Taufpredigt

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Taufpredigt

Liebe Gemeinde!

„Willst Du Dich taufen lassen?“ So frage ich ein junges Mädchen,
das zur Konfirmandengruppe gehört. Sie ist nicht getauft, ihre Eltern
gehören nicht zur Kirche. Eine Freundin hat sie mitgebracht und
sie macht eifrig im Konfirmandenunterricht mit. „Ich soll mich taufen
lassen? Nein, das ist mir zu unheimlich!“, antwortet sie. Ich bin überrascht!
Die Taufe – etwas unheimliches? Wir erleben im Gottesdienst fröhliche
Kinder und festlich gestimmte Familien, wenn sie ihr Kind taufen lassen.
Wir als Gemeinde freuen uns mit ihnen, über die Bewahrung in der
kritischen Zeit der Geburt, über das Geschenk eines Kindes, über
den Entschluß, Gott um seinen Beistand zu bitten und dieses Kind
in der Taufe mit ihm zu verbinden. Taufe – etwas unheimliches?

Die Taufe erfreut sich weiterhin großer Beliebheit. 93% aller
evangelischen Christen würden ihr Kind taufen lassen, wenn sie dies
entscheiden müßten. Zugleich müssen wir feststellen,
daß der Anteil der Bevölkerung hierzulande, der nicht getauft
ist, wächst. Gerade die Menschen zwischen 28 und 40 Jahre fühlen
sich fremd in der Kirche und treten zunehmend bei Gelegenheit aus. Die
Taufe ist ihnen nicht mehr wichtig, ihre Kinder lassen sie nicht taufen.

Wir sind gefragt!
Was bedeutet die Taufe?
Was zeigt sie?
Warum laden wir andere ein, sich taufen zu lassen?
Diese Fragen stelle ich mir ebenso selbst: Was bedeutet mir meine Taufe?
Warum ist sie mir so wichtig, daß ich andere frage, ob sie sich
taufen lassen wollen?

Das Wort für die Predigt heute ist uns vertraut. Wir hören
es, wenn ein Kind getauft wird, wir rufen es uns ins Gedächtnis. „Gehet
und machet zu Jüngern alle Welt, tauft sie und lehret sie alles
halten, was ich euch geboten habe.“
Mit diesem Wort Jesu endet das Matthäus-Evangelium. Es ragt heraus
aus den Wortsammlungen und Reden Jesu bei Matthäus. Es ist Jesu
letztes Wort. Sein letztes Wort an die Jünger, an die Welt. Letzte
Worte können nicht mehr geändert werden, sie verlangen höchste
Aufmerksamkeit. Letzte Worte verlassen den Alltag mit seinen alltäglichen
Fragen und vorläufigen Antworten. Sie erheben sich aus der Ebene,
lassen zurückblicken, verschaffen Überblick, geben Ausblick.
Jesus spricht diese letzten Worte auf einem Berg in Galiläa. Dort
hat alles begonnen, dort verabredet er sich mit seine Jüngern.
Auf einen Berg hat ihn der Teufel geführt und ihm alle Reiche der
Welt gezeigt. Er sollte ihn anbeten, dann würde ihm der Teufel alles
zu Füssen legen. Nun steht Jesus auf dem Berg und die Jünger
fallen ihm zu Füßen und er proklamiert: „Mir ist gegeben
alle Gewalt im Himmel und auf Erden! Niemand anderem!“
Auf einem Berg in Galiläa hielt Jesus seine große Rede mit
den Seligpreisungen, dem Gebot von der Nächstenliebe, den neuen
Geboten: „Ihr habt gehört, daß geschrieben ist, ich aber
sage euch…!“ Hier nun erteilt er den Jüngern den Auftrag,
diese Lehre weiterzugeben: alles, was er gesagt hat an alle Völker.
Und auf dem Berg öffnete sich der Himmel und das Licht Gottes legte
seinen Glanz auf Jesu Angesicht. „Das ist mein lieber Sohn“,
so sprach Gott. Der Auferstandene steht nun hier. Er läßt
alle Anfechtung, alle Erniedrigung, allen Zwiespalt hinter sich. Er zeigt
sich im Glanz Gottes. Er beansprucht die ganze Welt. Seine Worte machen
dies deutlich:

