1. Petrus 1,13-21

1. Petrus 1,13-21

| Heil – Heiligung – Heilung | Okuli | 03.03.24 | 1. Petr 1,13-21| Paul Wellauer |

| Lesung Predigttext 1. Petrus 1,13-21| Die Zürcher Bibel, 2007* |

| Leben in der Heiligung |

13 Darum umgürtet die Hüften eurer Vernunft, seid nüchtern und hofft ganz und gar auf die Gnade, die auf euch zukommt bei der Offenbarung Jesu Christi! 14 Als Kinder des Gehorsams lasst euch nicht von den Begierden leiten, die euch früher, als ihr noch unwissend wart, beherrscht haben, 15 sondern entsprecht dem Heiligen, der euch berufen hat, und werdet selbst Heilige in eurem ganzen Lebenswandel; 16 denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. 17 Und wenn ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet aufgrund seines Tuns, dann führt, solange ihr in der Fremde weilt, ein Leben in Gottesfurcht. 18 Ihr wisst doch, dass ihr nicht mit Vergänglichem, mit Gold oder Silber, freigekauft wurdet aus einem Leben ohne Inhalt, wie es euch von den Vätern vorgelebt wurde, 19 sondern mit dem teuren Blut eines makellosen, unbefleckten Lammes, mit dem Blut Christi. 20 Ausersehen dazu war er vor Grundlegung der Welt, erschienen aber ist er am Ende der Zeiten, um euretwillen, 21 die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit verliehen hat. So können sich euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott richten.

22 Im Gehorsam gegenüber der Wahrheit habt ihr eure Seelen rein gemacht, frei für die Liebe unter Brüdern und Schwestern, die keine Verstellung kennt; so liebt denn einander aus reinem Herzen, ohne nachzulassen! 23 Denn ihr seid neu geboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch das Wort des lebendigen, ewigen Gottes.

Selig ist jeder Mensch, der Gottes Wort hört, in seinem Herzen bewahrt und danach lebt. Amen

Predigt | Heil – Heiligung – Heilung

Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern durch die Liebe und Gnade Gottes,

Heil, Heiligung und Heilung: Mit diesen drei «grossen Worten» habe ich meine Predigtgedanken zum heutigen Text aus dem Petrusbrief überschrieben. Die drei Begriffe klingen nicht nur ähnlich, sie haben auch viel miteinander zu tun, hängen inhaltlich zusammen. Dem Verfasser des Petrusbriefes war es sehr wichtig, die Leser/-innen seines Briefs zu vergewissern, dass sie Gottes Heil erfahren haben. Und dieses göttliche Heil hat eine Wirkung bei allen, die es in ihrem Glauben und Leben erfassen: Sie möchten, dass ihr Leben etwas von Gottes Güte und Gnade widerspiegelt, dass etwas von seiner göttlichen Heiligkeit auch in ihrem Denken und Verhalten spürbar wird. Dafür wird der Begriff Heiligung verwendet. Und im Verlauf dieses Prozesses geschehen immer wieder wunderbare Veränderungen: Innerliche und äussere Heilung, so dass ein Mensch denkt: «Ich fühle mich wie neu geboren.» Zur äusseren Heilung gehört auch, dass Beziehungen geklärt und von Liebe und Vergebung geprägt werden.

