1.Könige 10,1-13

1.Könige 10,1-13

Atemlos oder: wie ein  Weihnachtslied entspringt | Epiphanias (Fest der Erscheinung) | 6. Januar 2024 | 1.Kön 10,1-13 | Jochen Riepe |

I

Ein Portal öffnet sich. Farbig leuchtende Fenster. Vergoldete Ornamente an den Wänden… wie im Märchen. Auf Sofas können wir Platz nehmen. In der Mitte ein Brunnen. Wir hören es plätschern, flüstern und murmeln, ein Klang, der den Raum übersteigt … das ‚gewisse Etwas‘.

 ‚Gelobt sei der Herr, dein Gott‘, sprach die Königin von Saba zu Salomo, ‚der an dir Wohlgefallen hat, so daß er dich auf den Thron Israels gesetzt hat. Weil der Herr Israel lieb hat ewiglich, hat er dich zum König gesetzt, daß du Recht und Gerechtigkeit übst.‘

II

Bescherung. Die Kinder können es kaum abwarten, ins Weihnachtszimmer eingelassen zu werden. Endlich läutet das Glöckchen, die Tür wird geöffnet und sehet: Diese Lichter, dieser Glanz, und vor allem diese geheimnisvollen, mit schönen Schleifen versehenen Päckchen und Pakete, die da unter dem Baum liegen. Was wohl für mich dabei ist? Und ob meine Gabe die Mutter wirklich erfreut? Der Gabentausch kann beginnen, und es wird ein rechter Gabenrausch voller überraschter Ohs und Ahs. Freude. Fieberhaftes, seliges Geben und Nehmen.

‚Ihr Lieben, was soll ich sagen, mir fehlen die Worte‘, sagt dann einer, der sich reich beschenkt weiß, und setzt sich ans Klavier, ‚jetzt müssen wir aber dem Christkind ein Lied singen‘.

III

Ja, ein Lied! Das brauchte wohl auch die Königin von Saba, um all ihre Eindrücke vom Besuch im Palast des Königs Salomo verkraften zu können. Neugierig-gespannt hatte sie die Reise hinauf nach Jerusalem angetreten. ‚Spezereien, Gold, Edelsteine‘ aus dem fernen Land waren als Gastgeschenke   mit gekommen. Würde er ihre Gaben annehmen und erwidern? Sagenhaft, was die Leute erzählten.  ‚Prüfen‘ wollte sie, ob die Gerüchte vom Jerusalemer Herrscher vor ihrem kritischen Blick bestehen würden. War er wirklich der weise Regent, wie alle Welt behauptete? Wie stand es mit seiner Verwaltung, wie mit der Lage seines Volkes, mit Wirtschaft und Wohlergehen?

Nun aber, da sie soz. auf diplomatischer Augenhöhe gesprochen hatten, nachdem sie den König, sein Haus, sein ganzes Umfeld wahrgenommen hatte, da ‚stockte ihr der Atem‘… auch sie weiß nicht, was sie sagen soll. Das war mehr, als man erwarten konnte. Sie bewundert und staunt: die Speisen, die Sitzordnung, die Diener, die Kleider, der Tempelschließlich und die Brandopfer, die dort dargebracht wurden…

IV

Wem der Atem stockt, der ist im Innersten berührt, erschreckt und bezaubert in einem. Wir sagen dann: Es verschlägt ihm die Sprache. Die Königin wäre nicht die erste, die überwältigt und ‚geblendet‘ (Sir 20,29) verstummt. Und wir wissen, wie die Mächtigen Prunk, Pracht und Reichtum gezielt einsetzen. Der Besucher soll  beeindruckt, ja, eingeschüchtert werden. Falls Salomo das im Sinne hatte, irrte er bei Makeda, wie die Äthiopier ihre Herrscherin nennen, allerdings.  Sie faßt sich und hier beginnt das Weihnachtswunder von Jerusalem. Sie heftet ihm keinen Orden an, sondern singt ihm unversehens ein geistliches Lied. Aus der Atemlosigkeit der Königin ‚entspringt‘, steigt auf, ein Lob- und Danklied – an den Gott, der Salomo reich beschenkt hat.