Alle Gewalt ist mit gegeben im Himmel und auf Erden.
Alle Völker sollen zu Jüngern werden.
Alles, was ich gesagt habe, lehrt und gebt weiter.
Alle Tage bin ich bei euch bis an der Welt Ende.“

Ein großes Programm, das den Jüngern hier präsentiert
wird.
Sind sie dem gewachsen? 11 sind übrig geblieben, Judas nahm sich
das Leben, entsetzt über sein eigenes Tun. Sie werden wohl viele
Fragen haben. Wie es denn mit dieser Auferstehung zugegangen sei? Was
soll nun werden?
Als Jesus ihnnen entgegentritt, fallen sie nieder und beten ihn an. Einige
aber zweifelten. Es bleibt ein Zweifel. Es überzeugt nicht den Letzten.
Matthäus bleibt realistisch, wenn es um die Jünger geht.

Jesus faßt seinen Auftrag zusammen. Taufen sollen die Jünger,
taufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Was
aber ist das – Taufen? Was zeigt diese Handlung? Was bedeutet die Taufe
im Auftrag und Namen Jesu?

Ich habe ein Bild vor Augen:
Ein Mann kniet im Wasser. Er hat den Kopf gesenkt. Er verbirgt sein Gesicht.
Es sieht aus, als ob er sich verneigt, Es sieht aus, als ob er sich
schützen will vor dem Wasser, das ihn umgibt, das über ihn
hinweg geht.
Der Mann ist in eine andere Welt eingetaucht, in eine Welt, in der er
nicht leben kann.
Neben ihm steht ein anderer Mann. Er greift ins Wasser. Er hält
die Hand des Untergetauchten. Er läßt ihn nicht los. Er schafft
die Brücke zum Leben für den Untergetauchten. Er gibt Sicherheit.
Er zieht den Untergetauchten empor.
Die Taufe zeigt uns, daß wir mit einer Welt des Todes konfrontiert
sind. Wir vermögen nicht, diese Welt auszulöschen, ihr die
Macht zu nehmen. Wir erleben vielmehr, daß uns diese Welt oft genug
im Griff hat, Falsches, Trennendes, Schuldhaftes, Tödliches hat
uns im Griff. Wer sich taufen läßt, erkennt, daß er
es mit dieser Welt zu tun hat, daß er mit ihr nicht allein fertig
wird, daß er Hilfe braucht. Und dieses zu spüren, ist schon
unheimlich, da hat das Mädchen recht, wenn sie sagt, die Taufe habe
etwas Unheimliches.

Mir ist diese Macht tatsächlich und im übertragenem Sinn im
letzten Sommer begegnet. Unser vierjähriger Sohn spielt am Ufer
eines Badesees. Er hat seine Schwimmflügel abgestreift. Plötzlich
sieht er mich und läuft ins Wasser, das immer tiefer wird. Er verliert
den Halt unter den Füßen und geht unter. Ich muß mich
beeilen, um ihn heraus zu ziehen. Er ist völlig verstört und
klammert sich an mich. Er hatte die Macht des grundlosen Wassers gespürt.
In dieser Situation befinden wird uns, liebe Gemeinde, wenn es um uns
und den Tod geht.

Aber es gibt ja noch eine andere Seite der Taufe. Der andere Mann hebt
den Versunkenen aus dem Wasser. Er bringt ihn dahin, wo er leben kann.
Der andere, auf dem Bild ist es Philippus, der den Kämmerer aus
dem Morgenland tauft, handelt im Auftrag Jesu.
Und dies zeigt: Mir wird mein Leben geschenkt. Es ist ein Geschenk, eine
Gabe, für die ich dankbar bin. Mit diesem Geschenk verbindet sich
der Auftrag, das Leben verantwortlich und in angemessenem Rahmen zu gestalten.
Dies ist kein hartes Muß, keine Bewährungsprobe, die nur ganz
wenige bestehen. Über diese Gabe kann ich froh sein.

