Urbi et Orbi: Gottes…

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Urbi et Orbi: Gottes…

Urbi et Orbi: Gottes verdeckte Popularität | Predigt zu Jes. 66,10-14 von Markus Kreis |

Sie nerven, diese Popups, liebe Gemeinde, allermeist jedenfalls. Da hock ich vor dem Bildschirm, die Maus in der Hand, schaue aufmerksam, um ja nix zu verpassen. Oder, noch mehr befangen, lese mehrere Zeilen Text…, und zack, ein Fenster geht auf, mal klein, mal groß. Und der Kopf macht zu.

Popups genießen keinen guten Ruf. Sie stören, sie lenken mich ab, von dem, was ich will. Und konfrontieren mich mit dem, was ich gerade nicht will. Zum Beispiel mit unerwünschter Werbung. Etwas, das ich zu Recht nicht will. Oder sie fordern mein O.K. zu Cookies. Oder warnen vor Viren, Trojanern und so weiter. Und verdecken oft damit, das schädliche Programme im Spiel sind.

Alles Hinweise, von denen ich kaum sagen kann: die will ich zu Recht nicht. Denn sie zeigen auf Probleme mit den Daten und ihrem Austausch. Auf Fragen von Recht und Sicherheit. Manchmal helfen sie mir sogar, mich auf den Netzseiten einzufinden. Damit ich auch das kriege, was ich will. In diesem Fall nennt sich ein Popup Hilfsmenü. Trotzdem bin ich genervt, fühle mich irgendwie gestört. Und klicke die Popups routiniert weg.

Wenn Gott sich meldet, klicke ich ihn genauso routiniert weg. Manchmal vielleicht sogar zu Recht. Da zeigt er sich wie unerwünschte Werbung. Wie Viagra oder Dopingmittel für die Seele. Wie ein Angebot zu einem Kurs, der ewiges Leben garantiert, isch schwör!

Manchmal zu Unrecht. Dann bin ich genervt, fühle mich gestört. Obwohl Gott sich zu Fragen von Recht und Gewissheit meldet. Hilfe anbietet. Zeigt, wie es gut weiter und wo es lang geht. Gott meldet sich wie ein Popup.

Lieber Leser oder Hörer. Dieser Vergleich stört sie? Dann kommt jetzt ein Popup: Hinweis für Erziehungsberechtigte: Anstößige Zeilen! Gehen sie damit um, wie sie wollen. Es geht es weiter.

Gott ist Pop und damit virulent! Um das mit den anstößigen Bildern und Zeichen weiter auf die Spitze zu treiben. Eine gute Nachricht! Mögen die Zeichen der Nachricht auch nerven, stören oder sogar schrecken. Verschrecken. Abschrecken. Nicht nur der Absender trägt Verantwortung. Auch der Hörer oder Leser. Das sollte einleuchten in einem Land, das gerne die Verantwortung des Verbrauchers beschwört.

Gott ist Pop und virulent, das heißt als gute Nachricht: Er ist verborgen ansteckend. Ein Heilserreger, der im Stillen wirkt und arbeitet. Niemand weiß, was eigentlich dahinter steckt. Lange Zeit ohne Anzeichen, dass sich da was tut. Keiner sieht das Gute, das kurz vorm Ausbrechen ist. Gott meldet sich im Pop.

In Gott steckt viel mehr Pop, als ich wusste. Nehmen wir das Predigtthema: Die nach Babylon Verbannten durften zurück ins ersehnte Jerusalem. Gute und böse Überraschung zugleich! Die gute Überraschung ist klar: Es geht nach Hause. Doch die böse?

Zurück in der Heimat gab es weiter genügend Grund, Jerusalem zu beweinen. Denn das ersehnte stellte sich als Favela heraus, die Stadt Gottes als Elendsquartier. Babylon war jedenfalls viel schöner. Wie so oft stellt sich die Frage: Was sorgt für mehr Tränen? Unerfüllte Sehnsucht oder erfüllte?

Wie die Antwort auch sei: Dies irdische Jerusalem ist trostlos. Diese Stadt kränkt und macht krank. Lässt einen verhungern, beutet einen aus. Macht einem zum Ausbeuter, zum Halblegalen oder zum ganz Kriminellen. Jerusalem ist alles andere als eine Mutterstadt.

Einer hat in diesem Elend damals aufgemerkt, nicht einfach routiniert weiter geklickt. Jesaja ist ein Popup in die Quere gekommen. Und das hat sein Sinnen abgelenkt, hat es gefangen genommen:

10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. 11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust. 12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. 13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. 14 Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

In der Popmusik spielen sich ähnliche Geschehen ab. Nicht nur At the rivers of Babylon, auch am ländlichen Mississippi:

Living for the City von Stevie Wonder (alle Songtexte eigens von mir übersetzt)

In schweren Zeiten kommt am Mississippi ein Junge zur Welt, in ein Bett, von Wellblech und Pappe umstellt, seine Eltern lieben und bangen mit ihm, um ihn in Güte und Stärke zu erziehen, Refrain: überleben gerade so, für ein Leben in der Stadt.

