre Zeiträume einrichten, ein Marathon-Mann/-Frau
sein. Aber es lohnt sich. Was hier heraus kommt, trägt und wird nicht
wieder so leicht vergessen, das behält man, das hält einen. Geduld,
Trost, Hoffnung, die gehören zusammen. Das ist das Wachsen im Glauben, das
menschliche Reifwerden auf Gott hin, dieser unentbehrliche, auf keine andere
Weise als durch Lernen erreichbare Schatz. Das Lehrbuch hierzu ist das
geistliche Leben, das Buch des im Glauben gelebten Lebens, des durch die Bibel
erschlossenen und erhellten Lebens, die Lebenslehre der Heiligen Schrift.

Daraus aber kommt nun auch das zweite: die Eintracht
untereinander. Bei uns heute hat allerdings eher die Zwietracht oder die
Vieltracht Konjunktur. Man sieht es ja schon in den Fußballvereinen, die
doch manchmal „Eintracht“ heißen und Zwietracht leben. Man sieht es an
der ganzen Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet und eigentlich
kein gemeinsames Fundament mehr hat, sich auf keine bindenden Werte mehr
einigen kann, kein sachlich begründetes Ziel mehr hat, dem alle
nachstreben würden, die gar nicht mehr weiß, wo eigentlich die Reise
hingehen soll, obwohl doch zunehmend alle in einem Boot sitzen und auf Gedeih
und Verderb aneinander gebunden sind, nicht nur bei der Rente. Wozu sollen noch
Kinder gezeugt werden und leben, wenn sie allenfalls noch als Konsumenten
für Produkte in Frage kommen, die sie nicht „brauchen“? Sinn ist eine
knappe Resource geworden, das wissen heute selbst die Philosophen. Und sie
fragen demgemäß, was eigentlich heute die modernen Gesellschaften
innerlich noch zusammenhält, woraufhin sie sich verstehen können,
welche Zukunftsperspektive sie haben. Oder ob alles dabei ist,
auseinanderzufallen -nicht nur in der Mode oder den Höflichkeitsformen-
und in die Gestaltlosigkeit zurückzusinken, aus der sich unsere Kultur
einmal erhoben hat.

Und bei den Christen konnte ja schon damals zu des Apostels Zeiten
kaum von einerlei Sinn die Rede sein. Kirchen gibt und gab es wie Sand am Meer,
Glaubensüberzeugungen gar noch mehr. Manchmal scheint die Zahl der
„Sekten“ und Weltanschauungsgemeinschaften ins Unendliche zu gehen und jede
Orientierung zu verunmöglichen. Bisweilen wird das heute ja als Vielfalt,
Reichtum und bunte Mischung schöngeredet, auch gesellschaftlich, die
Multi-Kulti-Welt, Pluralismus, Dialog der Religionen. Vielleicht ganz gut
gemeint, aber wirklich gut?

Nur steht davon nichts in der Bibel, hier geht es um Einheit im
Glauben, einer einzigen gewißmachenden, verbindenden Überzeugung zu
sein, weil man einem einzigen Herrn dient. „Ein Glaube, eine Taufe, ein Gott.“

