2. Korinther 4,13-18

2. Korinther 4,13-18

Jubilate | 21.04.2024 | 2Kor  4,13-18 | Elisabeth Tobaben |

Liebe Gemeinde!

„Ach, ist das der neue Juist-Katalog?“, fragt mein Besucher und zeigt auf eine Zeitschrift, die er auf meinem Schreibtisch entdeckt hat.

Das Bild auf der Titelseite könnte tatsächlich passen: Ein Mann hat sein Jackett und Schuhe und Strümpfe ausgezogen, sitzt relativ entspannt in einem blau-weiß-gestreiften Liegestuhl am Strand uns guckt aufs Meer und die ruhig anrollenden Wellen.

„Anleitung für ein besseres Leben“ steht als Titel darunter.

Ich hatte in dem Heft einen Aufsatz gefunden, den ich für einen Vortrag verwenden wollte, Thema war „Langsam geht es schneller“ – vom Umgang mit der Zeit und woher nehmen wir neue Kräfte.

„Ach ja, „meint mein Gast, „solche haben wir bei uns im Betrieb auch ganz viele!

Ständig behaupten sie, sie hätten viel zu viel zu tun, seien komplett überlastet und könnten überhaupt gar nicht mehr, und denn? Sieht man ja, hier: … und er klopft mit dem Zeigefingerknöchel auf das Blatt, denn sitzen se ganz entspannt in Nadelstreifen am Strand und erholen sich…“

Ich bin schon ein bisschen erschrocken darüber, nicht nur in diesem Fall – wie schnell wir bereit sind, andere abzuqualifizieren, festzustellen: Der oder die hat ja eigentlich gar kein Recht, erschöpft zu sein, müde und ausgebrannt.

Was macht die denn schon groß?

Das Gefühl, so beurteilt, ja abgeurteilt zu werden, ist auf jeden Fall schlimm, und das kannte auch der Apostel Paulus, aus dessen Brief an die Korinther der Bibelabschnitt stammt, der uns heute zum Nachdenken vorgeschlagen ist:

2. Korinther 4,13–18 (ich lese ein paar Verse mehr als vorgesehen, um den Zusammenhang herzustellen und damit die Ermutigung, die Paulus hervorhebt, nicht in der Luft hängt):

13 Doch haben wir den gleichen Geist des Glaubens, von dem es in der Schrift heißt: Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet. Auch wir glauben und darum reden wir.

14 Denn wir wissen, dass der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch (vor sein Angesicht) stellen wird.

15 Denn alles geschieht für euch: damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen. Dadurch soll auch die Herrlichkeit Gottes umso größer werden.

16 Das ist der Grund, weshalb wir den Mut nicht sinken lassen und nicht müde werden; Unsere menschlichen Kräfte werden zwar aufgezehrt. Aber innerlich bekommen wir Tag für Tag neue Kraft.

17 Denn die Not, die wir gegenwärtig leiden, wiegt leicht. Doch sie bringt uns eine Fülle an Herrlichkeit, die jedes Maß übersteigt und kein Ende hat.

18 Wir dürfen unseren Blick allerdings nicht nur auf das Sichtbare richten, sondern auf das Unsichtbare. Denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare dagegen unvergänglich.

Wenn man die Briefe an die Korinther liest, hat man an vielen Stellen das Gefühl, eigentlich haben die sich ständig ganz fürchterlich gestritten.

Zu dem Zeitpunkt als dieser Briefabschnitt geschrieben wurde, schien der Friede gerade so einigermaßen wiederhergestellt, da kommt es schon wieder zu neuen, heftigen Angriffen auf Paulus: und diesmal geht es richtig an die Substanz.

Ich hole mal ein ganz klein bißchen aus: Es waren fremde, unbekannte Wanderprediger aufgetaucht, die sich „Engel des Lichtes“ nannten oder „Diener der Gerechtigkeit“ (1. Kor. 11,14 u. 15).

Sie werfen Paulus vor, er sei ja eigentlich gar kein richtiger Apostel.

So dermaßen demütig und unbedeutend wie er, kränklich und schwach, so würde sich nun wahrlich kein echter Apostel benehme.

Und der Gipfel sei: dass er auch noch aufsässige, aggressive Briefe geschrieben hätte, kaum dass er weg gewesen wäre, das ginge gar nicht!

