1. Petrus 5,1-4

1. Petrus 5,1-4

Gottes Kinder – leicht und fröhlich | Misericordias Domini | 23.04.2023 | 1.Petr.5,1-4 | Sabine Handrick |

Liebe Gemeinde, liebe Tauffamilien

Ich möchte uns heute ein Bild von Sieger Köder (1925-2015) vor Augen stellen. Bei dieser farbenfrohen Interpretation des Guten Hirten fällt auf den ersten Blick die fröhliche Stimmung auf: Fast kann man die Musik hören, die das Flöte spielende Mädchen und der Junge hinter ihr mit der Geige anstimmen. Sogar die Schmetterlinge in der Luft tanzen mit.

Auf den Gesichtern der Menschen liegt ein Lächeln.

Voller Freude richten alle ihren Blick auf den großen Mann in der Mitte, der ein Lamm auf den Schultern trägt. Seine starken Hände halten es sicher und stützen es von beiden Seiten.

Das Lamm lehnt seinen Kopf an den Kopf des Menschen, so dass man sogar nur noch sein linkes Auge sehen kann. Wange an Wange, ganz eng und zärtlich sind die beiden miteinander.

Und der große Starke hat das Kleine im Blick, aufmerksam schaut er hin, wie es ihm geht…

Das Lämmchen mit geschlossen Augen schmiegt es sich an seinen Retter. Es muss nicht mehr rufen und wimmern und hoffen, dass ihm endlich jemand hilft. Nun ist es in Sicherheit.

Könnt Ihr rechts im Hintergrund den kahlen Busch sehen? Vielleicht hat es sich bei der Suche nach frischen Gräsern dort verfangen? Jeder Versuch, aus eigener Kraft herauszukommen, hatte es nur noch schlimmer gemacht. Die Wolle seines Fells verknotete sich in den Zweigen und die spitzen Dornen piekten ihm in die Haut. Es ging nicht mehr vor noch zurück. Etwas Weißes schimmert zwischen den Zweigen, das könnte vom Fell des Lamms sein. Wie wunderbar, dass da einer kam und es aus dem dornigen Gestrüpp befreit hat. Still und dankbar lässt es sich nun tragen.

Der Jubel bei den Menschen ist riesengroß. Sie bilden ein richtiges Empfangskomitee. Ich zähle sieben Personen und einen Hund. Schaut mal, wie der Mann mit dem Hut die Arme ausbreitet und die beiden willkommen heißt. „Wie schön, dass du wieder da bist!“ Und die weite Bewegung seiner Arme beschreibt einen großen Bogen. Die ganze Gruppe der jungen und älteren Menschen bildet einen Halb-Kreis um den großen Mann mit dem Schäfchen in der Mitte.

Und eine streckt ihm voller Dankbarkeit einen Strauß roter Blumen entgegen.

Liebe Gemeinde

Dieses Bild atmet Freude und Gemeinschaft, Schutz und Geborgenheit, Nähe und Zuwendung.

Und darum geht es im Glauben, meine Lieben. Wenn heute nun die Familien A. und B. ihre Kinder zur Taufe bringen, kommen sie mit dem Wunsch, dass sie in der christlichen Gemeinde so etwas ähnliches auch erleben dürfen: Dass sie eine fröhliche Gemeinschaft finden, ein gutes Miteinander von jungen und älteren, neugierigen und erfahrenen Menschen. Eine bunte Runde, wo alle Platz haben und sich ausrichten auf ein gemeinsames Zentrum.

Die aufgehende Sonne taucht die Szenerie in ein warmes Licht und umstrahlt den Hirten in der Mitte wie ein Heiligenschein. Die Mitte dieses Bildes und die Mitte unseres Glaubens ist ja niemand anderes als Jesus Christus. Er hat von sich gesagt: „Ich bin der gute Hirte: Meine Schafe kennen meine Stimme; und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ (Joh. 10,11a,27-28a)

Diese Aussage hat Christinnen und Christen immer wieder berührt. Das Bild von Jesus als dem guten Hirten ist von großer symbolischer Kraft. Es eignet sich gut als inneres Bild, gerade auch in schwierigen Zeiten. Christus ist der gute Hirte, der uns ruft und alles tut, damit es uns gut geht, der jede Einzelne kennt, jeden Einzelnen sucht und uns aus misslichen Situationen herausholt, der uns trägt und behütet. Dies öffnet einen ganz persönlichen Zugang zu dem, was jede/r braucht.

