Johannes 16,23b-28

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Johannes 16,23b-28

Rogate | 14.05.2023 | Gen 32,25-32; Jak 1,22-25; Joh 16,23b-28 (dänische Perikopenordnung) | Tine Illum |

So lasst uns an uns selbst denken, wie wir waren zu Tisch bei dir

Sehen wir es ein: Gebet ist keine ultimative magische Art und Weise, Gott dazu zu bringen, das zu tun, was wir wollen. Wenn es so wäre, dann müsste die einzige logische Schlussfolgerung die sein, dass Gott entweder nicht existiert oder dass ihm alles egal ist oder dass er geradezu böse ist. Wir bekommen nicht immer das, worum wir bitten. Und wenn wir beten, werden wir nicht automatisch glücklich. Und es geschehen schreckliche und teuflische Dinge in der Welt. So ist es.

  Wenn Jesus also sagt, dass wir nur beten sollen, haben wir wirklich damit zu kämpfen – mit dem was das bedeutet und damit, wer Gott eigentlich ist. Das tun die Menschen, von denen wir in der Bibel hören, auch. Sie protestieren, sie rufen, sie kämpfen mit Gott.

   Wie Jakob.

„Was bist du für einer?“ – „Wer bist du?“ – „Wie heißt du?“

Jakob schiebt Gott nicht weg, auch wenn er nichts versteht. Und Gott schiebt Jakob nicht weg. Sie halten einander fest. Und da geschieht etwas in diesem Kampf.

So kann Gebet sein. Ein Kampf, wo etwas geschieht.

Nicht das, worum ich bitte. Aber etwas … etwas Unbestimmtes vielleicht. Ein anderes Mal, wo Jesus vom Beten spricht, sagt er: „Wer bittet, dem wird gegeben“ – und nicht mehr. Wer kämpft, weint, schreit, dankt, klagt, flüstert … der bekommt, wird gesegnet, und muss hinkend und tanzend, ohne es zu verstehen, gesegnet hinaus ins Leben gehen. Hinaus in diese verwunderliche Welt, wo so viel Verwunderliches und Schreckliches geschieht. Hier sollen wir leben und kämpfen, und nie ohne Gott.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es wagen, Gebet auch als einen Kampf zu verstehen, den wir nicht unbedingt siegreich und aufrecht bestehen, sondern hinkend und verletzt – und dennoch gesegnet.

Wir wissen, dass Jesus in der Nacht vor Karfreitag in Todesangst Gott darum bat, von dem verschont zu werden, was ihn erwartete. Wir wissen nicht, was Gott ihm antwortete. Aber wir wissen, dass etwas geschah in dieser Begegnung mit Gott, die das Gebet ist. Jesus erhielt Mut und Kräfte für den Karfreitag. Und wir glauben, dass er am dritten Tage von den Toten auferstand. Offenbar in dem Leben der Liebe mit Gott, dass unsichtbar schon im Leiden, im Zweifel, im Tod, in der Einsamkeit gegenwärtig war.

   Mögen wir den Glauben wagen, dass weder wir selbst oder andere in den Schickungen des Lebens allein sein werden. Dass dies wahr ist, ganz einfach, was gesagt ist und uns eingeflößt ist, als wir getauft wurden: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“.

Wir werden alle dort stehen mit unseren Schicksalen. Wie Jakob.

Und wir werden im Finsteren kämpfen mit etwas, was wir nicht sehen.

Wir meinen, dass Gott uns helfen sollte, und dann ist es so als sei er im Dunklen und Undurchschaubaren und wolle mit uns kämpfen.

Wir kämpfen mit Schwierigkeiten, die wir nicht beherrschen, in einer Finsternis, gegen starke Kräfte, die wir nicht sehen können. Wir kämpfen mit dem Rätselhaften.

Wir kämpfen, so dass wir für das Leben gezeichnet sind.

