Römer 5, 1-5

Römer 5, 1-5

Liebe Gemeinde,

kaum einen schöneren Text hätte ich mir wünschen können,
um in einer Kirche die nach dem Apostel Paulus benannt ist, zu predigen.
Denn der Predigttext enthält in konzentrierter Form reinste paulinische
Theologie. Er steht in Römer 5, umfasst die Verse 1-5 und lautet:

Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden
mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn haben wir auch im Glauben den Zugang zu dieser Gnade in
der wir stehen. Und wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen
Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale,
weil wir wissen
dass Trübsal Geduld bringt.
Geduld aber Bewährung
Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden.
Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist
der uns gegeben ist.

Ein Dreifaches möchte ich Ihnen heute zu diesem Text sagen:
Zuerst: Wir haben Frieden mit Gott
Und dann: Wir wissen um den Sinn des Leides!
und zuletzt: Gottes Liebe lebt in unserem Herzen.

Teil I
Ich beginne mit dem ersten: Wir haben Frieden mit Gott! Was für ein atemberaubender
Satz. Können wir ihn verstehen? Ich denke, es fällt uns deshalb schwer
diesen Satz wirklich wahrzunehmen, weil wir uns zu selten seines Gegenteils
bewusst sind. Das Gegenteil zu diesem Satz lautet: Der Mensch lebt mit Gott
im Krieg! Das ist ein hartes Wort, aber ich will versuchen es zu verdeutlichen.
Der Gegenstand um den Gott und Mensch kämpfen – das ist das menschliche
Ich. Gott ist unser Schöpfer und eigentlicher Herr, aber der Mensch schwingt
sich auf, sein eigener und alleiniger Beherrscher zu sein. In diesem Konflikt
um das Ich, um die menschliche Seele, werden sehr wohl Schlachten geschlagen,
Gefechte geführt, da wird in einem inneren Krieg um Herrschaft gekämpft.
Mir liegt diese militante Sprache eigentlich nicht, aber sie verdeutlicht,
wie tief der Riss ist, der Gott und Mensch ursprünglich trennt, seit die
Sünde in die Welt gekommen ist. Gott muss leiden unter verlorenen Kämpfen
gegen seine Menschheit! Und der Mensch, in Verblendung, sich seines Gegenübers
im Kampf ums eigene Ich schon nicht mehr bewusst, der Mensch strebt nur noch
blind weiter nach mehr Macht, nach mehr Herrschaft. Er achtet weder auf den
an ihm leidenden Gott, noch auf die an ihm leidenden Mitmenschen.
Und dahinein sagt uns Paulus: „Nun haben wir aber Frieden mit Gott“!
Ist das Ungeheuerliche des Satzes jetzt etwas verständlicher ? Paulus
sagt: “ Der Krieg ist aus, wer glaubt der erkennt: Ich brauche keine Schlachten
mehr gegen meinen Gott zu führen.“
Der Krieg ist aus – wir Jungen haben vielleicht Schwierigkeiten einen solchen
Satz zu ermessen. Aber ich erinnere mich an Gespräche mit meinem Vater,
gute und offene Gespräche, abends als wir bei einem Glas Wein zusammensaßen,
Gespräche in denen er mir zu beschreiben versuchte, wie das damals war, als
er 1950 nach 6 Jahren Krieg und 5 Jahren russischer Gefangenschaft zurückkehrte.
Wie das war, als er nach 11 Jahren, die ihm genau die Lebenszeit zwischen 20
und 30 geraubt hatten, als er nach diesen 11 Jahren in Ulm aus dem Zug kletterte
und wusste: „Der Krieg ist aus.“
Dieses Gefühl ist von uns Nachgeborenen nicht zu ermessen, noch heute
40 Jahre später kann mein Vater darüber nicht ohne tiefste Erregung
sprechen.
So umgetrieben und bewegt bis ins Innerste ist Paulus gewesen, als er an
Christus erkannte: Wir haben endlich, endlich Frieden mit Gott. So umgetrieben
ist Martin Luther gewesen, als er nach jahrelangem ängstlichen Ringen mit einem gerechten,
fordernden Gott erkannt: Gott ist ein gnädiger Gott, kein böser Herrscher,
einer der seinen Frieden mit uns Menschen gemacht hat.
Können wir das heute verstehen und annehmen ? Wenn Paulus von der „iustificatio
impiorum“ – von der „Rechtfertigung des Sünders“ redet – und er tut das
unzählige Male, dann heißt das für uns heute:
„Gott denkt uns Frieden zu, volles Heil. Uns Misstrauische, die wir im Grunde
keinem Anderen und nicht einmal uns selbst über den Weg trauen können,
– uns Misstrauische ermächtigt Gott zum Vertrauen, zum Vertrauen darauf,
dass er, die letzte Instanz, Gott, der alleine wirklich das sagen hat, es gut
mit uns meint.“ Gott hat eine Stimme und ein Ohr, er lässt sich hören
und er kann uns hören. Gott ist nicht für sich, weit weg, ganz oben,
gleichgültig gegenüber den Kriegen, die wir gegen ihn anzetteln und
damit gleichgültig gegen unser selbstgeschaffenes Elend, Gott ist kein unzugängliches
Licht über unserer Finsternis, nein! – er ist herabkommender Friede, Friede
für uns, für unsere Seele und unsere Gedanken. Kein Friede den wir
erarbeiten mussten, kein Friede für den wir zu bezahlen hätten, so
wie der Unterlegene im Krieg bezahlen muss, kein Friede der uns erst zugeeignet
wird, wenn eine entsprechende Gegenleistung auf dem Tisch liegt. Nein Martin
Luther hat es in einem Brief an einem Freund ganz anders beschrieben:“ Man
kennt die Gerechtigkeit Gottes eben nicht, die uns in Christus so reichlich und
umsonst geschenkt ist, wenn man trachtet, von sich selbst aus so lange Gutes
zu tun, bis man meint mit Leistungen und Verdiensten geschmückt, vor Gott
zu bestehen. Das kann ja unmöglich gelingen.“ Gottes Friede ist ein
Geschenk an uns, etwas das wir mit offenen Händen nehmen dürfen. Dieser
Friede ist am Kreuz von Golgatha gestiftet worden und dieser Friede wird dann
vollendet sein, wenn wir in Gottes Reich kommen.