Zwei Seiten hat die Taufe. Die eine Seite zeigt unsere Grenzen, wenn
es um den Grund unseres Lebesn geht. Und die andere zeigt, daß uns
das Leben geschenkt wird von Gott, der das Leben liebt.

Ist das unheimlich? Zumindestens ist es für viele heute nicht nachvollziehbar.
Und damit sind wir gefragt: Wie kann es uns gelingen, dieses Wissen,
diese Einsicht in unsere Grundbefindlichkeit als Menschen weiterzugeben,
anderen verständlich zu machen? Denn dazu hat uns Jesus beauftragt.

Zwei Einsichten sind mir dabei wichtig:
Zum einen: Jesus selbst ist es, der für die Ausbreitung des Glaubens
sorgt. Ihm ist alle Gewalt gegeben, nicht uns. Wir sollen von ihm erzählen,
er sorgt dafür, daß das Wort die Menschen erreicht und verändert.
Und das andere: Jesus entläßt uns nicht mit diesem schweren
Auftrag und wartet nun auf Vollzugsmeldung. Er ist bei uns alle Tage
bis an der Welt Ende. Auch, wenn wir verzweifeln, wenn uns nichts gelingt,
wenn wir zusehen müssen, wie Gewalt, harte Ellenbogen, und Oberflächlichkeit
regieren.
Aber wenn wir gefragt werden, sollen wir Antwort geben, wie wir denn
die Dinge sehen, was uns denn wichtig ist, woran wir denn unser Herz
hängen. Und ich denke, wir werden gefragt, oft indirekt, oft versteckt,
aber doch im Interesse.

„Ich soll mich taufen lassen – nein, das ist mir zu unheimlich.“ Ich
bin dem Mädchen dankbar für ihre Antwort. Sie hat mich gezwungen,
mir klarer darüber zu werden, warum die Taufe für mich etwas
Schönes ist. Wir haben lange in der Konfirmandengruppe über
die Taufe gesprochen, wir haben uns vor Augen geführt, was bei der
Taufe passiert, was wir damit meinen, wenn wir taufen. Das Mädchen
wurde dann in der Osternacht getauft und war sehr stolz.

Na gut, werden Sie vielleicht sagen, dazu ist der
Konfirmandenunterricht ja da, daß über die Taufe gesprochen
wird und das nichtgetaufte Jugendliche zur Taufe geführt werden.

Mir ist kürzlich eine andere Taufgeschichte begegnet, die zeigt,
wie es mit der Taufe zugehen kann und die, so denke ich, Anlaß zu
Hoffnung und Freude gibt:

Angelika, eine 21jährige Studentin in Berlin, wohnt in einer WG
zusammen mit Judith. Judith besucht regelmäßig den Gottesdiesnt
und gehört zu einem Bibelkreis. Sie nimmt Angelika mit. Angelika
lernt eine neue Gemeinschaft kennen, in der sie sich wohl fühlt.
Sie lernt, die Bibel zu lesen und für ihr Leben zu bedenken. „Ich
lebe bewusster“, so sagt Angelika, „es tröstet mich,
dass Gott mich schützt und bewahrt. Dieses Jahr an Ostern habe ich
mich taufen lassen. Ich wollte wirklich zu der Gemeinschaft dazugehören.“

„Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker. Taufet
sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
So wie bei Angelika kann es gehen !

Amen

Dr. Matthias Rein
Studienleiter am Theologischen Studienseminar der VELKD
Bischof-Meiser-Str. 6
82049 Pullach
eMail: Matthias.Rein@t-online.de

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