Jesus hat in Gleichnissen immer wieder dieses Bild gemalt von einem treuen und fürsorglichen Hirten, der nicht ruht, bis er das Verlorene wiedergefunden und gerettet hat. So war es naheliegend, dass in der frühen christlichen Kunst Darstellungen von Jesus entstanden, wie er ein Schaf auf den Schultern trägt und von Tieren umgeben ist. (Bild) Das wohl allerälteste Bild, das es von Jesu gibt, ist eine Wandmalerei in einer Katakombe in Rom. Dieses Fresko stammt aus dem 3. Jahrhundert, ist also rund 1700 Jahre alt. Auch an der Kleidung war er als Hirte erkennbar: wir sehen einen schlichten, einfachen Menschen, weder übermenschlich stark noch Ehrfurcht gebietend mächtig wie spätere Christusdarstellungen, noch leidend wie der Gekreuzigte. In den ersten Jahrhunderten war dies das Bild, das man von Jesus bewahren wollte, in der Haltung des Hirten, der sich liebevoll um die kümmert, die ihm anvertraut sind und sie behütet. Mit diesem Vorbild vor Augen lebten die frühen Christinnen und Christen ihren Glauben. Sie bekamen Hoffnung in diesen Jesus Christus, der ja versprochen hat, dass er bei uns bleibt alle Tage bis ans Ende der Welt. In ihnen wuchs ein festes Vertrauen, das sich an dem orientierte, was Jesus gesagt und getan und vorgelebt hatte.

Wenn wir uns vorstellen wollen, wie das so war damals ganz am Anfang der Kirche, dann müssen wir ziemlich viel weglassen von dem, was uns einfällt, wenn wir heute an Kirche denken. Es gab noch keine Kirchengebäude mit Turm und Glocken, keine großen, reich geschmückten Kathedralen und Platz für hunderte von Leuten, keine kirchlichen Ämter und keine Hierarchie und keine Konfessionen.

Nein, am Anfang trafen sich kleine Gruppen von Menschen zuhause. Wer etwas mehr Platz hatte, lud die anderen ein. Man kam zusammen, teilte die Mahlzeiten miteinander, erinnerte sich an Jesus. Sie erzählten das weiter, was andere mit Jesus erlebt hatten, sie brachen das Brot und teilten den Wein. Und so blieb sein Wort lebendig unter ihnen. Die Bibel, wie wir sie heute kennen, gab es ja so noch nicht. Manchmal kamen Briefe von anderen Christen. Die las man ganz sorgfältig und diskutierte darüber. Wenn man erfuhr, wie es anderen Christen ging und was Paulus oder Petrus, Silvanus oder Timotheus schrieben, war es immer sehr interessant. Das stärkte den Zusammenhalt der Christinnen und Christen untereinander. Es gab ihnen Hoffnung und Kraft für den oft schwierigen Alltag.

Mit den Jahrzehnten wuchs die Zahl der Gemeinschaften ständig. Es war ganz und gar nicht wie heute, wo viele Menschen sich von der Kirche abwenden und austreten. Im Gegenteil, an vielen Orten entstanden neue Hausgemeinden. Es gab dort nämlich etwas, was einzigartig war und sehr besonders in einer Welt, wo ansonsten das Recht des Stärkeren regierte: Ein von Nächstenliebe und Versöhnung geprägtes Miteinander. Die Unterschiede zwischen reichen und armen Menschen, zwischen Jungen und Alten, zwischen Einheimischen und Fremden, zwischen Männern und Frauen, Sklaven und Freien verloren in der christlichen Gemeinde an Bedeutung. Man schaute zueinander und sorgte füreinander. Das machte die Gemeinden so attraktiv, dass immer mehr Menschen dem Beispiel Jesu folgen und auch dazugehören wollten, ähnlich wie auf unserem Bild heute. Wenn wir dies betrachten, dann bekommen wir auch das Gefühl: In dieser Runde wäre ich gern dabei. Ob ich nun ein musizierendes Mädchen bin oder eine Frau mit weißen Haaren – das spielt keine Rolle, im Kreis dieser Menschen ist jede/r willkommen. Dasselbe gilt natürlich auch für die Buben und die Männer. Und so ist dies hier auch gemalt, dass wir uns selbst hineindenken, dass wir uns mitfreuen und liebevolle Nähe zu Jesus, dem guten Hirten, erleben.