Angesichts einer erdrückenden  Macht  von geistigen und materiellen Güter kann ein Mensch ja verschieden reagieren: Er unterwirft sich und erstarrt gleichsam. Er hält Abstand und lacht klirrend, wie es einst Kaiserin Elisabeth im Spiegelsaal von Schloß Herrenchiemsee getan haben soll. Es kann aber auch in ein um Luft ringendes Herz der Name Gottes ‚ein-fallen‘, ein ‚ein stilles, sanftes Säuseln‘ (1. Kön. 19,12), ein Murmeln und Flüstern, und das Andenken und die Anrufung Gottes der eine und einzige Weg sein, die Lähmung zu lösen und die Fülle der Gaben gleichsam in der Ferne zu verorten: Eine himmlische Bescherung. Sprachgewinn: ‚Gelobt sei der Herr…, er hat dich zum König gesetzt, daß du Recht und Gerechtigkeit übst‘.

V

Ich glaube, dem Musikfreund im Weihnachtszimmer ging es ganz ähnlich. Er sah den Baum, die Geschenke, er spürte den fiebrigen Rausch gleichsam, in dem die Familie geraten war, er sah auch, wie die Papiermassen den Raum unschön verstellten. Da fehlt doch etwas, ja, dieses ‚gewisse Etwas‘, was dieses Geschehen erhebt, erhöht und adelt.

Ob nun vor oder nach der Bescherung: Unser Singen, auch Murmeln oder Brummen, und seine mal zu hohen, mal zu tiefen himmlischen Verweise geben der Fülle ja erst etwas Lebendiges, wie halt der springende Brunnen im Palastzimmer, der den Raum entspannte und ihm eine befriedete Seele verlieh. Eine Bescherung ohne ein Lied oder ein Gebet oder eine Lesung, ohne Geschichten oder Gedichte, wäre gleichsam roh und geheimnislos. ‚Dem Christkind ein Lied singen…‘ – will Gott nicht gerade so bei uns sein und uns begegnen?

Diese Szene kennen ja viele: Das Zimmer ist voller Gaben, aber Gebende und Empfangende bleiben stumm. Nach dem Rausch kommt die Ernüchterung,  ‚… und am Ende hat man es bereut‘ (R. M. Rilke). Die Kinder, aber nicht nur die, waten achtlos durch die Papierberge und treten auf das, was man ihnen gab: ‚Nie bekomme ich das, was ich mir gewünscht habe‘. Vergiftete Stimmungen und quälende Fragen: Ist es auch recht? Ist mein Geschenk angemessen und gleichwertig? Ja, demnächst werde ich diesen Konsumrausch meiden.

VI

Stellen wir uns den Text aus dem Alten Testament ohne das Lied der Königin vor. Die Fülle würde  unerträglich oder unanständig. Ein endloser Kampf um Anerkennung – Mißtrauen, Ruhmsucht: Wer hat mehr? Gold, Elfenbein, Sandelholz, all die Kostbarkeiten werden zum schnöden Mittel der Macht, die sich auf diese Weise inszeniert und der Welt präsentiert. Maßlos – aus der Fülle wird die Hölle.  Herkunft und Aufstieg Salomos waren umstritten. Sein Vater David hatte Saul, den ersten König Israels, auf zweifelhafte Weise abgelöst, und galt manchen in Israel als ‚Blutmensch und nichtswürdiger Mann‘ (2.Sam. 16,7f).

Rivalität war die Grundstimmung  nicht nur dieser Dynastie, Rivalen aber will man überbieten, übertrumpfen und beschämen, so daß ihnen ‚der Atem stockt‘ und sie sich ganz klein fühlen. Das hatte die ‚Königin aus dem Süden‘ längst gespürt. Mit ihren Gastgeschenken war sie gleichsam eingestiegen in das Räderwerk, die Spirale der Konkurrenz, und der König hatte pariert. Konnten ihre Gaben das aufwiegen? Konnte sie mithalten? In jeder Bescherung, in jedem Gabentausch, liegt das Risiko eines Ungleichgewichts, ein Moment, da man sich unterlegen fühlt oder gar das Gefühl hat, sein Gesicht zu verlieren. ‚Kinder, das war doch nicht nötig! Das war viel zu teuer. Wie soll ich das wieder gutmachen?‘, ruft die Oma. Der Schriftsteller Martin Walser erzählt von einem Erlebnis am Heiligen Abend in Wasserburg. Niklaus, ein alter Diener im Haus,  dankte nach der Bescherung mit Handschlag, drehte sich dabei aber ‚fast‘ zur Seite, denn er konnte und wollte denen, ‚die ihn beschenkt hatten, nicht in die Augen sehen‘.

