1. Timotheus 2,1-7

1. Timotheus 2,1-7

„Leben aus der Quelle“ | Rogate | 14.05.2023 | 1. Tim 2, 1-7 (Text Gute Nachricht Bibel) | Winfried Klotz |

„Leben aus der Quelle“

1 Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde aufrufe, ist das Gebet, und zwar für alle Menschen. Bringt Bitten und Fürbitten und Dank für sie alle vor Gott!     Eph 6,18-19S

2 Betet für die Regierenden und für alle, die Gewalt haben, damit wir in Ruhe und Frieden leben können, in Ehrfurcht vor Gott und in Rechtschaffenheit.    Esra 6,10S

3 So ist es gut und gefällt Gott, unserem Retter.

4 Er will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden.    Ez 18,23; 2Petr 3,9; 2Tim 2,25b

5 Denn dies ist ja unser Bekenntnis: Nur einer ist Gott, und nur einer ist auch der Vermittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Jesus Christus.    1Kor 8,6

6 Er gab sein Leben, um die ganze Menschheit von ihrer Schuld loszukaufen. Das gilt es zu bezeugen in dieser von Gott vorherbestimmten Zeit.    Gal 1,4S; Hebr 9,28S

7 Um es öffentlich zu verkünden, hat Gott mich zum Apostel eingesetzt. So ist es; ich sage die reine Wahrheit. Er hat mich zum Lehrer der nichtjüdischen Völker gemacht, damit ich sie zum Glauben und zur Wahrheit führe.   Röm 1,5S

Was kommt uns in den Sinn, wenn es ums Beten geht?

Gibt es anziehende oder abschreckende Erfahrungen beim Gebet?

Gottesdienste, deren Gebete vorbeirauschten, weil sie, formuliert in alltagsferner Sprache, das Herz nicht rührten. Eine Notlage mit spontanem Hilfeschrei an eine höhere Adresse; wurde er gehört? Das Gefühl, ich rede gegen eine Wand, wenn ich zu Gott rede. Die abfällige Rede von Betschwestern oder Frommen, in deren Leben man Heuchelei zu erkennen meinte. Die Erfahrung, dass nach langem Klagen und Schreien vor Gott eine Antwort da war- dass Gott redet! Übrigens gehört dazu auch die Erfahrung, dass Gott weiteres Klagen verbietet; genug, sei still!

Ich erinnere mich noch gut, wie ich am Anfang des Theologiestudiums nach langen nächtlichen Diskussionen mit Kommilitonen und unter dem Eindruck einer Bemerkung des Studienleiters – „so wie du, kann man heute nicht mehr glauben“- mir sagte, ‚du musst der Wahrheit die Ehre geben‘ und in mein Tagebuch schrieb: „Ich leugne Gott, dass Du bist!“ Nach diesem „Gebet“ aber machte ich eine unfassbare Erfahrung der Gegenwart Gottes: ER war nicht zu leugnen! Lange habe ich mich danach mit Schuldgefühlen herumgequält- Gott leugnen ist keine Kleinigkeit-. Heute weiß ich, dass war eine gute, notwendige Erfahrung. Sie schützte mich wie eine Impfung vor dem impliziten Atheismus in mancher Theologie, ohne dass ich die kritischen Fragen ausblenden musste.

Unser Predigtwort beginnt mit einer kirchenleitend klingenden Mahnung zum Gebet: „Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde aufrufe, ist das Gebet, und zwar für alle Menschen. Bringt Bitten und Fürbitten und Dank für sie alle vor Gott!“

Erinnern wir uns an das, was Lukas in der Apostelgeschichte zusammenfassend vom Leben der ersten Gemeinde schreibt: „Sie alle widmeten sich eifrig dem, was für sie als Gemeinde wichtig war: Sie ließen sich von den Aposteln unterweisen, sie hielten in gegenseitiger Liebe zusammen, sie feierten das Mahl des Herrn, und sie beteten gemeinsam.“ (Apg. 2, 42) War der Eifer, die Begeisterung der ersten Stunden gewichen? Musste zu dem, was selbstverständlich war, aufgerufen werden? Und schauen wir weiter zurück auf Jesus, von dem berichtet wird: „Gleich darauf drängte Jesus seine Jünger, ins Boot zu steigen und nach Betsaida ans andere Seeufer vorauszufahren. Er selbst wollte erst noch die Menschenmenge verabschieden. Als er damit fertig war, ging er auf einen Berg, um zu beten.“ (Mk 6, 45f) Nach einer großen Aktion, der Speisung vieler Menschen, schickt Jesus seine Jünger los; er selbst zieht sich zum Gebet zurück. Das mein Verstehen übersteigende aber ist, dass er ‚in der Kraft dieses Beten‘ über das Wasser zu seinen Jüngern kommt. „Jesus sah, dass seine Jünger beim Rudern nur mühsam vorwärts kamen, weil sie gegen den Wind ankämpfen mussten. Deshalb kam er im letzten Viertel der Nacht zu ihnen. Er ging über das Wasser und wollte an ihnen vorübergehen.“ (Mk. 6, 48) Wie fremd ist mir dieser Jesus! Und wie fremd ist mir trotz aller Gebetserfahrungen die Kraft, die aus seinem Beten kommt!

