Weihnachtspredigt

Weihnachtspredigt

Liebe Gemeinde,

auf manchem Kalender steht heute zusätzlich zum Datum 6. Januar
Epiphanias. In meinem, kirchlichen Kalender lese ich neben dem Datum:
Fest der Erscheinung des Herrn. Tatsächlich wird der 6. Januar in
manchen Gegenden Deutschlands noch ganz anders genannt, nämlich:
Heilige Drei Könige oder Dreikönigstag oder noch kurzer Dreikönige.
Was meinen diese Bezeichnungen eigentlich genau?

Epiphanias ist eine altgriechische Wortform. Sie führt uns in die
Zeit der frühen, griechisch sprechenden Christen im östlichen
Mittelmeerraum. Ihnen war – in staunendem Nachdenken über die Bedeutung
Jesu Christi – deutlich geworden, dass in dem Menschen Jesus aus Nazareth,
in dem Sohn des Holz- und Steinarbeiters Joseph und seiner Frau Maria
tatsächlich Gott, der Unsichtbare, erkennbar geworden ist. Erkennbar,
wie so deutlich noch nie zuvor. Auf Grund dieser Glaubenserkenntnis sprachen
sie im Zusammenhang der Taufe und dann auch der Geburt Jesu Christi von
einer Epiphanie um auszudrücken: Hier wird Gott selbst, der Unsichtbare,
erkennbar, sichtbar. Und dann feierten sie die Epiphanie. Am Tauf- und
dann auch am Geburtsdatum.

Das Fest der Geburt Christi feierten die Christen Ägyptens am 6.
Januar. Das war bis dahin das Datum eines vorchristlichen Festes. Theologisches
Konstruieren errechnete dagegen später den 25. Dezember als Datum
der Geburt. Im 6. Jahrhundert legte der damalige Kaiser Justinian II.
schließlich das Christgeburtsfest auf den 25. Dezember, verbindlich
und reichsweit. Vor allem in der Westkirche – zu der wir gehören
entwickelte sich dann das Christgeburts- oder Weihnachtsfest langsam zum
Hauptfest im Jahresablauf. Und im Laufe der Zeit entstanden eine große
Zahl volkstümlicher Bräuche, die das eigentliche Christgeburtsfest
fast überlagern, vom „Konsumfest“ ganz zu schweigen.

Mit dem alten Datum 6. Januar aber blieb von den Geburtstexten des Neuen
Testaments vor allem die Erzählung von der Anbetung durch die sog.
Magier verbunden. Sie steht im Matthäusevangelium, gleich im zweiten
Kapitel. Diese Erzählung soll uns heute beschäftigen.

Vorher ist allerdings noch nachzutragen, dass fromme Phantasie aus den
huldigenden Magiern oder Weisen Könige gemacht hat. und u.a. wegen
der drei genannten Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe (ein wohlriechendes,
teures Harz) drei Könige zählte. Jahrhunderte später weiß
man auch Alter und Name der drei zu nennen: nämlich den Jüngling
Kaspar, den Mann Balthasar und den Greis Melchior. Um noch schnell fortzufahren:
Im 12. Jahrhundert kann man dann die Reliquien der drei heiligen Könige
zeigen und sie nach Köln am Rhein bringen. Und im 15. Jahrhundert
schließlich weiß man sogar, dass Kaspar ein Afrikaner und
schwarz ist. Jedenfalls kam so der 6. Januar zu seinem Namen Heilige Drei
Könige. Luther spricht in einer Epiphaniaspredigt vom „Geschwätz
über die … drei Könige“.. Wir wollen jetzt all die frommen
Phantasien verlassen und uns dem Evangelientext selbst zuwenden. Matthäus
erzählt so: (Mt 2,1-12 ).

Ich denke, es lohnt sich, das eben Gehörte noch einmal mit eigenen
Worten wiederzugeben, bevor wir genauer in den Blick nehmen, worum es
in dieser Erzählung geht. Beim Wiedergeben mit eigenen Worten versteht
man ja oft das Erzählte besser.

Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa während der Regierungszeit
des Herodes – des skrupellosen Königs von Roms Gnaden hauptsächlich
über Judäa aber auch andere Landesteile, – kamen weise Vertreter
östlicher Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften und erkundigten
sich: „Wo ist der jüngst geborene König der Juden?“

Und dann nannten sie den Grund ihres Kommens aus der Ferne: „Wir
haben seinen Stern aufgehen sehen. Wir kommen, um ihm zu huldigen und
ihn anzubeten.“

Als der regierende König das hörte, erschrak er und zusammen
mit ihm ganz Jerusalem.

Er rief die führenden Theologen zu sich. Er wollte herausbekommen,
wo der König der Juden, der messianische König geboren wird.
Die Theologen zitierten als Antwort aus dem Prophetenbuch Micha und aus
dem 2. Samuelisbuch. Kurzgefasst hieß es da: Aus Bethlehem wird
der Herrscher kommen, der Gottes Volk „weiden“ wird.

Darauf rief der König heimlich die Weisen aus dem Osten zu sich.
Er fragte nach dem Zeitpunkt, an dem der Stern erschienen sei. Dann schickte
er sie nach Bethlehem mit dem Auftrag, den jüngst geborenen König
zu suchen. Und wenn sie ihn gefunden hätten, sollten sie es ihm melden.
Er gab vor, dass er selbst dorthin gehen und das Kind anbeten wolle.