  1. HEIL

In unserer Gemeinde führen wir seit vielen Jahren im ersten Quartal einen Glaubenskurs zu den Grundfragen des christlichen Glaubens durch. Neben den Gruppengesprächen gibt es auch Gespräche unter vier oder sechs Augen, in denen ganz persönliche, auch seelsorgerliche Fragen besprochen werden. Die Frage nach der «Glaubens- und Heilsgewissheit» taucht dabei immer wieder auf: «Darf ich wirklich darauf vertrauen, dass Gottes Gnade auch mir gilt: Ich hatte auch viele «dunkle», Gott ferne Lebensphasen?» Oder: «Wie kann ich Gewissheit erlangen, dass ich von Gott in Zeit und Ewigkeit angenommen bin?» Im vertraulichen Gespräch können auch die dunklen Lebensmomente ausgesprochen und vor Gott ausgebreitet werden. Manchmal wird aus einem solchen Gespräch eine eigentliche Lebensbeichte. Und wie bei der Beichte ist auch in diesen Gesprächen das Wesentliche die Vergebung Gottes, die zugesprochen und angenommen werden darf. «Vergib uns, wie auch wir vergeben», beten wir im Unser Vater kurz und prägnant. Manchmal fliessen Tränen, ein andermal wird ganz nüchtern festgestellt: «Nun machen diese Worte aus dem Unser Vater für mich endlich Sinn.» Und hin und wieder wird zum Ende des Gesprächs von der einen oder anderen Seite gefragt: «Darf ich dich umarmen?» Die sicht- und spürbare Umarmung wird zum Zeichen für Gottes gnädige Annahme. So sicher mich diese «irdischen» Arme halten und mir Geborgenheit schenken, darf ich glauben: «Gott im Himmel hält mich. Er vergibt gern. Seine Gnade und sein Heil gelten mir ganz persönlich. Ich will ihm vertrauen, mich von seinen Armen halten und leiten lassen in Zeit und Ewigkeit.»

Im Petrusbrief lautet die Einladung zur Glaubens- und Heilsgewissheit weit prosaischer: «Darum umgürtet die Hüften eurer Vernunft, seid nüchtern und hofft ganz und gar auf die Gnade, die auf euch zukommt bei der Offenbarung Jesu Christi!» (Vers 13) «Seid nüchtern und hofft»: Keine grossen Gefühle, sondern eine sachliche Entscheidung und ein bewusstes Hoffen bilden den Zugang zur Gnade aus Gottes Offenbarung. Rätselhaft wirkt die Formulierung «Umgürtet die Hüften eurer Vernunft». Über römische Soldaten habe ich gelernt, dass sie ein Hemd trugen, dass bis zu den Waden reichte, die Tunika. Für den Kampf oder schnelle Märsche zogen sie den Gürtel enger an und die Tunika nach oben, damit sie wendiger und sicherer auf den Beinen waren. Wenn wir «die Hüften unserer Vernunft umgürten», stehen wir demnach vernünftig und sicher auf unseren Beinen und sind nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gottes Heil schenkt unserem Leben einen sicheren Boden, auf dem wir stehen und gehen können.

Auch die wesentlichen Inhalte von Gottes Heilswerk werden schnörkellos in Erinnerung gerufen: «Ihr wisst doch, dass ihr nicht mit Vergänglichem, mit Gold oder Silber, freigekauft wurdet aus einem Leben ohne Inhalt, wie es euch von den Vätern vorgelebt wurde, sondern mit dem teuren Blut eines makellosen, unbefleckten Lammes, mit dem Blut Christi.» (Verse 18-19) «Jesus hat den Preis für dein Heil bezahlt», könnte man noch knapper zusammenfassen. Der Petrusbrief setzt dieses Wissen bei seinen Leser/-innen voraus, stellt es aber in einen umfassenden Zusammenhang: «Ausersehen dazu war er [Jesus Christus] vor Grundlegung der Welt, erschienen aber ist er am Ende der Zeiten, um euretwillen, die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit verliehen hat. So können sich euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott richten.» (Verse 20-21) Diese Ausrichtung auf Gott im Glauben und Hoffen darf und soll bei den Gläubigen Auswirkungen haben, womit wir beim zweiten Schwerpunkt sind:

  1. HEILIGUNG

Der Schreiber des Petrusbriefs wählt eine einfache alttestamentliche Formel, welche die Leser/-innen überzeugen soll: «Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.» (Vgl. 3.Mose 11,44-45 & 19,2) Gottes Heil bewirkt einen qualitativen Wandel im Geist, in der Seele der Glaubenden, dies soll sich auch im alltäglichen Leben auswirken. Für das «alte Leben» galt: «Ihr habt euch von euren Begierden leiten lassen und wart unwissend» (Vers 14), das «neue Leben» soll von Reinheit und Liebe geprägt sein.

Wie kann das gelingen? Zweimal erwähnt unser Text das Schlüsselwort: Gehorsam. «Als Kinder des Gehorsams…» (Vers 14) und «Im Gehorsam gegenüber der Wahrheit…» (Vers 22).

