1.Korinther 2,12-16

1.Korinther 2,12-16

Gottes Geist hilft zu erkennen, was uns von Gott geschenkt ist | Pfingstsonntag | 27.05.2023 | 1.Kor 2,12-16 | Thomas Volk |

Liebe Gemeinde,

Pfingsten ist ein Fest, das Menschen in Bewegung bringt.

Das war schon damals so, als die Jünger Jesu in einem Haus waren, ein Sturm der Begeisterung sie erfüllte und sie Feuer und Flamme für die Botschaft von der unendlichen Zuwendung Gottes zu den Menschen wurden. Alle Zweifel und alle Ängste waren auf einmal wie weggepustet. Sie konnten mutig und überzeugend verkünden: Gott hat den gekreuzigten Jesus auferweckt. Alle, die an ihn glauben, bekommen eine neue Sicht auf das Leben. Sie bekommen einen Blick dafür, wie bunt und wie reich das eigene Leben ist und sagen es weiter.

Und heute? Natürlich wünschen wir uns das auch. Begeisterung für ein Leben, das mit Gottes Geist, mit seiner Kraft, so bunt aussehen und vielfältig gestaltet werden kann. Es wäre schön, wenn dieses Pfingstfest eine neue Bewegung von begeisternden Menschen wie damals in Jerusalem auslösen würde. Und es wäre wunderbar, wenn der kommende Kirchentag, der in 10 Tagen in Nürnberg beginnt, eine ähnliche Bewegung wie damals in Jerusalem auslösen würde.

Der Apostel Paulus denkt Pfingsten ein wenig kleiner. Er spricht in einem Abschnitt im 1.Korintherbrief davon, dass Pfingsten bereits im Kopf beginnt. Pfingsten ist so etwas wie ein gedanklicher Prozess. Ich lese aus dem 2.Kapitel, die Verse 12-16:

12 Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt empfangen,
sondern den Geist, den Gott selbst uns schickt.
So können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat.

13Davon reden wir nicht in Worten,
wie sie die menschliche Weisheit lehrt.
Sondern wir reden in Worten,
die der Geist Gottes lehrt.
Mit seinen Worten erklären wir,
was er selbst uns offenbart.

14Der Mensch nimmt mit seinen natürlichen Fähigkeiten
nicht das an, was vom Geist Gottes kommt.
Er hält es für Dummheit
und kann damit nichts anfangen.
Denn nur mithilfe des Heiligen Geistes
kann es richtig eingeschätzt werden.

15Aber ein von Gottes Geist erfüllter Mensch
kann das alles richtig einschätzen.
Dabei kann sich kein anderer ein Urteil über ihn anmaßen.

16Denn wer kann feststellen, was der Herr im Sinn hat,
und ihn beraten?
Aber was wir im Sinn haben,
das kommt von Christus her.

(Textfassung: BasisBibel)

Paulus unterscheidet zwischen dem „Geist der Welt“ und dem „Geist, den Gott uns schickt“ (V.12). Und mithilfe des Geistes, den Gott gibt, „können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat“ (V.12).

Es ist, als ob Gottes Geist uns darauf hinweisen möchte: „Siehst du nicht? Wie reich dein Leben eigentlich ist? Was dir alles schon zugekommen ist? Was auf einmal da war? Wie sich dieser eine Weg dann doch aufgetan hat? Wie dir Hilfe zugefallen ist? Wo du gespürt hast, dass du doch nicht alleine, sondern begleitet und behütet warst?“

Ich halte dieses Erkennen für so wichtig, weil wir immer auch geeicht sind, auf das andere zu sehen: Auf das, was uns fehlt. Auf das, worauf wir vergeblich gehofft haben. Auf das, was dann doch nicht eingetreten ist. Auf die Bewerbungen, bei denen andere zum Zug gekommen sind. An wie vielen Stunden, in denen wir gegrübelt haben: „Was wäre wenn … .“

Die Jugendlichen, die in diesen Wochen Abschlussprüfungen schreiben, haben es gut. Sie können noch „den einen“ Weg einschlagen, können überlegen und aussuchen, was sie einmal machen wollen, wo Sie arbeiten und welche großen Projekte Sie überhaupt angehen möchten.

