1. Petrus 3, 8-15a (15b-17)

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1. Petrus 3, 8-15a (15b-17)

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


4. Sonntag nach
Trinitatis

16.7.2000
1. Petrus 3, 8-15a (15b-17)


Detlef Reichert


8. Endlich aber seid allesamt gleichgesinnt, mitfühlend, voll
Bruderliebe, barmherzig, demütig.
9 Vergeltet nicht Böses mit
Bösem oder Schmähung mit Schmähung sondern im Gegenteil segnet,
denn dazu seid ihr berufen, dass ihr Segen erbt.
10. Denn wer leben will
und gute Tage sehen, der hüte seine Zunge, dass sie nicht Böses rede,
und seine Lippen, das sie nicht trügen.
11 Er wende sich vom
Bösen, er suche Frieden und jage ihm nach und tue Gutes.
12 Denn die
Augen des Herren sind auf die Gerechten gewendet und seine Ohren auf ihr Gebet,
doch das Angesicht des Herren kehrt sich gegen die, die Böses tun.
13
Wen gibt es, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?

14a Aber selbst wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden solltet, seid
ihr selig.
14b Was euch Furcht einjagt an ihnen, fürchtet nicht und
lasst euch davon nicht erschrecken.
15a Heiligt den Herren Christus in
euren Herzen. 15b Seid zu jeder Zeit bereit zur Verantwortung jedem
gegenüber, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die
in euch ist.
16 Tut dies mit Sanftmut und Gottesfurcht und habt ein gutes
Gewissen, damit gerade darin, worin ihr verleumdet werdet, eurem guten
Lebenswandel in Christus, die beschämt werden, die euch darin verleumden.

17 Denn es ist besser, wegen guter Taten zu leiden, wenn Gott das so
wollte, als wegen schlechter Taten.

Liebe Gemeinde,
wie immer Sie die langen zehn Verse des
Predigttextes für den heutigen Sonntag aus dem 1.Petrusbrief
mitgehört haben, zustimmend und aufnehmend, weil in der Grundhaltung die
Schlüsselworte vertraut sind, oder mit dem eigenen inneren Kurzkommentar,
„das geht doch vorbei an aller Wirklichkeit, in der ich mich bewege“, oder
vielleicht auch mit einem kleinen Stoßseufzer, „es wär doch ganz
schön, wenn es so wäre“, wie immer jede und jeder von Ihnen diese
Verse beim ersten Hören eingeschätzt haben, deutlich ist das
Bemühen des Petrus, eine Linie zu finden und aufzuzeigen , wie das geht:
Leben miteinander, Leben vom Glauben her.

Es ist irgendetwas von dem, was wir heute individuell Lebensstil
nennen oder aufs Ganze bezogen Grundmuster des Miteinanders. Jede Gemeinschaft
hat sie in einem Mindestmass nötig, wenn es nicht vollends drunter und
drüber gehen soll, – Punkte und Grundsätze, auf die man sich
miteinander verständigt hat, auf die man sich verlassen kann, die gelten
und -möglichst weitgehend- einsichtig sind.

Von einem anderem Ausgangspunkt her als Petrus kennen wir die
analoge Situation. Nicht: Was gilt als Norm, und warum soll ich mich wie
verhalten, mit welcher Konsequenz?
Sondern wir kennen dies als: Was soll
noch als Norm Bestand haben, und was soll anders gelten? Die ganze schillernde
Diskussionslage der derzeitigen politischen Landschaft, wie wir sie
täglich vorgeführt bekommen, zeigt unser Bild dazu. Es geht über
Grundwerte, Sozialgesetze, Steuerreform, Rentenreform, Gesundheitsreform und so
weiter bis hin zum Hamburger Weg gleichgeschlechtlicher Lebensformen oder
Straßenmaut statt Steueranteil am Literpreis Benzin. Eine Fülle von
Entwürfen, Anregungen, Vorschlägen, angeheizte Debatten und alle
Beteiligten auf der Suche nach kurz- oder langfristigen Bundesgenossen.
Verschiedenste Gruppen, die mit Lösungen versuchen, eigene Linien
umzusetzen, von ihren Zielen bestimmt, oft genug ohne deren Begründungen
zu formulieren.

Suche nach Grundkonsensen, nach Modellen zum Leben. Petrus
entwirft seines. Er schreibt es den kleinasiatischen Gemeinden, die sich da
ein, zwei Generationen nach Tod und Auferstehung Jesu einrichten müssen in
ihrer Welt, die ihre eigene Normen hat und auch ihr harsches Umgehen mit denen,
die als Gemeinden Jesu Christi Neues leben wollen, die davon reden und sich
ausbreiten.

