So schmeckt Zukunft

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So schmeckt Zukunft

Predigt zu 2 Mose 12,1-14 | verfasst von Pfarrerin Marion Werner |

 

Gnade sei mit euch und Frieden von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

 

Liebe Gemeinde,

Es ist der Abend vor dem Aufbruch. Der Wind weht leicht vom Nil her. Es ist angenehm warm. Die untergehende Sonne färbt alles in goldgelbe Farben ein. In den Strassen Totenstille. Man kann die Furcht in der Luft fast riechen. Furcht vor dem was da noch kommen soll. Furcht, vor dem unsichtbaren Feind, Jahwe, dem Gott Israels. Bereits neun Plagen hatte er über die Ägypter geschickt und sie gebeutelt. Was sollte da noch kommen? Und wie furchtbar wird es sein?

Furcht auch im Lager der Israeliten. Da war ein unsichtbarer Gott, der für sie kämpfte. Er hatte sich unglaublich mächtig erwiesen. Er wollte sie in die Zukunft führen. Doch wie sollte das gehen? Und wohin wollte er sie führen? Zu sehen war weit und breit nur Sand.

Die Bibel erzählt, wie es war, in der Nacht, als sie bereit waren für den Aufbruch:
Predigttext aus Exodus 12

1 Der HERR aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: 2 Dieser Monat soll bei euch der erste Monat sein, und von ihm an sollt ihr die Monate des Jahres zählen. 3 Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. 4 Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er’s mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können. 5 Ihr sollt aber ein solches Lamm nehmen, an dem kein Fehler ist, ein männliches Tier, ein Jahr alt. Von den Schafen und Ziegen sollt ihr’s nehmen 6 und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Versammlung der Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. 7 Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und den Türsturz damit bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen, 8 und sollen das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuertes Brot dazu und sollen es mit bitteren Kräutern essen. 9 Ihr sollt es weder roh essen noch mit Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten mit Kopf, Schenkeln und inneren Teilen. 10 Und ihr sollt nichts davon übrig lassen bis zum Morgen; wenn aber etwas übrig bleibt bis zum Morgen, sollt ihr’s mit Feuer verbrennen. 11 So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es in Eile essen; es ist des HERRN Passa. 12 Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter. Ich bin der HERR. 13 Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage. 14 Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.

So erzählt die Bibel, entstand die «ewige Ordnung», die Tradition des Pessachfestes. Mose hatte den in Ägypten versklavten Israeliten das Versprechen Gottes weitergegeben: «Gott will euch befreien. Er wird euch in eine gute Zukunft führen. Er wird euch den Weg zeigen und ein neues Leben eröffnen». Bevor sie losgingen, sollten sie nochmals gut essen und trinken. Lamm schlachten und braten. Dazu ungesäuerte Brote. Und das Blut an den Türpfosten sollte sie vor dem Todesengel schützen, der in jener Nacht aus jeder ägyptischen Familie den Erstgeborenen holte.

Es ist eine uralte und archaische Geschichte. Für uns nicht in allen Teilen nachvollziehbar. Aber jedes Jahr erinnern sich die Juden am Passahfest mit Lammbraten daran: Gott hat uns befreit. Gott steht an unserer Seite. Gott führt uns in eine gute Zukunft. Und jeder, der dabei ist und mitisst kann erleben: So schmeckt es, wenn Gott uns begleitet. So schmeckt es, wenn man noch einen weiten Weg vor sich hat, wenn noch lange nicht klar ist, wie es wird. So schmeckt es, wenn man mit Gott in die Zukunft geht.

Mir gefällt dieser Gedanke sehr. Unser Leben ist immer auch bedrohtes Leben. Das war früher so, das erleben wir heute mit der Corona Krise ganz besonders, und es wird auch in Zukunft so sein. Feste und Traditionen, die uns daran erinnern, dass es auch eine andere Realität und Hoffnung gibt, sind wichtig für unser Leben. Indem wir die Feste feiern, werden wir Teil der Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Und weil Gott der Gleiche ist gestern und heute und auch in Zukunft, vergewissern wir uns beim Feiern seiner Gegenwart, seiner Hilfe und seines Beistandes – gegen alle Erfahrungen der Realität. Das tröstet, stärkt, orientiert, inspiriert und beflügelt.

Je älter ich werde, desto mehr schätze ich unsere christlichen Traditionen. Tradition kommt vom lateinischen Wort «tradere» also «hinüber-gehen» oder «tradito», das heisst «Übergabe, Überlieferung». Indem wir unsere christlichen Traditionen feiern und begehen, geben wir unser Wissen, unsere Werte und tiefsten Überzeugungen an andere Generationen weiter. An unsere Kinder und Enkelkinder.

Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern. Jeder Tag hat seine Botschaft und Bedeutung für unser Leben. Und es ist wichtig und es tut uns gut diese Tage zu feiern und vielleicht dabei, wenigstens für eine Zeit die Realität da draussen vergessen, damit wir kurz durchatmen und Kraft schöpfen können. Damit wir spüren und erleben und schmecken, dass es mehr gibt als Sorgen und Angst vor dem Virus und seinen Folgen. Es gibt eine Hoffnung. Es gibt einen Gott, der vor uns Menschen in die Zukunft geführt hat und es heute auch mit uns tut. Deshalb, wenn wir dieses Jahr auch in sozialer Distanz feiern müssen, so lasst uns die Speisen essen, die uns sonst in der Karwoche und zu Ostern begleiten. Und wenn wir essen und trinken, so wollen wir darin Hoffnung schmecken und Zuversicht. Gott begleitet uns. Er führt uns in die Zukunft und gestalten mit uns die Zukunft. Und er ist es auch, der unsere Toten sanft empfängt, die diese Zukunft nicht mehr erleben werden.

Jesus hat auch Feste gefeiert und Traditionen eingehalten. Am Gründonnerstag hat er das Passahfest gefeiert und es für uns umgedeutet. Nicht in gebratenem Lammfleisch, sondern in Brot und Wein sollen wir Christen Zeichen von Gottes Nähe und Liebe für uns sehen. Zeichen der Vergewisserung, dass Gott uns begleitet, dass er mit uns in die Zukunft geht. Durch das Abendmahl hat Jesus uns hineingenommen in die Geschichte Gottes mit seinem Volk, zu dem wir nun auch gehören. Wir Christen teilen Brot und Wein miteinander und vergewissern uns: Gott ist bei uns. Er ist mit uns auf dem Weg.

Dieses Jahr ist es wegen des Corona-Notstandes anders als sonst. Wir treffen uns am Gründonnerstag nicht in der Kirche, sondern sind allein oder in der Familie. Wir haben Sie und Euch alle bereits eingeladen, für heute Abend Traubensaft oder Wein und Brot vorzubereiten und wir werden heute Abend gemeinsam eine virtuelle Liturgie feiern. Und wenn wir das Brot essen und den Traubensagt trinken, so wollen wir Gottes Nähe und Hoffnung schmecken. So wollen wir die Zukunft schmecken, in der wir uns als Gemeinschaft wieder real sehen und sprechen und umarmen können. Wir wollen heute schon die Vorfreude darauf spüren.

Sehet und schmecket wie freundlich Gott ist!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herze und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn.

Amen

 

 

Dr. Marion Werner

Pfarrerin

pfarrerin@luther-zuerich.ch

Turnerstrasse 45, 8006 Zürich

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