Nichts als ein machtbesessener, hochmütiger Feigling sei er, und reden könne er ja auch nicht!

Wir dagegen, sagten sie, wir haben die eigentlichen Führungsqualitäten, wir sind die einzigen, die die Leitung der kleinen Gemeinde in der riesigen Hafenstadt wirklich übernehmen können!

Hört euch doch unsere hochqualifizierten Prediger an!

Da sieht man doch schon, dass wir die Wahrheit in unserm Besitz haben!

Wir wissen, wie man Menschen zum Glauben bringt und Gemeinde aufbaut, schließlich haben wir nicht umsonst auch schon den Großteil der Gemeinde auf unsere Seite bringen können…

Das sind übrigens Methoden, die bis heute funktionieren, wenn man eine Gemeinde spalten will.

Mobbingmethoden, die darin gipfeln, dass sie sagen:

„Paulus, am besten verschwindest du und lässt du dich nie wieder blicken in Korinth.“

Verständlich, dass Paulus wahnsinnig enttäuscht und traurig ist, vor allem, weil so viele in Korinth auf diese Spaltpilz—Prediger reingefallen sind.

Besonders trifft es ihn, dass die Gegner ihm vorwerfen, er könne ja noch nichtmal leben von seinem Apostelamt.

Schließlich hatte er freiwillig darauf verzichtet hatte, von den Gemeinden bezahlt zu werden, in denen er arbeitete.

Er wollte lieber als Zeltmacher seinen Lebensunterhalt verdienen;

Dass sie ihm genau das jetzt ankreiden, verletzt ihn tief, zumal sie auch noch den Verdacht äußern, er hätte sich ganz bestimmt an den Kollektengeldern vergriffen!

Deshalb schreibt Paulus jetzt einen neuen Brief nach Korinth, und hofft wohl, dass er damit einiges klarstellen kann.

Ausführlich berichtet er, was er auf seinen Missionsreisen alles erlebt und erlitten hat!

Er spricht von der Enge und der Beklemmung, die sich auf sein Herz legt, wenn er an den Streit mit den Korinthern denkt.

Denn viele von denen wollen ihn nun auch nicht mehr als Apostel anerkennen und weichen vom Evangelium ab.

Darum errichtet Paulus jetzt eins seiner großartigen, komplizierten theologischen Gedankengebäude.

Er will erzählen, was ihm und seinen Begleitern geholfen hat, nicht aufzugeben, nicht den Mut zu verlieren.

Das, sagt er, hat vor allem mit der Herrlichkeit Gottes zu tun. Herrlichkeit scheint mir ein wichtiges Schlüsselwort im Text zu sein. Im Griechischen steht da „doxa“, was auch Glanz, Schein heißen kann.

Herrlichkeit, Lichtglanz Gottes, das hat auch etwas Geheimnisvolles.

Und hängt natürlich auch mit Ostern zusammen!

Denken wir an das Licht, in dem die Frauen am Ostermorgen den Auferstandnen sehen und doch nicht richtig sehen.

Unfassbar.

So sollen alle, die zu Gott gehören, auf geheimnisvolle Weise teilhaben an dieser strahlenden göttlichen Herrlichkeit.

Sie werden sozusagen eintauchen in den vollendeten Lichtglanz Gottes. Deshalb werden auf den Ikonen der orthodoxen Kirchen die Heiligen übrigens immer mit einem Heiligenschein dargestellt.

Ein Schein der Herrlichkeit Gottes, die überspringt auf den Menschen.

Ein Schein, der für das menschliche Auge unsichtbar ist.

Ein Ikonenmaler stellt den Menschen nicht so dar, wie ihn eine Kamera oder ein naturgetreuer Maler abbilden würde, sondern wie er ihn glaubt, wie er im Idealfall sein könnte, mit allen Möglichkeiten, die in ihm schlummern.

Seine Darstellungen bleiben nicht beim vordergründig Sichtbaren.

Sichtbar – und unsichtbar – so zeichnet auch Paulus den Menschen.

Hier das Vordergründige, das Greifbare, das Messbare – dort das Unsichtbare, das Wesen hinter den Dingen.

Auf der einen Seite Trübsal, Mühsal, Druck und Gegendruck.

