Unser Vater

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Unser Vater

 

Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich
Nembach und Johannes Neukirch


Unser Vater

In drei Gottesdiensten
ausgelegt in Predigt, Gesang und Musik

Die Idee und ihre Umsetzung
1. Gottesdienst
2. Gottesdienst
3. Gottesdienst


2.
Gottesdienst, Pastor Niemann

Orgelvorspiel: Max Reger ; „Unser-Vater“,
op. 67 Nr. 41

EG 408, 1-6; 412, 1.2.4.6; 232, 1-3.4;
188

Predigttext:

Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.

Liebe Gemeinde!

Hier sind wir in der Reihe „Unser Vater“ ganz eindeutig bei dem
weltlichen, dem diesseitigen, dem menschlichen Teil. Wie bei dem anderen Text, den wohl alle Konfirmanden intensiv kennenlernen – den 10 Geboten – gibt es eben auch im Vater unser in den verschiedenen Bitten und Aussagen auf Gott und den Menschen hin gerichtete.

Am letzten Sonntag ging es vielleicht eher um Gott, sein Reich, seinen
Willen, heute geht es um unser Brot, unsere Schuld, unsere Versuchung.

Es gibt in der alten vorneutestamentlichen Schriften, im Judentum und auch sonst keine echte Entsprechung zu dieser Bitte: Unser tägliches Brot gib uns heute. Eigentlich merkwürdig – das das doch das Wichtigste – wie soll ich leben ohne Essen und Trinken? Vorhin in der Lesung klang das schon an – vierzig Tage und Nächte fastete Jesus – und dann …….. Brot soll aus Steinen werden – und er lehnt ab!

Nein, nicht weil er das Brot ablehnt, nicht weil Jesus meint, es ginge uns
um geistliche und geistige Werte – der Mensch lebt zwar nicht vom Brot allein, aber eben auch vom Brot. Das ursprüngliche Abendmahl war Teil einer richtigen Mahlzeit, die satt machte. Nein, Jesus von Nazareth, das ist bezeugt in der biblischen Schrift, war sehr, sehr diesseitig. Bei ihm ließ sich
das nicht trennen: leibliches Wohl-sein und: Heil-sein der Seele.

Diesseitigkeit und Jenseitigkeit, Horizontale und Vertikale gehen bei ihm in
eines – deshalb die Kreuzform – Gott wird Mensch, dir Mensch zugute und deshalb eben diese kleine Bitte in seinem Gebet: „unser tägliches Brot gib
uns heute“

Brot für die Welt müßte es nicht geben, wenn wir das erste
Wort der Bitte ernst nehmen würden, nicht mein Brot für den heutigen
oder morgigen Tag, sondern unser Essen und Trinken nur für mich
geht nicht, nicht weil es in Gemeinschaft besser schmeckt, sondern weil sich
dieses unser gegen den menschlichen Egoismus wendet.

Ich, ich, ich….sagen wir in West-Europa und Nordamerika…. und dann
wundern wir uns auch noch, wenn sie aus ärmeren Ländern zu uns kommen
wollen – und da heißt es dann schnell „sie nehmen mir meinen
Arbeitsplatz weg, meine Freundin, meine Butter vom Brot, ja am Ende essen sie mein Brot.“ Aber der ganzen Welt dürfen wir alle beten: Unser
tägliches Brot gib uns heute.

Orgelzwischenspiel: D. Buxtehude, „Vater
Unser“, BuxWV 219

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Da ist das Bild mit der Waage- zwei Schalen im Gleichgewicht. Auf die eine
Seite wird fleißig aufgeladen, meine erste Lüge, als meine Mutter
(berechtigterweise) mir vorwarf, ich hätte genascht – „nein, ich doch
nicht!“ Später der Mitschüler, den ich nicht abschreiben
ließ – vielleicht wäre er versetzt worden, vielleicht sein Leben
ganz anders verlaufen. Und dann die Zeit, die ich schuldig geblieben bin –
Eltern und anderen Verwandten, meiner Frau, meinen Kindern, Menschen, die ich nicht besucht habe.