Auf diesem Hintergrund verstehe ich unser Predigtwort aus dem 1. Timotheusbrief als Ruf zur Kraftquelle der Gemeinde. Aber nicht mit dem Ziel, dass die Gemeinde selbstgefällig und zufrieden sich selbst leben kann, sondern damit sie dem Willen Gottes entsprechen kann. Er will, dass seine Leute „in Ruhe und Frieden leben können, in Ehrfurcht vor Gott und in Rechtschaffenheit.“ Und: „Er will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden.“ (V. 4)

Ich bleibe einen Moment beim Stichwort „Gebet als Kraftquelle“: Richtiger muss es heißen, Gebet als Weg zur Kraftquelle. Unsere Zuversicht auf Gott hat ihren Grund in Jesus. Wir reden voller Vertrauen zu Gott, weil ER uns durch Jesus mit ihm verbunden hat; jetzt sind wir Familie Gottes, seine Kinder. Deshalb müssen wir Gott im Gebet nicht überzeugen, seinen Arm nicht bewegen – er weiß schon längst, was wir brauchen. (Mt. 6, 8) In allen Anliegen beten wir, dass sein Wille geschieht, im Vertrauen darauf, dass sein Wille gut ist. Wenn Menschen vom Willen Gottes reden, klingt das oft nach Unterordnung unter ein schweres Schicksal. Kinder Gottes sehen hinter dem Willen Gottes nicht dunkles Schicksal, sondern herrliche Zukunft! Jedenfalls ringen sie darum und manchmal ist ihr Ringen ein Schreien und Verzagen und wieder Schreien, wie es eben Kleinkinder machen. Gott lässt sich nicht berechnen, wir trauen ihm zu, dass ER helfen kann- in allen Dingen! Er muss nicht, aber er kann. Durch Jesus und wie er lernen wir sagen: Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe! (Mk. 14, 36) Wer betet sucht Gottes Antwort. Und noch etwas: Gebet braucht die Stille. Wenn wir als Einzelne oder Gemeinde schnell im Gebet alle Probleme abarbeiten, was ist das für ein Beten. Ist Gott eine Maschine, ein Computer, dem wir Aufträge diktieren? Unser Gottesdienst braucht Stille zum Gebet.

Ich nehme weitere Stichworte unseres Predigtwortes auf:

Ruhe, Frieden, Ehrfurcht vor Gott, Rechtschaffenheit, lässt sich missverstehen als Programm eines kleinbürgerlichen Lebens. Für die damalige Gemeinde, eine kleine Minderheit in der Gesellschaft, argwöhnig von außen betrachtet, ohne besonderen Einfluss, ging es darum, keine Anstöße durch Fehlverhalten zu geben und trotz Diskriminierung betend für die draußen einzustehen. Im Gebet für alle Menschen, auch unter Umständen sehr schwierige, trat sie ein vor Gott für die, die Gott nicht kennen. Wer für die betet, die ihm das Leben schwer machen, bleibt bewahrt vor Hass und Rache und kann diesen Menschen Gutes tun. (2. Tim. 2, 24-26; Titus 3, 1-3+8) Wer vor Gott eintitt für alle Menschen hält die Tür offen nach draußen und arbeitet daran mit, dass „alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden.“

Der Weg zu den Menschen beginnt im Gebet für sie! Die Fürsorge für sie beginnt mit dem „Fürbitten“. Das Bekenntnis zu Jesus beginnt mit dem Lobpreis Gottes. Wenn wir mit Gott wollen, dass „alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden“, müssen wir lernen mit Gott zu handeln. Wie geht das? Gemeinsam und allein die Schrift lernen; gemeinsam und allein beten; gemeinsam und allein Konflikte und Krisen durchstehen, die sich aus der Gebrochenheit unseres Menschseins, unserer Eigenwilligkeit und der Abwendung der Menschen von Gott ergeben. Hören wir auf, unser Leben und diese Welt schön zu reden. Danken wir für das Gute und Schöne, kämpfen wir uns auf den Herrn vertrauend durch die Krisen. Da ist das Gebet wesentlich!