Nun klingt das alles bei Petrus gar nicht schwebend, sondern
deutlich, klar und bestimmt. Durchaus beneidenswert. „Seid gleichgesinnt,
mitfühlend, voller Bruder- oder Geschwisterliebe, barmherzig,
demütig, vergeltet nicht Böses mit Bösem“.

Dabei, wenn man noch einmal hinschaut, merkt man „Ohne“ kann auch
Petrus nicht. Nämlich nicht ohne Rückbezüge und Rückgriffe.
Er sagt, was er sagen will, und dann greift er zu einem langen Zitat aus dem
Alten Testament. Mit ihm wiederholt er Ähnliches noch einmal, „wer leben
will und gute Tage sehen, der hüte seine Zunge, dass sie nicht Böses
rede, und seine Lippen, dass sie nicht trügen.“ Abgesicherte, akzeptierte
Erfahrung soll stützen, was er sagt. So machen wir das, wenn uns am
Überzeugen liegt, Petrus macht das auch so. Die Akzente sind nicht ganz
deckungsgleich, aber das Wesentliche wird gestützt.

Ob es den Gemeinden damals geholfen hat, ihren Alltag zu bestehen
und ihren Glauben in ihm zu bewähren? Was war davon anwendbar, wo blieben
vielleicht Spuren davon, aufweisbar bis zu uns? Oder wie wir zu fragen gewohnt
sind: Bringt es uns etwas, was Petrus da schreibt?

Ich erzähle jetzt keine Beispielsgeschichten zur
Nächstenliebe, keine Erfahrungen von Barmherzigkeit und auch nicht von
Gesprächsprotokollen zu gelungenen oder problematischen Versuchen in
Demut. Es gibt viele und es gibt gute davon, und Sie selbst kennen
genügend. Ich tue dies jetzt nicht, weil wir unweigerlich genauso schnell
wie mit den ersten Eindrücken zum Predigttext bei einem Mehr oder Weniger
an ja oder nein hängen blieben, – gefiltert und gerastert an der eigenen
Erfahrung und an der eigenen Einschätzung unserer Wirklichkeit.

Das Nadelöhr jeder Zustimmung oder Ablehnung zu dem
Verhaltenskodex, den Petrus da entwirft, ist der Grund, den er deutlich
herausstellt. Warum so handeln und so sich verhalten? Weil wir berufen sind, zu
segnen und Segen zu erben. Hier entscheidet sich, was an individuellem
Verhalten und gesellschaftlicher Konsequenz aus dem Glauben folgt. Hier
entscheidet sich, was der Predigttext hilft. Hier, wo die Rede davon ist, dass
Gott uns am Segnen beteiligt, dass wir selbst ermächtigt sind, andere zu
segnen, andere einzubeziehen in der Horizont der Verheißung zum Leben.
Hier, wo wir mit Petrus wahrnehmen können, dass wir selbst darin
einbezogen sind: Im in gutem Sinn aufeinander einzuwirken, – einem Menschen zu
seinem Recht zu verhelfen, – ihn anzuerkennen und ihn gelten zu lassen, – ihn
an dem von Gott möglich gemachten Platz zu sehen, – uns dafür
einzusetzen, dass dieser Platz ihm nicht streitig gemacht wird.

„Segnet, denn dazu seid ihr berufen“, das ist der Dreh- und
Angelpunkt dieser Verse mit seinem Zentrum in Christus. Von ihm geht der Segen
aus, er bezieht uns ein, von ihm erhalten wir ihn. Zu Christus, dem Grund,
gehören das Wie und die Konsequenz. Das Wie mit dem „heiligt den Herren
Christus in euren Herzen“ und die Konsequenz in der Hoffnungsrede, die
Rechenschaft gibt.

Wir stellen uns, bei Licht besehen, gerade dabei oft genug ein
Bein. Wir probieren, auf der Suche nach vermeintlicher Klarheit, immer wieder
zu trennen zwischen individuellem und gesellschaftlichem Handeln, um wenigstens
im Kleinen für uns zu retten, was im Ganzen für alle nicht zu gehen
scheint.

