Wer die Wahl hat, …

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Wer die Wahl hat, …

8.Sonntag nach Trinitatis, 2.8.2020 | Predigt zu Johannes 9 (i.A.) | verfasst von Andreas Schwarz |

 

Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war.

Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?

Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.

Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.

Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.

Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden.

Und er sprach zu ihm: Geh zum Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.

 

 

Ihr lieben jungen Menschen:

Herzlichen Glückwunsch zu eurer Wahl.

Ihr hattet die Wahl, ob ihr euch auf den Weg machen wollt, konfirmiert zu werden oder nicht.

Ihr habt gewählt und jetzt seid ihr dabei und heute hier im Gottesdienst.

Ganz viele von denen, die heute hier auch sitzen, hatten diese Wahl auch. Und sie haben gewählt. Wie ihr.

Und haben irgendwann ihr ‚Ja‘ gesagt – zu Jesus Christus, zu seiner Kirche, zu dieser Gemeinde.

Und darum sind sie hier.

Mit euch.

Eine gute Wahl.

Schön, dass wir sie haben – die Wahl.

Selbstverständlich ist das nicht.

 

Manchmal hat man den Eindruck, die Menschen möchten gar keine Wahl.

Und wenn dann eine Wahl stattfindet, ob zum Bundestag, zum Landtag oder in den Städten und Dörfern, dann gehen viele nicht hin.

Als würden sie keine Wahl haben wollen.

Oder als wäre jede Möglichkeit so schlecht, dass sie lieber gar nicht wählen.

Manchmal ist das alles auch sehr ähnlich und unbedeutend, dass wir wirklich nicht wissen können, wo denn die Unterschiede sind.

Und ob die Politiker sich nach der Wahl noch daran erinnern, was sie vor der Wahl versprochen haben.

Um uns zur Wahl zu locken.

Wie genau soll die Wählerin und soll der Wähler sich als Laie denn ein eigenes Urteil bilden bei Problemen, die so kompliziert sind, dass nicht einmal die Volksvertreter sich sicher sind, ob sie das alles wirklich noch begreifen?

Woher also kommt mir da der Durchblick?

Wie komme ich zu einer klaren Sicht?

Ums Sehen und ums nicht Sehen, um die klare Sicht und um den rechten Durchblick geht es im Konfirmandenunterricht und auch im heutigen Evangelium.

 

Jesus heilt einen Blindgeborenen.

Aber viel mehr steht auf dem Spiel.

Wichtige religiöse Vertreter des da­maligen Judentums setzen sich mit Jesus auseinander.

Und dann geht es auf einmal nicht nur um eine Heilung, sondern überhaupt um den Glauben an Jesus Christus.

Er ist der Menschensohn, der Erlöser, der Retter, der Heiland, den Gott zu den Menschen geschickt hat und auf den sie schon so lange gewartet haben.

Aber als er dann da war, als er redete und heilte, da fühlten sich die religiösen Führer der Juden verunsichert.

Sie hatten feste Überzeugungen.

Jesus stellt sie in Frage; nein, er wirft sie über den Haufen.

Das muss erstmal jemand verkraften, der es ernst meint mit den Geboten Gottes.

 

Sie waren davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen Krankheit und Schuld gibt, also zwischen dem, was man tut und wie es einem ergeht. Nicht immer kann man so ganz genau sagen, wie beides zusammenhängt, aber es hängt zusammen.

Und außerdem waren sie davon überzeugt, dass der Sabbat unbedingt und strikt einzuhalten ist. Also darf man am Sabbat auch nicht heilen.

 

Beide Überzeugungen treten nun offen ans Tageslicht, als Jesus den Blindgeborenen am Sabbat heilt. In den verschiedenen Szenen werden unterschiedliche Personen immer wieder vor die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten gestellt.

 

  1. Szene – 1. Wahl

Am Straßenrand sitzt einer, der ist blind auf die Welt gekommen. Fangfrage der Pharisäer an Jesus: Wer hat gesündigt? Er selbst? Oder seine Eltern? Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Wähle!

Jesus wählt. Er positioniert sich klipp und klar. Aber anders als erwartet. Er findet die dritte Möglichkeit. Weder – noch. Er gibt der Blindheit eine ganz andere Bedeutung: Die Werke Gottes sollen durch sie offenbar werden. Und dann schmiert er dem Mann einen Brei aus Spucke auf die Augen und schickt ihn zum Teich, um sich sauber zu machen.

 

  1. Szene – 2. Wahl

Jetzt hat der Blinde die Wahl: Macht er’s oder macht er’s nicht? Versetzen wir uns bitte in die Situation. Und vergessen für einen Moment, dass das eine Jesusgeschichte ist, die in der Bibel steht. Das weiß der Blinde nämlich nicht und die anderen wissen es auch nicht.

Für die muss das ungefähr so gewesen sein: Pforzheim, Fußgängerzone. Und dann kommt da so ein Typ daher, verbreitet schräge Ansichten, spuckt dann auch noch in einen Blumenkübel und schmiert den ekligen Brei, den er da anrührt, einem armen, blinden Kerl, der da rumsitzt, einfach ins Gesicht. Wäre die naheliegende Reaktion des Blinden nicht gewesen, um Hilfe zu schreien? Aber er entscheidet sich anders, warum auch immer, er macht das, was Jesus von ihm will – und wird sehend.

 

  1. Szene – 3. Wahl

Der blind Geborene wird von den Pharisäern befragt. In der dritten Szene erfahren wir, dass die Heilung an einem Sabbat geschah. Die Pharisäer müssen sich ent­scheiden, was sie davon halten sollen.