Bei vielen von uns sind die großen Weichenstellungen schon geschehen. Und manchmal kommt die Frage auf, wie das Leben verlaufen wäre, wenn wir an dieser einen Wegmarkierung den anderen Weg eingeschlagen hätten.

Für alle, die manchmal so grübeln, hat der Apostel Paulus eine interessante Einteilung gemacht. Er unterscheidet zwischen dem Mensch „mit seinen natürlichen Fähigkeiten“ (V.14) und einem „von Gottes Geist erfüllten“ Mensch“ (V.15)

Der Mensch mit seinen „natürlichen Fähigkeiten“ ist nicht nur derjenige, der etwas herstellen, bauen oder machen kann, also alles, was zu sehen ist. Paulus meint damit vor allem auch den Blick darauf. Und manches, was wir sehen, kann uns auf den ersten Anblick richtig beeindrucken.

Der „Mensch mit seinen natürlichen Fähigkeiten“ sieht auf dieses Äußere, auf die imposante Erscheinung, auf das Aussehen und Ansehen bei anderen. Auf die, die beim Klassentreffen von großen Geschäften, von weiten Reisen und von abenteuerlichen Begegnungen erzählen können. Er sieht auf die PS-Zahlen beim Auto oder auf die schwarzen Zahlen beim Konto.

Aus dem 1.Korintherbrief geht hervor, dass sich bereits die Einwohner der Stadt Korinth von Äußerlichkeiten haben beeindrucken lassen. Sie haben auf wortgewaltige Redner in ihrer Gemeinde geschaut, die auch mit ihrem Auftreten auffällig gewirkt haben. Diese Personen haben den Eindruck erweckt, als ob sie vom christlichen Glauben eine ganze Menge verstanden hätten, jedenfalls mehr als viele andere. Und dann hat es Stress gegeben, weil es Grüppchen gegeben hat, die sich aufgrund von solchen Äußerlichkeiten jeweils von bestimmten Personen haben beeindrucken lassen. Es ist Konkurrenzdenken und Neid aufgekommen, das mit christlicher Gemeinschaft, wie sie Jesus vorgelebt hat, nichts mehr zu tun hatte.

Paulus versteht unter „natürlichen Fähigkeiten“ all das, was vom äußeren Erscheinungsbild her beeindruckt. Und wie oft sieht man mehr Schein als Sein.

Pfingsten will uns verhelfen, dass wir „von Gottes Geist erfüllte Menschen“ werden können. Pfingsten möchte uns zu solchen Menschen machen, denen der Geist Gottes die Augen neu öffnet. Damit wir uns von Äußerlichkeiten nicht blenden lassen und vor allem nicht immer nur vergleichen, etwa unsere Lebensgeschichte mit denen von anderen messen. Oder auflisten, wie andere doch bessere Startbedingungen damals hatten.

Paulus sagt: „Ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen“ (V.15). Er begreift, dass so vieles im Leben nur Fassade ist. Und nicht immer ist der teure Sportwagen eigenes Eigentum, sondern nur für einen Tag geliehen um aufzufallen. Anderes ist nur von kurzer Dauer und verweht bald.

Ein „von Gottes Geist erfüllter Mensch“ bleibt nicht beim „äußeren Erscheinungsbild“ mit Sonnenbrille und coolem Shirt hängen. Er und sie sehen dahinter.

Ein von Gottes Geist erfüllter Mensch“ kann mit ganz anderen Augen sehen und vor allem auch das eigene Leben aus neuem Blickwinkel betrachten. Er entdeckt vieles, was das eigene Leben reich gemacht hat. Er erkennt, was alles im Leben von Gott geschenkt ist. Er sieht die Spuren, die man selbst gegangen ist, weil sie zum eigenen, unverwechselbaren Leben gehören. Diese Spuren sehen nur wir. Niemand anderes. Wir sehen sie, weil wir selbst diese Wege gegangen sind und auf ihnen so viel einmaliges und unvergleichliches erlebt haben.