Liebe Gemeinde, wenn ich hier so bunt und lebendig erzähle, beschleichen Euch dann auch Gedanken wie: „Ob das wirklich immer so super gewesen ist?“ – „Schön wär’s ja, aber fast zu schön um wahr zu sein.“ – „So wie ich die Menschen kenne, kann das nicht lange so gegangen sein…“ – Und da habt Ihr natürlich recht. In der Realität bekam dieses harmonische Bild bald auch Risse. Es gab sehr wohl Streit, Konkurrenz, Eifersucht. Wo Menschen miteinander zu tun haben, gibt es Konflikte. Wenn man die Briefe des Neuen Testaments anschaut, kann man das sehr genau erkennen, auch im 1. Petrusbrief. Es hatte sicher einen Grund, warum der Schreiber nun genau das rät und das Bild des guten Hirten benutzt.

Er spricht die Älteren an, also diejenigen, die schon etwas Erfahrung im Glauben haben. Sie sind die Verantwortlichen für jene Gemeinde in Kleinasien, an die der 1. Petrusbrief ursprünglich gerichtet war. Wenn ihr Christen sein wollt, also Menschen, die Jesus folgen, dann soll euer Verhalten dem entsprechen und es wird ganz konkret beschrieben, wie dies aussehen soll: Sorgt für die Gemeinde Gottes, die euch anvertraut ist, wie ein Hirte für seine Herde. Seht in der Verantwortung, die ihr für sie habt, nicht eine lästige Pflicht, sondern nehmt sie bereitwillig wahr als einen Auftrag, den Gott euch gegeben hat. Seid nicht darauf aus, euch zu bereichern, sondern übt euren Dienst mit selbstloser Hingabe aus. Spielt euch nicht als Herren der Gemeinden auf, die Gott euch zugewiesen hat, sondern seid ein Vorbild für die Herde.

Meine Lieben: Wer Verantwortung übernimmt, soll dies freiwillig tun und von Herzen gerne! Man soll sich nicht durch Gewinnstreben leiten lassen, sondern uneigennützig sei, was man tut! Es braucht keine Chefallüren – es genügt, einfach ein gutes Vorbild zu sein! Es gibt nämlich nur einen Herrn in der Gemeinde und das ist Christus!

Diese Tipps scheinen an Aktualität nicht verloren zu haben. Bis in die Gegenwart entzündet sich an solchen Fragen berechtigte Kritik an der Kirche: Wenn es kirchenleitende Menschen gibt, die nur an sich selber denken und nicht an diejenigen, die ihnen anvertraut sind; wenn Druck und Zwang hinzukommen und Machtspiele gespielt werden; wenn die Grenzen überschritten werden und andere verletzt, gedemütigt oder missbraucht werden … dann ist man nicht mehr auf dem Weg Jesu.

Liebe Gemeinde, wir sind evangelisch-reformierte Christinnen und Christen. Und als solche verstehen wir uns alle gleichwertig vor Gott. Es gibt niemand, der durch eine Weihe oder Ordination näher bei Gott wäre als andere. Pfarrpersonen sind in dieser Hinsicht nicht „heiliger“ als die anderen Gemeindeglieder. Das haben uns die Reformatoren ans Herz gelegt und sie haben dafür gesorgt, dass die Menschen die Bibel in ihrer Muttersprache lesen und verstehen können. Alle haben im Gebet einen direkten Zugang zu Gott. Und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, als Christinnen und Christen füreinander zu beten und füreinander einzustehen.