Das Gebet gibt es mitten in der Welt – nicht in einer anderen Sphäre. Wer betet, zieht sich nicht zurück aus einer bösen Wirklichkeit an einen besseren und mehr geistlichen Ort. Beten ist Leben. Wer betet, der sieht die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Beten heißt, dass man sagt: „Dein Wille geschehe“ – und darauf hofft, dass die Welt mehr ist als das, was ich schon weiß, mehr als das, woran ich kaum zu glauben wage – und mehr als das, was ich allzu leicht vergesse.

In einem der neuen Gebete nach dem Abendmahl bitten wir:

„Stärke uns jetzt, dass wir an uns selbst denken,

wie wir waren zu Tisch bei dir,

und dass wir diesen Sinn in den nächsten Zeiten mit uns tragen“.

Wir werden also verändert im Gebet, in der Taufe, im Abendmahl, im Gottesdienst.

Der jetzige Papst hat einmal gesagt: „Erst beten wir für die Hungernden. Dann geben wir ihnen zu Essen. So ist Gebet“. Gebet ist auch Tat.

Das ist es wohl, was wir auch in dem kleinen Abschnitt aus dem Brief des Jakobus zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben, dass man nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes sein soll. Dass wir daran denken sollen, wie wir waren, als wir Gott begegneten. Unmittelbar mögen wir vielleicht denken, dass das aber  zu schön ist, um wahr zu sein, dass Gott uns seine Liebe gibt, uns das Brot des Lebens und den Becher des Heils reicht. Dann handelt es sich dennoch nicht um Gnade, sondern um Forderung – dass also der, der diesen Brief geschrieben hat, meint, dass sich Gott nur zu uns bekennen will, wenn wir immer das tun, was er will. „Werkgerechtigkeit“ nennen wir das zuweilen.

Ich glaube, wir sollten anders denken. Vielleicht ist das schlichtweg eine Aufforderung, den Glauben vom Sonntag in die Tage der Woche einfließen zu lassen, dass das Gebet uns verwandelt. Vielleicht ist das eine Aufforderung, dass wir unser Leben ein Ganzes sein lassen – so unvollkommen und vorläufig wir es nun können. Und dann können wir am nächsten Sonntag wiederkommen und Worte hören, Brot essen, Wein trinken und gesegnet werden.

Worte von Gott und von dem, was er uns gegeben hat und uns noch immer gibt. Das ist auch ein Spiegel, hörten wir. Wo wir uns selbst und unser Leben in einer neuen und sonnvollen Weise sehen. Eine Hoffnung sehen für uns und die Welt. In unserem glauben gestärkt werden. Wenn wir in den Spiegel geschaut haben, sollen wir nicht fortgehen und vergessen, wie wir ausgesehen haben. Was wir da in Gottes Gegenwart gesehen haben, das sollen wir im Gedächtnis behalten und das sollen wir sein.

Jakob nennt den Übergang Penuel – Gottes Angesicht – weil er glaubt, dass er dort mit Gott gekämpft hat und von ihm gesegnet worden ist.

Nun bitten wir dich, mach uns aufmerksam, dass wir die Gebete hören können, die du hörst, und die Not verstehen, die du verstehst. Lass uns nicht vergessen, wer wir waren und sind in der Begegnung mit dir.

Wir bitten für alle, die sich müde gekämpft haben, und für alle, die sich stumm gebetet haben.

Wir bitten für alle, für die niemand bittet.

Sitze an den Krankenbetten, in Gefängniszellen und bei denen, die im Sterben liegen.

Wir bitten für Flüchtlinge und Obdachlose.,

für Menschen in Todesangst,

für alle, die ihre getöteten Söhne im Leichensäcken zurückbekommen

oder nicht wissen, wo ihre Lieben sind.

Für alle die heilen, lindern und trösten.

Wir bitten, dass der Krieg enden möge,

dass der Friede kommen möge,

dass sich der Straub legt,

dass Wunden an Leib und Seele heilen.

Jesus, wir beten mit in deinem Gebet: Dein Wille geschehe.

Und wir bitten, dass er auch durch uns geschieht.

Hilf uns, dass wir die Welt zu einem mehr barmherzigen Ort machen.

Segne uns. Segne die Welt. Amen.

Pastorin Tine Illum

DK-6091 Bjert

Email: ti(at)km.dk

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