Wenn man anfängt, über Schuld nachzudenken, ernsthaft, wirklich
ehrlich – dann hört man nicht auf: Die eine Waagschale wird immer
schwerer, immer voller.

Und das hat man in der Kirchengeschichte ja gut ausgenutzt –
Schuldgefühle wurden den Menschen geradezu eingeimpft, um sie zu
„guten“ Taten zu bringen. Man denke nur an den Ablaßhandel und
sein Umfeld – eine der Ursachen oder doch Anlässe für die Reformation.

Und – wie kommt die Waage ins Gleichgewicht? Was muß, was kann in die
andere Schale? Fromme Leistungen, wie 10 Vater unser nach erfolgter Beichte, wie es in manchen Filmen jedenfalls so vorkommt? Oder eben unsere gute Tat, daß wir geben, beigeben, schenken denen die uns etwas schulden. Manchmal meinen wir, so könnte es gehen – und sind dann so enttäuscht, denn obwohl wir so „gut“ waren, blieb doch die Versöhnung aus.

Nein, Vergebung unserer Schuld – sie gibt uns nur Gott allein. Sie
hängt am Kreuz von Golgatha; und nur daraus – aus geschenkter Schuld kommt dann das andere: daß auch wir anders, neu leben können, daß
auch wir vergeben denen, die uns etwas schulden.

Orgelzwischenspiel: J.N.David, „Kleine Partita
über Vater-Unser“

Und führe uns nicht in Versuchung….

Das Gebet bleibt ganz, ganz menschlich. Die wirklich frommen Menschen im Judentum, im Christentum, in anderen Religionen, die würden wohl beten: Ja, Herr, lege manche Prüfung auf mich, schicke mir Krankheit oder Armut, ich bleibe dir treu! Schicke mir Ablenkung und Überfluß, ich lasse
mich nicht abbringen vom Weg zu dir.

In Jesu Gebet heißt es aber: führe uns nicht uns Versuchung…
Denn Gott weiß, wie schwach wir sind, wie schwer manche Situationen
auszuhalten sind, wie man manche Lasten einfach nicht tragen kann.

Ja, führe uns nicht in Versuchung. Aber wie ist es, wenn das der
Böse tut, wie wir es in der Schriftlesung gehört haben? Wenn der
Böse Macht über uns bekommt, was machen wir dann? Die Geschichte von
Jesu Versuchung, 2 Kapitel vor dem Vater unser im Matthäus-Evangelium
zeigt deutlich, wo die Gefahr liegt: Alle Macht der Welt soll er bekommen, wenn er nur niederfällt und anbetet.

Ja, alle Macht der Welt streben wir an – global schicken sie ihre Boten,
ihre Faxe und e-mails – ihr geliehenes, eigenes, auch aus Verbrechen erzieltes Kapital um die Welt, kaufen und verkaufen – mehr, mehr, mehr heißt die Devise. Global gesehen – Wachstum – aber hier wird ein weiterer Betrieb stillgelegt, – dort noch mehr Kinderarbeit – aber einer der ganz Großen – auf Kosten vieler, die immer kleiner werden. Ja – und wer unter uns ehrlich ist, der gibt das doch zu, wie faszinierend das ist, Macht zu haben – nicht nur die kleine Schwester quälen – nicht nur zuhause die Puppen tanzen lassen (Ich bin doch der Verdiener!) sondern richtig, so oder so machen zu können.

Am Ende so sein wie Gott. Am Anfang mußten sie deshalb aus dem
Paradies. Aber die Versuchung blieb, sie hat unendlich viele Facetten und ist
höchst real. Gut, daß wir das bitten dürfen: führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

AMEN

Orgelnachspiel: Georg Böhm,
„Vater-Unser“


Organistin Telma Guise-Püschel, Plesseweg 21, 37120 Bovenden, Tel. 0551
– 8 23 43
Pastor Gottfried Niemann, Zehntenstr. 25, 37120 Bovenden, Tel. 0551 – 85 53

 

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