Unser Predigtwort mit dem Ruf zum Gebet geht über in eine prägnante Zusammenfassung des Glaubens:

„Denn dies ist ja unser Bekenntnis: Nur einer ist Gott, und nur einer ist auch der Vermittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Jesus Christus. Er gab sein Leben, um die ganze Menschheit von ihrer Schuld loszukaufen. Das gilt es zu bezeugen in dieser von Gott vorherbestimmten Zeit.“

Unser Glaube ist keine nur innerliche Überzeugung, er kann und soll ausgesprochen werden- bezeugt werden. Im Glauben an den Christus Jesus sind wir hineingestellt in sein Wirken und können deshalb seine Zeugen sein. Wir glauben an den einen Gott und sind mit ihm verbunden durch den Mensch Christus Jesus. Er ist der Mittler, der das uns von Gott trennende überbrückt hat durch seine Lebenshingabe am Kreuz. Und so bekennen wir als Leute Jesu, dass die Menschheit von Gott getrennt ist, aber wir bekennen noch mehr, dass Gott im Mittler Jesus das Trennende niedergerissen hat. Alle, die Jesus Vertrauen schenken verbindet er mit Gott und schenkt ihnen das Leben. Alle Menschen rennen dem Leben hinterher, sind von Lebens-Sehnsucht erfüllt, wollen es für sich ergreifen und müssen doch erfahren, wie es ihnen zwischen den Fingern zerrinnt. Wer es aber als Geschenk im Vertrauen auf Jesus empfängt dem bleibt es für alle Zeit.

Unser Glaube braucht Worte und Taten, besser: er bringt Worte und Taten hervor. Seinen Anfang nimmt dieser Weg des Glaubens mit der persönlichen Antwort: Ja, Jesus, Herr, was Du sagst, ist wahr, ich will zu Dir gehören und Dir folgen. Und wir gehen den Weg weiter im Hören und Antworten.

Wollen wir daran mitwirken, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden? Unser Handeln mit Gott beginnt mit dem Gebet.

Wer ermahnt uns dazu? Jemand, der im Auftrag des Apostels Paulus vor fast 2000 Jahren diese Worte geschrieben hat.

Ich schließe mit einer kurzen Geschichte, die uns zum Gebet ermutigen soll:

„Haben Sie schon gebetet?“

Aus dem Leben von Friedrich von Bodelschwingh, dem Gründer von Bethel bei Bielefeld, wird erzählt: Der chirurgische Chefarzt von Bethel teilte Bodelschwingh in einem Fall mit, dass ein Patient nicht mehr zu retten sei. Da platzte Bodelschwingh mit der Frage an den Professor heraus: „Haben Sie schon gebetet um seine Rettung?“

Der Professor und sein Assistent lächelten diskret. Bodelschwingh übersah das, er zog sich aber zum Gebet zurück. Wohl eine Stunde lang lag er in seinem Zimmer auf den Knien und betete. Danach ging er wieder in das Krankenzimmer jenes Patienten. Hier empfing ihn die pflegende Schwester: „Herr Pastor, seit einer halben Stunde geht es dem Kranken plötzlich besser!“

Nach einigen Wochen war der Kranke genesen, und der Professor ging zu Bodelschwingh und sagte: „Ich werde nicht wieder lächeln, wenn Sie zum Beten auffordern!“

aus: Heinz Schäfer (Hg.), Hört ein Gleichnis, ABC-team, 1977 bei Christliches Verlagshaus GmbH, Stuttgart, S. 68    Ex 17,8-13; Mt17,14-20; Lk11,1-13; Lk17,5-6; Lk18,9-14; Röm 8,26-27

Quelle: II94 Hoffsümmer Kurzgeschichten, elektronische Ausgabe, gekürzt.

Liedvorschläge: In der Stille angekommen, Christoph Zehendner; EG 133 Zieh ein zu deinen Toren; EG 344, Vater unser im Himmelreich; Seid fröhlich in der Hoffnung, Diethelm Strauch; Welch ein Freund ist unser Jesus, Joseph M. Srciven / Ernst Gebhardt; Wenn die Last der Welt, Mark Heard / Christoph Zehendner; EG+ HN 54 Bist zu uns wie ein Vater, Christoph Zehendner; EG+ HN 84 We are one in the spirit, Peter Scholtes; EG+ HN 87 Lobe den Herrn, meine Seele, Norbert Kissel; Leben aus der Quelle, Lukas Di Nunzio; Herr, ich komme zu dir, Albert Frey; siehe auch: https://www.daskirchenjahr.de/tag.php?name=rogate&zeit=Ostern&typ=lieder

Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R., Bad König im Odenwald

verheiratet, 3 erw. Kinder; theol. geprägt von Otto Michel und Hans J. Iwand; Mitglied im Pfarrgebetsbund, Hobbyschafhalter

winfried.klotz@web.de

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