Heute jedoch wird meist Einheit mit Einerleiheit verwechselt. Das
ist aber nichts dasselbe. Der Glaube und seine Weltgestalt ist kein graues
Einerlei, er ist kein monolithischer Block, kein religiöser
Totalitarismus, aber er ist Einigkeit in sich. Die Einheit des in sich selbst
Unterschiedenen! Bei den Christen und ihrer Lebensgestalt soll es sein wie bei
Gott selbst. Die Gottheit des christlichen Gottes ist das Vorbild des Seins der
Christen, sie ist eine in sich unterschiedene Einheit, drei in eins, eins in
drei – Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit: Gott-Vater, Gott-Sohn, Gott-Geist. Drei
Personen, aber ein Wesen, drei Seinsweisen, aber eine Substanz, drei Gesichter,
aber ein Gott. Diese Einheit lebt als Trinität, diese Trinität als
Einheit. In ihr durchdringen sich die drei Seinsweisen gegenseitig, sie stehen
in Relation zueinander, sie ergänzen und unterscheiden sich in ihren
Werken nach außen, sie haben ihre unterschiedlichen Eigenschaften, sie
kommen aber in eins zusammen in ihren Handlungen nach innen, sie wachsen aus
einem Kern und beziehen sich gemeinsam auf ihn zurück. Ja sie bilden
diesen einheitlichen Kern in und durch ihre Gemeinschaft. Es ist ein Geschehen,
ein Prozeß, in welchem sie sich als in sich unterschiedene Einheit wie
Bogen und Violine, die erst zusammen in Bewegung den Ton ergeben,
zusammenschließen und gegenseitig ihr Wesen geben und zusprechen. Sie
bringen sich durch ihre Unterschiedenheit als Einheit hervor, und ihr
Unterschied gegeneinander lebt aus ihrer vorgängigen Einheit und
Bezogenheit. So empfangen sie sich gegenseitig voneinander in je ihrer
Unterschiedlichkeit und machen sich zu dem, was sie sind. Das ist ein
lebendiges Geschehen, das ist das Leben überhaupt, das ist der
göttliche Lebenslauf, das ist Geist. Das hört sich vielleicht alles
sehr abstrakt und kompliziert an, aber es ist das Leben selber, welches sich in
seiner Tiefe darin agiert und zur Darstellung bringt. Dem muß man
nachdenken und nachleben, um es zu verstehen. Billiger ist es nicht zu haben.

So soll es auch bei den Christen sein, sie sollen sich als
Unterschiedene voneinander und durcheinander empfangen und darin ihre Einheit
darstellen, indem sie sich auf einen gemeinsamen Nenner zurückbeziehen und
ihn zugleich hervor- und zum Ausdruck bringen, um so und darin Gott zu loben.
Das können sie von Christus lernen, der allen alles geworden ist, ohne
sich zu verlieren und als solcher unkenntlich zu werden. Er ist das Haupt,
welches all die verschiedenen Glieder zusammenfaßt und steuert, das in
allen wirksam werden will. Keine nivellierende Vermischung, kein buntes
pluralistisches Durcheinander, sondern eine Einheit der Bewegung auf ihn als
das organisierende Zentrum hin. Von ihm her soll das Ganze seine Struktur
bekommen und als Ganzes erkennbar werden. Das erst ist Kultur! Und Kultur ist
Gestaltung des chaotischen Lebensrausches, ist Erhebung des Chaos zur Gestalt.
Da müssen wir wieder ganz neu lernen, was das heißt für uns
heute.

Und das dritte nun ist die logische Folge aus dem zweiten: als
Angenommene einander annehmen! Dem anderen ein Ja signalisieren, nicht von
vornherein ein Nein. Die natürliche Sympathie oder Antipathie beiseite
stellen. Die natürliche Daseinsweise, die so funktioniert,
überschreiten. Nicht nach dem Augenschein urteilen, nicht gleich dicht
machen, Klappe runter. Ein zweites mal hinschauen und sich am Verhalten Jesu
orientieren. Deshalb keine falschen Trennungen machen, wie damals zwischen
Juden und Heiden. Keine künstlichen Hierarchien aufbauen, keine ewigen
Differenzen zulassen, niemanden grundsätzlich ausgrenzen, nicht rassisch,
nicht sozial, nicht religiös. Anerkennung heißt das Zauberwort des
Apostels. Und darin bezieht er sich auf Jesus zurück: Jesus hat die
Menschen, mit denen er zu tun bekam, grundsätzlich anerkannt und auf
dieser Basis um sie geworben. Das bedeutet keinen Selbstverlust und keine
falsche Anpassung, keine Kriecherei. Deutlichkeit und scharfe Einsicht gehen
dabei nicht verloren. Es kann durchaus zu scharfen Unterscheidungen kommen, so
wie bei Jesus gegenüber dem reichen Jüngling oder gegenüber den
Pharisäern, aber die sind nicht prinzipiell vorgegeben. Die Menschen
wollen anerkannt werden, als Menschen grundsätzlich bejaht werden. Das
wird möglich, wo man auf das Vorbild Jesu blickt und ihm nachfolgt. Er hat
auch und sogar seine Gegner in den Heilsbereich hineinziehen wollen und
niemanden von vornherein verloren gegeben. Die gesuchte Einheit kann also nicht
durch menschliche Vorgaben und Bedingungen, sie kann nur durch das Einstimmen
in das gemeinsame Gotteslob erreicht werden und Gestalt bekommen. Sie ist eine
Zielvorstellung. Damit gilt es ernst zu machen.