Sie haben die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Möglichkeit 1: Wer sich nicht an den Sabbat hält, kann nicht von Gott sein. Möglichkeit 2: Wer nicht von Gott kommt, kann zu solchen Handlungen nicht in der Lage sein. Sie befragen den blind Geborenen. Dem, der gerade noch blind war, fällt die Entscheidung nicht schwer.

Klarer Fall: Der Mann hat mich sehend gemacht. Der Mann ist ein Prophet, was denn sonst?

Für die Pharisäer ist das aber nicht so eindeutig. Sie geraten über ihrer Urteilsbildung in Streit und so kommt Möglichkeit 3 zustande: Der war gar nicht wirklich blind!

 

Also werden – 4. Szene – 4. Wahl – die Eltern des blind Geborenen verhört.

Die wirken eingeschüchtert. Die scheinen zu spüren, dass das Ganze hier deutlich zu ihrem Nachteil enden kann. Sie haben die Wahl: Zu wem sollen sie sich halten? Halten sie zu ihrem Sohn? Freuen sie sich mit ihm, dass er endlich sehen kann? Schlagern sie sich auf seine Seite und damit auf die dieses sonderbaren Jesus? Oder begeben sie sich auf die vermeintlich sichere Seite derer, die die Macht haben?

Die Eltern geben ihrer Furcht nach und wählen die sichere Seite: Fragt ihm doch selbst, er ist ja schließlich alt genug.

 

Und so folgt, in der 5. Szene, der selbstbewusste Auftritt eines Mannes, der seine Wahl längst getroffen hat. Man muss sich das noch einmal klarmachen. Bis vor kurzem galt er als ein von Gott geschlagener, von Gott bestrafter Sünder. Bis vor kurzem stand er am Rande der Gesellschaft. Und jetzt hat er so viel Rückgrat, sich mit der Führung der damaligen jüdischen Gesellschaft auf selbstbewusste Weise anzulegen.

Es ist etwas passiert mit ihm. Er wurde geheilt, er konnte zum ersten Mal in seinem Leben sehen. Er ist nicht mehr derselbe Blinde, wie vorher. Für ihn ist das völlig klar: dieser Jesus ist von Gott gesandt ist. Es kann nicht anders sein. Das sieht er deutlich.

Da haben die Pharisäer keine Argumente mehr. Und auch keine Wahl: sie fordern die Achtung ihrer formalen Autorität und werfen den Blindgeborenen hochkant hinaus: „Was bildest Du dir eigentlich ein?“

Jesus geht dem Geheilten nach und dieser bekräftigt seine Wahl: Ja, Herr, ich glaube.

Jesus hat diesem einen Menschen in seiner persönlichen Not geholfen und der sagt: Herr, ich glaube.

Dahin soll es mit euch auch gehen mit der Konfirmation, dass ihr gute Erfahrungen mit Jesus Christus macht und dann sagt: Herr, ich glaube!

 

Jesus wendet sich einem Menschen in Not zu und beendet die quälende Frage, wer die Schuld an der Not trägt. Er beendet die Neigung, Menschen zu be- und zu verurteilen. „Ihr meint, Blindheit sei Gottes Strafe für eine bestimmte Schuld. Nein, weit gefehlt. Ihr könnt alle sehen, was ich tue; ihr könnt hören, was ich predige. Aber ihr seht nicht, dass ich der Erlöser bin. Und doch behauptet ihr weiter, ihr könntet sehen und anderen sagen, wie sie nach Gottes Willen zu leben hätten. Das ist Sünde.“

Jesus nicht als seinen Herrn anerkennen, zu meinen, man bräuchte ihn nicht, das trennt von ihm.

Was immer Jesus Christus sagt und tut: es ist eine Einladung an die Menschen, ihm zu vertrauen. Weil er heilt und Leben bringt.

Wir hören das als Christenmenschen in diesem Gottesdienst. Darum sind wir ja hier. Wir gehören zu denen, die glauben, dass Jesus der Christus ist.

Darüber streiten wir nicht mit Jesus Christus.

Im Gegenteil: ihr Vorkonfirmanden wollt euch auf den Weg machen, Jesus als guten Begleiter eures Lebens zu entdecken. Dieser Weg endet nicht mit der Konfirmation. Alle, die hier sitzen, sind auf diesem Weg, lebenslang.

Und immer wieder haben wir auf unseren Wegen die Wahl.

Wir wissen, was richtig ist, haben aber doch die Möglichkeit, uns, dagegen zu entscheiden.

Wir wissen, was richtig ist, stehen aber immer wieder in der Gefahr, anders zu reden oder anders zu handeln.

Wir wissen schon, was gut ist, aber manchmal haben wir vielleicht zu viel Angst vor den Konsequenzen oder sind zu bequem.

Zu wählen kann heißen, Schuld auf sich zu laden.

Wir haben immer die Wahl, zu tun, was wir im Glauben an Jesus Christus als richtig ansehen, und uns einzusetzen für das, was den Menschen und dem Leben dient.

Wir haben immer die Wahl.

Gott gebe euch Konfirmanden und uns allen immer wieder die Kraft, Jesus Christus als unseren Retter zu sehen und in unseren Entscheidungen das Richtige zu tun. Amen.

 

Pfarrer Andreas Schwarz

Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden

Gemeinde Pforzheim

p.andreas.schwarz@gmail.com

 

Diese Predigt wird in dem Gottesdienst gehalten, an dem eine Gruppe von jungen Menschen mit dem Konfirmandenunterricht beginnt.

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