Liebe Patinnen und Paten, nun möchte ich Sie direkt ansprechen. Wenn Sie heute das Patenamt für Ihr Patenkind übernehmen, dann werden Sie eine wichtige Rolle im Leben dieser Kinder spielen. Ich hoffe, dass Sie dies freiwillig und von Herzen gerne tun, und dass Sie liebevolle Vorbilder sein wollen. Nichts wirkt überzeugender als glaubwürdiges Verhalten. – Sie, liebe Frau …, lieber Herr… versprechen, die Eltern in der christlichen Erziehung zu unterstützen und den Kindern gute Gesprächspartner zu sein, die ihren Glauben und ihre Zweifel zeigen und dafür sorgen wollen, dass Ihr Patenkind eines Tages eigenverantwortliche Glaubensentscheidungen treffen kann. Mir kommt dazu ein Vers in den Sinn, der ebenfalls im 1. Petrusbrief im 3. Kapitel zu finden ist. Sozusagen als Paten-Vers möchte ich Ihnen den mit auf den Weg geben. Unsere drei Taufkinder werden ja auch einen persönlichen Taufspruch erhalten, der sie begleiten und ihnen Halt geben soll. Und Sie mögen sich als Patin bzw. Pate an folgendem Gedanken orientieren: „Seid stets bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ (1.Petr. 3,15)

Damit ist das Wesentliche zusammengefasst, meine Lieben! Geben wir Auskunft über die Hoffnung, die uns trägt. Das ist, was wir der nächsten Generation schulden.

Wir haben vorhin gesungen: Kind du bist uns anvertraut. Dass dies nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, dafür müssen wir alle als Gemeinde, als Gemeinschaft sorgen. Wir haben ein wunderbares Bild vor Augen, wie es gelingen kann, Verantwortung füreinander zu übernehmen, nämlich das des guten Hirten, der uns führen und leiten wird. Und dies bringt mich direkt zu einem Text von Hanns Dieter Hüsch. Wie eine Interpretation und herzerfrischende Auslegung zu unserem heutigen Thema wirkt das folgende Gebet, mit dem ich schließen möchte: FÜHREN UND LEITEN

Im Übrigen meine ich

Möge uns der Herr weiterhin

Zu den Brunnen des Erbarmens führen

Zu den Gärten der Geduld

Und uns mit Großzügigkeitsgirlanden

Schmücken

Er möge uns weiterhin lehren

Das Kreuz als Krone zu tragen

Und darin nicht unsicher zu werden

Soll doch seine Liebe unsere Liebe sein

Er möge wie es auskommt in unser Herz eindringen

Um uns mit seinen Gedankengängen

Zu erfrischen

Uns auf Wege zu führen

Die wir bisher nicht betreten haben

Aus Angst und Unwissenheit darüber

Dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges

Fröhlich sehen will

Weil wir es dürfen

Und nicht nur dürfen sondern auch müssen

Wir müssen endlich damit anfangen

Das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln

Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!

Und jeder soll es sehen oder ganz erstaunt sein

Dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können

Und sagen: Donnerwetter

Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen

Und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen

Und die seien ungebrochen freundlich

Und heiter gewesen

Weil die Zukunft Jesus heiße

Und weil die Liebe alles überwindet

Und Himmel und Erde eins wären

Und Leben und Tod sich vermählen

Und der Mensch ein neuer Mensch werde

Durch Jesus Christus.

Amen


Pfarrerin Sabine Handrick

Reformierte Kirchgemeinde Düdingen

E-Mail: pfarramt@refdue.ch


In dem Gottesdienst am 23. April 2023 werden drei Kinder getauft. Mit Geschwisterkindern und anderen Gästen werden viele jüngere Kinder an diesem Gottesdienst teilnehmen, so dass die Predigt versucht, sich auf die Kinder auszurichten.


Lieder:

Kind du bist uns anvertraut, RG: 182

Der Herr mein Hirte führet mich, RG: 18

Gott des Himmels und der Erden, RG: 566, 1+5

Meine Hoffnung und meine Freude, RG: 704


Quellen:

http://hüsch.org/html/fuehrenundleiten.html

Bildmaterial:

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Catacomb_of_Callistus_(Rome)?uselang=de#/media/File:Good_Shepherd_(Callisto_catacomb).jpg

https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/der-gute-hirte-618401.html

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