VII

Ja, ein ‚tiefes Wasser … ein sprudelnder Bach‘ (Spr 18,4) sind die Worte der Makeda!  ‚Ein hörendes Herz‘ (1.Kön. 3,9) vernimmt nur der, der selbst hört – und sei es ein Flüstern und Plätschern. Sie stellt mutig Salomos fabelhaften Reichtum vor Gott. Alles, was wir schenken, tauschen, geben oder nehmen, alle Gaben haben soz. einen Ferne- und damit einen Verantwortungshorizont. Ohne diesen werden sie zum Raub  und ein prunkvoller Palast zur Luxusbude eines Neureichen. Das ist der kritische Akzent der königlichen Sprachgabe; heute sage ich: ihres Weihnachtsliedes. Woher das alles? Wer hat es erarbeitet? Wem kommt es zugute? Möge dein Reichtum dir nicht zu Kopfe steigen und dich verderben. ‚Recht und Gerechtigkeit‘ möge er üben  und seine Weisheit wie auch seine Güter zum Wohle des Volkes, das ‚der Herr liebhat‘, einsetzen.

Wenn später andere, die Magier aus dem Osten, nach Jerusalem reisen und nach dem ‚neugeborenen König der Juden‘ (Mt. 2,2) fragen, so ist genau dies ihr Kriterium: Wo ist der, der die Menschen auf den Weg des Friedens leitet und Gerechtigkeit übt? Sie ziehen bekanntlich nach Bethlehem weiter und finden dort das Kind, und er, Jesus, wird erwachsen geworden als der wahre König Israels, ‚größer, mehr als Salomo‘, der ‚Königin vom Süden‘ (Mt 12,42) Reverenz erweisen.

VIII

In der Mitte des Raumes ein Brunnen.  Was wäre ein goldener Palast ohne ‚Ströme lebendigen Wassers‘ (Joh 7, 38)? Und was wären alle Gaben ohne dies ‚gewisse Etwas‘, das auf den Geber und seine größte Gabe verweist: ‚Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren‘.  Unsere Gaben bedürfen soz. der Lösung, der Erlösung, so daß sie ‚Anmut‘ und ‚Charme‘ erhalten, aufsteigen können und uns mit dem verbinden, von dem sie kommen.

Vielleicht, nein, gewiß: Weil Makeda ihm dieses Lied geschenkt hat, ihm persönlich also sein Christfest einläutete, kann der König am Ende in  märchenhafter Großzügigkeit zwanglos die Hände öffnen: ‚Und Salomo gab der Königin von Saba alles, was ihr gefiel und was sie erbat, außer dem, was er ihr von sich aus gab‘. 

(Gebet nach der Predigt):

Ich steh an deiner Krippen hier, / o Jesu, du mein Leben./ Ich komme, bring und schenke dir/, was du mir hast gegeben. / Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, / Herz, Seel und Mut, nimm alles hin, / und laß dir‘s wohl gefallen.  (eg 37.1)

Liedvorschläge: Wißt ihr noch, wie es geschehen (eg 52)/ Wie schön leuchtet der Morgenstern (eg 70) /  Mit den Hirten will ich gehen (eg 544) / Jesus ist kommen (eg 66,7.8) / G.F. Händel, Einzug der Königin von Saba https://www.youtube.com/watch?v=KDCcqczz-vY


Jochen Riepe

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Lit.: M. Nitsche, ‚und das Königtum war fest in der Hand Salomos‘, 2015/ R. M. Rilke, Geburt Christi (1912)  /M. Walser, Ein springender Brunnen. Roman (2000) 5. Auflage 2017 / H.-Chr. Askani, Rechtfertigung und Gabe. ÖR 60 (2/ 2011) https://uol.de/f/4/inst/theologie/download/Oekum._Rundschau_Gabe_und_Rechtfertigung.pdfH. / M.L. Frettlöh, Der Charme der gerechten Gabe, in: J. Ebach et al. (Hgg.), ‚Leget Anmut in das Geben‘ Zum Verhältnis von Ökonomie und Theologie, 2001, S. 105ff

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