Dem entgeht Petrus mit einer einfachen Grunderkenntnis des
Glaubens:
Er begreift: Was anfängt, fängt in mir an, –
was in
mir anfängt, wirkt nach aussen, –
was in mir anfängt, das ist
das, was er, der Herr, in mir schon angefangen hat.
Heiligt den Herren
Christus in euren Herzen.
Wo ich das aufnehme, bleibe ich nicht bei mir
selbst und für mich selbst,
damit schaffe und behüte und
schütze ich nicht meine eigene, wichtige, aber kleine Welt,
und auch
nicht die des freundlichen und liebenden und lieben Miteinanders der
gemeinsamen Innenwelt aller Gleichgesinnten und Glaubenden,
sondern das
wirkt gerade damit und so nach aussen,
und es nimmt die Bezüge und
Verantwortungen wahr, in denen ich stehe, in die ich gestellt bin.
und es
führt mich zum Rechenschaftgeben von der Hoffnung

Was bleibt von den ersten Sätzen am Anfang der Predigt, den
ersten Eindrücken zwischen zu hoher Anforderung oder zu harter,
andersartiger Wirklichkeit? Was mache ich mit ihnen? Ich mache es mit Petrus
so:

Die Hoffnung, von der ich reden soll und will, steht nicht in
einem einzigen unaufhebbaren Widerspruch zu der langen Kette von Erfahrungen,
wie die Welt nun einmal ist. Hoffnung steht nicht gegen Realismus und
Wirklichkeitserfahrung, sondern sie nimmt beide auf, sie antwortet ihnen, und
sie weist beiden ihren Platz zu.

Da bleibt das Einspruchsrecht aller Wirklichkeitserfahrung, das
darin besteht, aufmerksam zu machen und immer wieder nachzuprüfen, dass
Hoffnung auf Christus nicht einfach auf eine Illusion heruntergeschraubt wird,
auch nicht auf die Hoffnung auf Einigkeit und Gemeinsamkeit, auf ein Leben in
Sanftmut und Friedfertigkeit, dass Hoffung nicht auf eine Illusion
heruntergeschraubt wird, die über das hinwegtäuscht, was diesem
anderen neuen Leben entgegensteht.

Und es bleibt das Einspruchsrecht des Realismus, nachzuprüfen
und Halt zu sagen, wo die Hoffnung auf Christus dazu missbraucht wird, anderen
-möglichst noch denen, die unter Unrecht leiden- Duldsamkeit zu predigen.
Allerdings haben beide damit dann auch ihr Bewenden.

Denn da ist dann das Einspruchsrecht der Hoffnung, überall
dort zu reden, wo Realismus und vorgängige Wirklichkeitserfahrung zur
einzigen Orientierung des Handelns werden wollen, – dort, wo unser Handeln
immer nur der alten Logik folgen soll , dass sein wird, was war. Die Hoffnung
auf Veränderung wirkt, indem sie bereits verändert. Aus Hoffnung
handeln, heißt anders handeln. Gegen das aufrechnende Kalkül der
Taktik redet die Hoffnung, die das andere Leben will, – dagegen ruft die
Hoffnung nach Unterbrechung: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem“.

Da haben die Anfangsworte des Petrus dann ihren anderen, ihren
eigenen Klang auch in späteren Ohren: „Seid allesamt gleichgesinnt,
mitfühlend, voll Bruderliebe, barmherzig, demütg, vergeltet nicht
Böses mit Bösem.“

Das ist keine Moral zum Stillhalten und zur Besänftigung.
Geschrieben von einem und an solche, die unter Anfeindung gelebt haben,
reagieren diese Worte nicht auf Schimpf und Spott mit gleicher Münze. Das
hiesse, die Hoffnung verraten. Und sie suggerieren auch nicht :Haltet still und
nehmt hin. Sondern eben: Unterbrecht diesen unseligen Mechanismus des Eines um
Eines. Lasst darin, wie ihr handelt, die Hoffnung, sichtbar werden, aus der ihr
lebt. Lasst sie deutlich werden. Handelt im Vorschein eurer Hoffnung.
Dementiert nicht durch euer Handeln das, was ihr hofft, und zementiert nicht,
was immer schon war. Tut dem gegenüber das, was ihr schon längst
könnt: Mit dem Handeln Rechenschaft geben von der Hoffnung, die ihr habt.

Mit ihr ist aller Realismus zu überbieten, denn die Hoffnung
sieht mehr als er.
Das heißt, den Herren Christus in euren, in
unseren, Herzen heiligen.

Amen.

Dr. Detlef Reichert
Moltkestr.12
33330 Gütersloh

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