Und damit sind wir beim vierten und letzten Punkt: dieser zu
lobende Gott ist ein Gott der Hoffnung! Heute haben viele die Hoffnung schon
aufgegeben. Ohne Hoffnung geht der Erde der Atem aus. Das ist wortwörtlich
zu nehmen. Die Luft wird knapp. Der Kapitalismus und Materialismus, so wie sie
sich heute darstellen, werden bald am Ende sein, sie lassen das Ende
heranreifen. Die Macher in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kirche heute
haben die Hoffnung, wie es scheint, schon längst aufgegeben. Das ist der
Eindruck, wenn man sie immer so weitermachen sieht wie bisher. Sie sind geheime
oder offene Zyniker. Das hat in einer Talkshow im Fernsehen kürzlich sogar
ein Politiker gesagt, den man gar nicht verstanden hat oder verstehen wollte.
Sie sind faktisch wie die Lemminge, wie die Menschen vor der Sintflut – „nach
uns die Sintflut“. Es ist doch nichts mehr zu machen, suggerieren sie. Sie
denken nicht schöpfungsgemäß. Reines Profitdenken ist kein
Schöpfungsdenken. Heute Hoffnung haben heißt, dagegen leben. An die
Kinder denken. An die Weitergabe des Lebens. Den Gott der Hoffnung glauben
heißt, in Frieden mit der Erde leben und in Unfrieden mit ihren
Vernichtern. Erst dann, wenn dieser Friede hergestellt ist, kann das Leben auch
wieder voll Freude sein. Die Ausbeuter genießen ja keine wirkliche
Freude. Man sieht es an ihren Gesichtern. Freude kann man nur in der Seele
empfinden. Dazu aber muß man von sich selbst leer und Gottes voll sein.
Wenn man von Geld und den Dingen dieser Welt abgefüllt ist, ergibt sich
keine Freiheit zur Freude. Die Freude nämlich liegt in der gelungenen
Selbstbegrenzung, in der Wahrnehmung der Endlichkeit und ihrer aufstrahlenden
Schönheit. Die Unendlichkeit aber gehört Gott allein. Wer selber
unendlich sein will, und sei es durch unendliches Vernutzen von Materie,
daß er also alles Begegnende in sich hineinfressen muß, was ja auch
in der virtuellen Weise permanenten Fixierens des Kontostandes getätigt
werden kann, der wird immer leerer. Er neidet dem nichtneidischen Gott dessen
Unendlichkeit und verliert dadurch seine eigene Endlichkeit, ohne jene zu
gewinnen. Die Hoffnung auf den Gott der Hoffnung ist darum die Hoffnung auf den
Gott, der uns durch sich selbst begrenzt und so und nur so an seiner
Unendlichkeit anteilnehmen läßt. Das schenkt friedliche Freude.

Und darum ist das nun in der Tat ein adventliches Beginnen, sich
selbst vor Gott und für den Nächsten einzuschränken – Freiheit
zu geben für das endliche Leben, das seine Unendlichkeit sich nicht kaufen
kann, auch zu Weihnachten nicht und in keinem Warentempel. Weihnachten will der
unendliche Gott als ein endliches Kind erwartet und erhofft werden. Er allein
und so allein ist unsere Unendlichkeit, nicht die Geschenke unter dem Baum. Wo
das von einem Menschen erkannt wird, worum es hier geht, da wird, nein da ist
er reich und adventlich gestimmt. Solchen Reichtum sollen und dürfen wir
uns neidlos wünschen.

Amen!

Priv.-Doz. Pfr. Dr. Reinhard Weber
Blaue-Kuppe-Str. 37

37287 Wehretal
Tel./Fax.: 05651/40225


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