Das kann eine Aufgabe für die nächsten Tage und Wochen sein. Sich bewusst zu machen und neu zu überlegen: „Was ist mir geschenkt? Von Gott? Was ist alles in meinem Leben Gnade gewesen – nicht verdient. Wo gab es einen Neuanfang? Wo bin ich gut durchgekommen? Was hätte auch ganz anders ausgehen können? Was hat mich glücklich gemacht und nur mich, weil dieser Glücksmoment zu meinem ganz eigenen Leben gehört hat.“

Schon klar: unsere Rahmenbedingungen sind unterschiedlich gewesen. Manche von uns haben es vielleicht leichter gehabt, mit dem Lernen, mit dem Startkapital oder mit dem großen Hof, der schon da gewesen ist.

Aber solange wir Gedanken und Vorstellungen daran verschwenden, was alles hätte sein können, welche Chancen wir verpasst, welche Laufbahn wir versäumt, welche Bildung wir vermisst haben, welche Gesundheit uns nicht zuteilwurde und welche Träume unerfüllt geblieben, solange füttern wir die „natürlichen Fähigkeiten“ und bleiben immer unzufrieden und vielleicht auch verbittert.

Deshalb singen und bitten wir auch heute in dem stets aktuellen Pfingstlied „O komm, du Geist der Wahrheit“: „Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein!“ (EG 136,1).

Gib mir „Licht und Klarheit“, weil es höchste Zeit ist zu leben und sich nicht mehr mit dem zu quälen, was hätte sein können. Lass mich mein Glück darin finden, was ich jetzt – im Rahmen meiner Möglichkeiten – tun kann.

Und verbanne „Trug und Schein“ in meinem Leben, damit ich nicht immer auf die anderen schaue und vergleiche. Hinter so mancher Stelle, die so toll klingt, hinter so mancher Türe, hinter so manchem glänzenden Schein sieht es anders aus.

Pfingsten kann die Verhältnisse wieder ein Stück weit zurechtrücken. Alleine zu wissen: „Gott ist in all den Jahren bei mir gewesen und hat mich auf meinem ganz eigenen Weg weitergebracht, ist Pfingsten.

Schon das Wissen: Gott hat mich manches erkennen lassen, ist bereits Erleuchtung.

Und die Einsicht: Nicht ich, sondern Gott hat mich von mancher Wunschidee abgebracht, so dass ich mich nicht verrannt habe, sondern auf einen neuen Weg gekommen bin, ist Heiliger Geist.

Der Apostel hat das so umschrieben: „Ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen“ (V.15).

Auch das gehört zum heutigen Tag: Zu wissen, dass Gottes Geist wie ein Wind noch manches im Leben aufdecken möchte, darunter auch einiges, was ich vielleicht noch gar nicht entdeckt und erkannt habe.

Manchmal kommt dabei einiges durcheinander, wie bei dem Mann, der auf dem Wohnzimmertisch seine ganze Ablage neu sortieren wollte und nach dem Lüften feststellen musste, dass ein Großteil der Zettel auf dem Boden lag. Und wie er sich noch ärgerte, entdeckte er unter dem Stapel einen Brief, den er vor Jahren schon bekommen hatte und in dem sich jemand auf das herzlichste bei ihm bedankt. Diesen Brief hatte er schon längst abgeschrieben, aber das erneute Lesen erfüllte ihn erneut mit großem Dank.

Nicht nur unter alten Ablagen, sondern auch in unserem Leben liegen Schätze verborgen. Manchmal braucht man Jahre, ein anderes Mal ein ganzes Leben, um sie zu entdecken und heben.“

Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und um-fangreicher ist als alles, was uns in seinen Bann ziehen will, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Thomas Volk, geb. 1962, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern. Seit 2021 Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Kissingen mit dem Schwerpunkt „Konfirmanden- und Jugendarbeit“.


Mail: thomas.volk@elkb.de

Instagram: thomas.volk.15

Facebook: Thomas Volk BK


Liedvorschläge:

Zu Beginn: Lied: EG 133,1+5-7 (Zieh ein zu deinen Toren)

Kyrie: EG 178,11

Gloria: EG 228,7

Vor der Predigt: EG 564,1-3 (Komm, Heilger Geist)

Nach der Predigt: Lied: EG 136,1-2+7 (O komm, du Geist der Wahrheit)

Liedstrophe zum Ausgang: EG 570,1+2

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