Teil II Wir wissen um den Sinn des Leides .
Wir würden hier wohl am liebsten abbrechen, erfüllt von der höchsten
Freude die Menschen auf dieser Erde zuteil werden kann, nämlich erfüllt
von der Erkenntnis, dass am Kreuz von Golgatha Gottes Friede unsere Gottesferne überwunden
hat. Doch die Schrift lässt uns an dieser Stelle nicht los. „Nicht
aber das alleine“ heißt es jetzt. Noch ist nicht alles gesagt. Wir
fragen zurück: „Was bleibt denn da noch zu sagen ?“ Und die
Schrift antwortet uns: Es ist noch ein Wort von dir zu sagen, ein Wort von
deinem Leben unter dem Kreuz, ein Wort davon wie Gott dein Leben in seinem
Frieden erproben will, damit der Friede nicht nur ein Begriff sei, sondern
eine Wirklichkeit werde. Ob wir den Frieden Gottes tatsächlich gefunden
haben, das wird sich daran erproben, wie wir in dem Bedrängenden das uns
so oder so treffen kann fest stehen. Es gibt viele Christen, die beugen zwar
ihr Knie vor dem Kreuz Jesu, aber gegen jede Trübsal im eigenen Leben
setzen sie sich zur Wehr. Wer Leiden und Trübsale in seinem Lebens nur
als etwas Feindliches und Bösartiges ansehen kann, der muss sich fragen
lassen, ob er nicht erfahren hat, dass Gottes Friede ein Friede ist, der durch
das Leid hindurchträgt. Ja Paulus geht sogar noch weiter und schreibt: „Wir
rühmen uns aber der Trübsale“ und ich denke, es stockt uns beim
Nachsprechen dieses Satzes schon der Atem. Und doch steckt darin eine tiefe
Wahrheit. Wir haben in diesen Tagen erfahren, was unbewältigte Trübsal
aus Menschen macht. Ein Vater, der beim Flugzeugunglück über Überlingen
vor 2 Jahren seine Frau und beide Kinder verlor, hat den Fluglotsen der Firma
Skyguide erstochen, der an diesem Abend für die Flugüberwachung zuständig
war. Auch dieser Mann war Familienvater. Wie ein Polizeipsychologe sagte, war
wohl das unbewältigte Leid des russischen Vaters der Ausgangspunkt für
diese Tat. Wir können es vielleicht nachempfinden was es bedeutet, in
solchen Trübsalen zu stecken, wie jener russische Vater. Was soll da noch
positives herauskommen, was ist da noch zum rühmen da? Auf der anderen
Seite sehen wir nun, was erwächst, wenn man keinen letzen Frieden mehr
findet, einen Frieden der durch das leid hindurch trägt.
Paulus will uns solchen Frieden zusprechen. Mitten in der Not und Bedrängnis
schenkt uns der Friede Gottes Tugenden, die uns helfen das Leben zu meistern.
Gottes Friede schenkt uns im Leid Geduld, Erfahrung und Hoffnung.
Leiden, das ist ja oft so, als würde man in einem dunklen Schacht sitzen.
Aber dieser Schacht, so denkt Paulus, der birgt Schätze. Wenn man nachgräbt,
wird man eines ums andere finden. Zuerst Erz, wenn man tiefer kommt Silber
und zuletzt sogar Gold.
Zuerst Erz, das ist für Paulus die Geduld: Das griechische Wort an dieser
Stelle heißt wörtlich übersetzt: „darunter bleiben“,
also eine Last nicht abwerfen, sondern tragen. Darunter bleiben, das heißt,
wenn Gott uns eine Last auflegt, dann lasst uns auch geduldig den Rücken
hinab beugen. Darunter bleiben, das heißt, Gott gibt uns die Kraft dazu,
dass wir mit der Last fest stehen, und stark bleiben, nicht zusammenknicken.
Das bedeutet Geduld.
Aus der Geduld erwächst Bewährung. Bewährung, das ist soviel
wie Echtheit. Wer schon einmal eine Not durchgestanden hat, der wird fest,
dessen Glaube hat eine größere Tiefe und Echtheit gewonnen. Mit
Friedrich Hölderlin kann er getrost sagen: „Nah ist und schwer zu
fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Diese
Echtheit und Bewährtheit erlangt nur der Geduldige, der Ungeduldige bleibt
auch ohne tiefe Lebenserfahrung.
Wer dieses „Bestanden-haben-in-der-Not“ sein eigen nennt, der weiß wie
große Hoffnung daraus erwächst. Denn er hat erfahren, dass jede
Mitte der Nacht der Anfang eines neuen Tages ist, er hat erfahren, dass den
dunklen Wolken im Leben Sonnenschein folgte. Deshalb hat er Hoffnung. Wer erfahren
hat, wie Gottes Friede zuletzt auch Hoffnung in der Not schenkt, der hat Kraft
und Mut, trotz aller Angst. Helmut Gollwitzer hat von dieser Hoffnung einmal
gesagt: „Diese Hoffnung legt uns nicht herein. In alle Ewigkeit wird es
keinen Augenblick geben, wo sie wiederlegt oder durchgestrichen würde
durch eine schlimmere enttäuschende Wirklichkeit.“
Dies alles ist der Sinn hinter dem Bedrängenden: Dass wir uns durch Gottes
Friede mit Geduld, mit Bewährung und mit Hoffnung beschenken lassen und
somit reicher werden für das weitere Leben.