Nun ist «Gehorsam» nicht gerade ein Trendwort in der heutigen Zeit. Es gibt aber Bereiche des Lebens, in denen sich auch heute Menschen freiwillig und gerne gehorsam ein- und unterordnen, u.a. im Mannschaftssport. Der Trainer hat den Überblick, bestimmt die Strategie und weiss, wie man die gesetzten sportlichen Ziele am besten erreicht, die Trainerin gibt klare Anweisungen für Einzelne und die ganze Mannschaft, welche das Team zusammenbinden und vorwärtsbringen. Bei meinen Söhnen dröhnt aus dem Mannschaftslautsprecher jeweils ein Song des Rappers Kontra K (aus dem Album «Aus dem Schatten ins Licht»): «Erfolg ist kein Glück! Sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiss und Tränen – das Leben zahlt alles mal zurück!» Der Liedtext macht deutlich: «Von nichts kommt nichts» – oder «Ohne Schweiss (Fleiss) kein Preis!»

Im Petrusbrief lesen wir an verschiedenen Orten, dass Christsein auch Kämpfe, Leiden und Auseinandersetzungen bedeuten kann. In unserem Abschnitt ist dies nur angedeutet: «…führt, solange ihr in der Fremde weilt, ein Leben in Gottesfurcht.» (Vers 17) Das Leben in dieser Welt ist ein Leben in der Fremde, eine Zeit der Bewährung, der Herausforderungen und des inneren Wachstums. Wer die Kämpfe bestehen und an Stärke und Vertrauen zunehmen will, dem empfiehlt der Text Gehorsam: Gehorsam gegenüber Gottes Wahrheit als Kinder Gottes.

Wenn wir erleben, dass unsere Eltern und unsere Trainer/-innen im Sport es gut mit uns meinen, hören wir gerne auf ihre Anweisungen und ihren Rat. Diese Art von Gehorsam bringt uns voran, lässt uns einem höheren Ziel entgegenfiebern, für das zu kämpfen es sich lohnt. Es geht in diesem Training der Heiligung nicht darum, einen Pokal oder eine Medaille zu gewinnen, sondern unsere Leidenschaft soll es sein, uns in dieser Welt mit Kopf, Herz und Händen für die Liebe einzusetzen. Darüber hinaus sind wir «berufen zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, er wird euch nach einer kurzen Zeit des Leidens zurechtbringen, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen.» (1.Petrus 5,10) So lohnt sich Heiligung und setzt uns frei: «Im Gehorsam gegenüber der Wahrheit habt ihr eure Seelen rein gemacht, frei für die Liebe unter Brüdern und Schwestern, die keine Verstellung kennt; so liebt denn einander aus reinem Herzen, ohne nachzulassen!» (Vers 22) Freiheit wird ja heute oft ausschliesslich als «Freiheit von» verstanden: Freiheit von Grenzen und Einschränkungen, Freiheit von Verantwortung und Verbindlichkeiten. Der Petrusbrief spricht hier von der «Freiheit für»: «frei für die Liebe unter Brüdern und Schwestern, …» Und damit beginnt meines Erachtens der dritte Punkt:

  1. HEILUNG

Wo wir nicht zuerst fragen: «Was bringt mir das? Was habe ich davon? Erlebe ich dabei, dass ich geliebt werde?» Sondern wo die erste Frage ist: «Für wen will Gott mir heute seine Liebe schenken? Welche Schwester, welcher Bruder hat meine Zuwendung und Wertschätzung wohl heute besonders nötig?», da ist bereits ein Stück Heilung geschehen. Beim Stichwort Heilung denken wir als Menschen unserer Zeit zunächst an unsere je eigenen Gebrechen und Unzulänglichkeiten: Für diese wünschen wir uns Linderung, Genesung, Heilung. Der Schreiber des Petrusbriefs hat da einen grösseren Blick: Er wünscht sich Heilung für den Leib Christi, für die Gemeinde, er betet um Heilung für Gottes Volk und alle, die Gottes frohmachende Botschaft noch nicht kennen.  (Vgl. 1.Petrus 2,11; 3,15)

Göttliche Heilung ist jedoch weit umfassender und vielschichtiger als Linderung von Symptomen. Jesus hat leidende Menschen jeweils auf ihre seelische Last, ihre Schuld und deren Vergebung angesprochen. Er hat ihnen Heilung und Erneuerung an Geist, Seele und Leib ermöglicht. Und auch ihre Beziehungsfähigkeit wurde geheilt.