Sein Vater schuftet oft 14 Stunden am Tag, und verdient damit kaum etwas, seine Mutter schrubbt Boden und Fliesen, und sie kommt nicht aus den Miesen, Refrain: überleben gerade so, für ein Leben in der Stadt.

Im Elend – egal, ob es nur materiell, oder ob es nur geistig, oder ob es beides ist – im Elend meldet sich die Sehnsucht nach der Stadt. Die Stadt als besserer Ort, sie ist das Ziel! Zum Beispiel besungen von Frank Sinatra mit New York, New York!

Komm, sag es allen weiter, ich haue heute hier ab – dahin gehöre ich: New York! Diese Schuhe möchten ausgeführt werden, mitten ins Herz von New York! Ich möchte in einer Stadt aufwachen, die nicht schläft, entdecken, dass ich Spitze bin, ganz, ganz vorne bei der Truppe. Der Kleinstadtkummer verzieht sich, ich werde total neu anfangen, im guten alten New York. Wenn ich es dort schaffe, kann ich es überall. Es liegt an einem selbst. Auf nach New York!

Am Ziel ein nüchterner Blick, wie weiland die ehemals Verbannten in und auf Jerusalem:  The Message von Grandmaster Flash and the Furious Five.

Manchmal geht es zu wie im Dschungel, ich wundere mich, warum ich noch nicht hops gegangen bin:

Glasscherben überall, die Leute pinkeln im Freien auf Treppen – es macht ihnen nichts aus, ich ertrage den Geruch nicht, ich ertrage den Lärm nicht. Ich hab kein Geld, um weg zu ziehen, ich glaube, mir bleibt nichts anderes übrig: Ratten im Raum vorne, Kakerlaken hinten, auf der Straße Kriminelle mit Baseballschlägern. Ich hab versucht, weg zu kommen, ohne viel Erfolg, denn ein Mann mit einem Abschleppwagen hat mir mein Leasingauto genommen.

Schubs mich nicht, denn ich bin am Rand! Ich versuche, nicht den Kopf zu verlieren.

Manchmal geht es zu wie im Dschungel, ich wundere mich, warum ich noch nicht hops gegangen bin.

Popmusik kennt, am Ziel der Sehnsucht angekommen, einen zweiten Blick. Und das ist nicht der Jesajas. Nicht der auf das himmlische Jerusalem. Es ist der vom eigenen Tun erfüllte Blick. Nicht Gottes Popup, sondern ein Selfiepopup. In den Augen der wenigen, die am Ziel ihrer Sehnsucht Erfolg haben. Die meinen, das ausschließlich dem eigenen Tun zu verdanken. Die ihren Erfolg sogar für den Erfolg der Stadt ausgeben. Oder ihre Stadt für das eine himmlische Jerusalem auf Erden halten.

The Empire State of Mind von Jay-Z ist so ein Lied. Gibt’s aber auch im Deutschen. Ahnma von den Beginnern aus Hamburg geht in die Richtung. Auch Mein Block von Sido. Der allerdings noch unbequem nahe am städtischen Elend formuliert. Sich selbst Rühmen und dabei voll im Dreck stecken.

Ein anderer Song von Sido zeigt indes, dass sich Erfolg zuerst anderen verdankt. Und nicht nur dem eigenen Tun und Lassen. Mama ist stolz, lautet der Titel. Lesen sie im Text über die Gewalt verherrlichenden und sexuellen Stellen drüber. Die anders als üblich sehr selten auftauchen.

Ersetzen sie im Text das Wort Mama durch Gott – und gleich sieht es ganz anders aus. Verstehen sich die Zeilen ganz anders. Sind die Sätze dem Text Jesajas viel näher als es aufs Erste scheint. Erfolg verdankt sich Gott. Und nicht: Erfolg macht einen zu Gott.

Gott will das himmlische Jerusalem. Und so erbaut er es verdeckt inmitten unserer Städte. Erbaut es inmitten derer, die da wohnen, die da zuwandern oder abwandern. Da leben und arbeiten Menschen in Frieden mit sich und den Mitmenschen. Da leben und arbeiten Menschen am Frieden. Am Frieden mit sich und den Mitmenschen. Menschen, die wissen, dass sie Leben und Erfolg zuerst Gott und ihren Mitmenschen verdanken. Und nicht nur ihrem eigenem Tun und Lassen.

In Gottes Stadt leben Menschen nicht immer an einem Fluss. Aber immer im Fluss von Nähe und Abstand. Finden Nähe und Wärme, auch wenn es eng und stickig wird. Gewinnen Abstand und Privatleben, auch wenn es kalt und einsam wird. Das himmlische Jerusalem baut sich verdeckt auf Erden, stabil und flexibel zugleich. Eine von Menschen geteilte ungeteilte Stadt. Gott baut mit den Menschen am himmlischen Jerusalem verdeckt überall und jederzeit auf Erden. Amen.

OStR Markus Kreis, D-69469 Weinheim, markus_kreis@web.de

Geboren 1963, Beauftragter für Wortverkündigung und Sakramentverwaltung im Kirchenbezirk Ladenburg – Weinheim, unterrichtet Evang. Religion und Deutsch an der Mannheimer Berufsschule für Energie- und Informationstechnik.

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