Teil III
Kurz komme ich noch zum Letzten, zur Liebe Gottes die durch den Heiligen
Geist in unseren Herzen lebt. Es ist ja Liebe, die uns befähigt, geduldig zu
sein, Echtheit und Bewährung zu entwickeln, Liebe die uns befähigt,
Hoffnung zu haben. Und diese Liebe ist wie eine Macht, die uns ergreift. Eine
Macht, die von Gott herkommt und in welcher der Friede zwischen Gott und Mensch
wurzelt.
Gott liebt uns und zwar besonders innig dann, wenn ein Leid auf unseren Lebensweg
gestellt ist.
Er trägt uns, besonders dann, wenn wir etwas zu tragen haben.
Er bleibt uns treu, besonders dann, wenn unsere Geduld strapaziert wird.
Und daraus gewinnen wir die Kraft, mitten in dieser Welt im Umgang mit unseren
Mitmenschen etwas vom Gottesfrieden sichtbar zu machen. „Die Kraft für
die Liebe, die uns als Glaubende auszeichnen sollte, können wir ja nicht
aus unserem Pflichtgefühl und unserem schlechten Gewissen beziehen, sondern
alleine von Gottes Geist empfangen.“ Aber dann können wir lieben,
weil wir geliebt sind. Wir werden fähig dazu, in die kleinen Dinge des
Alltages etwas ganz wichtiges hineinzulegen: Den Frieden mit Gott den wir ganz
tief drinnen empfinden!

Drei Schritte sind wir miteinander gegangen: Ausgangspunkt war: Wir
haben Frieden mit Gott. Station auf dem Wege war die Erkenntnis: Dieser
Friede ist stärker als die Trübsal, ja er beschenkt uns im
Leiden. Endpunkt war die Gewissheit, dass wir lieben können, weil
Gottes Liebe in unserem Herzen lebt. AMEN
WIR SINGEN: „In dir ist Freude“

Pfarrer Thomas Oesterle
Schorndorf
ev.pauluski.ost.schorndorf@t-online.de

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