In den Heilungsgeschichten von Jesus ging es oft auch um Unreinheit und Reinheit: Wer als unrein galt, war aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, nur Reine durften an Feiern, Gottesdiensten und am gemeinschaftlichen Leben teilnehmen. Jesus schenkt mit seiner Heilung und Reinigung auch die Möglichkeit, wieder am Leben der Gemeinde teilzuhaben. Wenn wir für Menschen beten, die an einer Krankheit leiden oder sich auf einen medizinischen Eingriff vorbereiten, sollten wir daher nicht allein für ihre Genesung beten, sondern auch für die Klärung und Heilung ihrer Beziehungen: Die Beziehung zu Gott, zu Mitmenschen und zur Gemeinde.

Dass Beziehungen innerhalb der Gemeinde und zur Aussenwelt voller Herausforderungen sind, ist auch dem Schreiber des Petrusbriefes klar: Einige dieser Problemfelder spricht er in den weiteren Kapiteln seines Briefes an. Er ist aber bei allen Kämpfen und Ansprüchen guter Dinge und vertraut darauf, dass Gott die wesentliche Voraussetzung bereits geschenkt hat: «Denn ihr seid neu geboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch das Wort des lebendigen, ewigen Gottes.» (Vers 23) Gott legt uns nicht auf unser «altes Ich» fest, sondern sieht in uns die «neue Kreatur», (vgl. 2. Korinther 5,17) die seine Heilsbotschaft in uns geschaffen hat.

Heil: Der Schreiber des Petrusbriefes möchte, dass wir zutiefst ruhig und vertrauensvoll glauben und vertrauen, dass Jesus Christus für unser Heil sorgt. Dies darf uns so sicher sein, wie die liebevolle Umarmung, die der gute Vater dem «verlorenen» Sohn schenkt.

Heiligung: Unsere Antwort auf Gottes Heil, Gehorsam ist der Schlüssel und unser «Training» kann auch «Blut, Schweiss und Tränen» bedeuten.

Heilung: Ist immer auch Heilung unserer Beziehung – zu Gott, zum Mitmenschen und zur Gemeinde.

«Spürt und seht, wie gütig ER ist. Wohl dem, der bei ihm Zuflucht sucht.

Meide das Böse und tue das Gute, suche Frieden und jage ihm nach.

ER ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens, hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.»
Psalm 34,6.15.19

AMEN

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Alternativer Psalm: Psalm 25 Leite mich in deiner Wahrheit («Namensgebender» Psalm für Okuli)

Liedvorschläge **)

ERG 239 Gelobet sei der Herr

ERG 408 Dies ist der Tag, den Gott gemacht

ERG 450 Liebe, du ans Kreuz für uns erhöhte

ERG 451 Holz auf Jesu Schulter

ERG 478 Jesus, meine Zuversicht

ERG 482 Jesus lebt, mit ihm auch ich

ERG 798 So jemand spricht: «Ich liebe Gott»

RW 72 In Christus ist mein ganzer Halt

RW 93 Lass die Worte, die ich sag

RW 97 Sein wie du

*) Die Zürcher Bibel, Ausgabe 2007, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich

**) ERG = Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich 1998

RW = Rückenwind, Lieder für den Gottesdienst, Hrsg. Evang Landeskirche des Kantons Thurgau, Theologischer Verlag, Zürich 2017

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Pfr. Paul Wellauer, Bischofszell, Schweiz

E-Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch

Web: www.internetkirche.ch | www.internetkirche.ch/livestream

Paul Wellauer, geb. 1967, Pfarrer und Mitglied im Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in der Stiftung Sozialwerke Pfr. Ernst Sieber, Zürich

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