Der Stern zeigte nun den Weisen den Weg bis zu dem Haus, in dem der messianische
König geboren worden war. Dort fanden sie das Kind und seine Mutter
Maria. Sie schenkten dem messianischen König überaus wertvolle
Gaben: Gold und Weihrauch und Myrrhe.

Auf Grund eines Traumes kehrten sie auf einem anderen Weg in ihre Heimat
zurück. Den regierenden König Herodes suchten sie nicht noch
einmal auf

So weit die Erzählung. Was wollte Matthäus mit dieser Erzählung
sagen?

Wenn jetzt jemand einwendet, die Erzählung im Matthäusevangelium
sei schwerlich historisch, vielmehr eher eine Legende, dann ist zu antworten:
Uns soll es bei der Erzählung darum gehen herauszuhören, was
der Evangelist Matthäus mit Hilfe seiner Erzählung sagen will!
Alles andere soll jetzt nicht interessieren.

Schnell ist an der Erzählung zu erkennen, dass sie zwei Blickpunkte
hat: Erstens wird der Blick auf die heidnischen Weisen aus dem Osten gerichtet.
Sie haben erkannt, wer da geboren ist: der König der Juden, der messianische
König. Zweitens wird der Blick gerichtet auf das Gegenüber vom
eben geborenen messianischen König des Gottesvolkes auf der einen
Seite und auf der anderen Seite dem regierenden – und wie man damals wusste
– skrupellosen, mächtigen König Herodes. Man ahnt es vielleicht
schon: Hier geht es nicht um eine idyllische Geburt und um das, was um
die Geburt herum sich ereignet. Vielmehr sagt Matthäus in ungeschönter
Klarheit, in welche Welt hinein Gott den messianischen König geboren
werden lässt: in eine mörderische Welt, wie Matthäus bald
erzählen wird. Eine mörderische Welt, die auch unsere Welt 2002
und nun 2003 ist.

In der Darstellung des Matthäus können wir noch mehr erkennen:

Die Weisen aus der Ferne fragen: „Wo ist der kürzlich geborene
König der Juden?“ Die theologischen Autoritäten damals
können ohne nachzudenken aus den Prophetenbüchern zitieren und
damit den Geburtsort nennen. Aber sie bemerken weder, dass sie selbst
die Erfüllung der Prophetie feststellen noch, dass sie mit ihrem
Zitieren selber aussprechen, wer der wahre König, wer der wahre Hirte
Israels ist: Nämlich der eben Geborene. Denn das ergeben Frage und
Antwort zusammen.

Noch etwas zeigt die Frage der Weisen, die vom König der Juden spricht:
Am Ende des Weges des eben Geborenen und mit dem Titel „König
der Juden“ Gekennzeichneten heißt es – sehr genau hat Matthäus
da jeweils formuliert – in der Kreuzigungsszene: Jesus von Nazareth, König
der Juden. Mit der Geburt läuft der Lebensweg auf die Kreuzigung
hin. Seine religiösen Gegner erkennen ihn nicht. Sie kreuzigen ihn.
Wie am Anfang so erkennen sie ihn auch am Ende nicht.

Sozusagen in Klammern sollte uns hier deutlich sein, dass solche Aussagen
eben so wenig ein Grund für Antisemitismus sein darf wie irgend etwas
anderes!

„Ganz Jerusalerm“ erschrak, formulierte Matthäus. Leicht
kann man es überlesen. Vor seinem Ende spricht Jesus Christus: „Jerusalem,
Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu
dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so
wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr
habt nicht gewollt“ (Mt 23,27). In der Tat: Dem Evangelisten Matthäus
ist es wichtig, dass die bisherigen Heiden sich Gott, sich Jesus, dem
Messias zuwenden. Der Glaube, von dem Matthäus in seinem Evangelium
spricht, hat einen weltweiten Horizont, ist wahrhaft global!

Und der Stem? Vielleicht als sog. Jupiter/Saturn-Konjunktion naturwissenschaftlich
zu erklären? Ich glaube das nicht. Er steht in der Erzählung
nicht, damit wir unserer Phantasie freien Lauf lassen! Er gehört
zum eben geborenen wahren König der Juden: Wieder formulieren die
Weisen genau: „Wir haben seinen Stern aufgehen gesehen.“
In Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium heißt es

„Mein Heiland,
du, du bist das Licht,
das auch den Heiden scheinen soll,
und sie, sie kennen dich noch nicht,
als sie dich schon verehren wollen.
Wie hell, wie klar muss nicht dein Schein
Geliebter Jesu, sein!“

Auf Christus zeigt, zu Christus gehört der Stern. Zu Christus, der
ungeschriebenen Überschrift unserer Erzählung.

Zum Schluss: Worauf zielt unsere Erzählung? Auf eben das, was die
Weisen am Ziel des Weges taten: Sie verehrten den wahren König, sie
beteten den Christus an! Den Christus Jesus, der sagt: „Selig, die
arm sind vor Gott…“ Selig die Trauernden …… .. Selig, die keine
Gewalt anwenden…“ und so fort. Den Christus, der trotz seiner Kreuzigung
als der Lebende erfahren wird. Den Christus, der „Gleichnis Gottes“
ist. So gilt nun auch heute:

„Ehre sei Gott in der Höhe!
Friede auf Erden, auf Erden
Und den Menschen ein Wohlgefallen.
Amen, Amen. (EG 26 nach Lk 2,14)

Ja, Amen.

 

Pastor i.R. Hellmut Mönnich
Ewaldstr. 97
37075 Göttingen
Tel.: 0551-68611

 

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