Auf der anderen Herrlichkeit, Leichtigkeit, Pracht, Erfüllung.

Man muss nun allerdings aufpassen, dass man beide Seiten nicht auf zwei verschiedene Welten verteilt, Diesseits und Jenseits, Welt und Himmel…

Vielmehr: wenn wir eine Sache besser verstehen wollen, dann sagen wir ja auch: das durchschau ich noch nicht so ganz, das muss ich mal versuchen zu durchdringen.

Wenn wir eine Sache, ein Gerät oder so besser verstehen wollen, dann nehmen wir sie ja gern mal auseinander.

Schauen sie uns aus der Nähe an, genauer, noch genauer.

Durchdringen, – durchdringen zu dem, was uns nicht müde und mutlos werden lässt!?

Aber wie?

Auf den Perspektivwechsel kommt es an.

Es gibt eine schöne Episode, die von König Georg V von England erzählt: (Leider kann ich mich überhaupt nicht erinnern, wo ich diese Geschichte gelesen habe.)

George V- besuchte einmal eine Porzellan Manufaktur.

Er kam dabei auch zu dem Porzellan, das für den Buckingham-Palast bestimmt war.

Eine junge Frau war eifrig damit beschäftig, das Innere der Tassen schwarz anzumalen.

Das leuchtete dem Monarchen ganz und gar nicht ein.

Seines Wissens nach war kein Auftrag erteilt worden, schwarzes Porzellan herzustellen.

Da erklärte ihm die junge Mitarbeiterin, dass unter der schwarzen Schicht eine Goldschicht läge.

Und tatsächlich: als die Tassen aus dem Feuer kamen, war das Schwarz weggebrannt, aber das Gold tief eingebrannt.

Da staunte der Besucher und war vom Sinn der Maßnahme überzeugt: Hätte man das Gold ohne das schützende Schwarz dem Feuer ausgesetzt, so wäre es verbrannt.

Manchmal sehen wir in unserem Leben auch nur das Schwarze, was obenauf liegt und vergessen dabei: Unter dem Schwarzen liegt nach dem Plan des Schöpfers eine Goldschicht.

Unter allem liegt die Goldschicht von Ostern!

Die neue Schöpfung.

Kein Grund also, müde und mutlos zu werden.

Vielleicht entdeckt der Mann am Strand die Ostergoldschicht, wenn er sich Zeit lässt…

Vielleicht entdecken wir sie, heute, am Sonntag Jubilate.

Wenn uns der Name des Sonntags zum Jubeln auffordert, zum Lob Gottes, meint er einen Jubel aus der Tiefe.

Wo alles glatt läuft und rund und schön ist, jubelt es sich leicht.

Gerade da, wo rein äußerlich genug Grund wäre, aufzugeben, zu weinen und zu klagen, da sagt Paulus:
„Nein, wir lassen den Mut nicht sinken“, denn wir sind umgeben vom Schein des auferstandenen Christus – oder wie es der Wochenspruch sagt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. ( 2. Kor. 5,17)

Das ist eine gute „Anleitung für ein besseres Leben“, den Blick zu richten auf das Neue, das mit Christus in unsere Welt gekommen ist, auf die „Fülle der Herrlichkeit“.

Amen

Die Texte und Lieder dieses Sonntags drücken die Freude über die neue Schöpfung aus, rufen auf zum Jubel.

Wochenspruch:

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Psalm 66, 1–3:

Jauchzt, alle Lande!

Lobsinget zur Ehre seines Namens, rühmet ihn herrlich!

Sprecht zu Gott: wie wunderbar sind deine Werke!

Deine Feinde mögen sich beugen

Vor deiner großen Macht.

EG 297,2

Psalm 66, 6–7

Er verwandelt das Meer in trockenes Land,

sie gingen zu Fuß durch den Strom,

dort wollen wir uns seiner freuen.

Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich,

seine Augen scheuen auf die Völker.

Die Abtrünnigen können dich nicht erheben.

 

EG 297, 4

Gebet nach dem Abendmahl:

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich. Halleluja.

Denn er ist freundlich, Halleluja.

Herr, unser Gott, wir haben unser Leben nicht allein in der Hand.

In Brot und Wein kommst du uns immer wieder nah,

bist uns Wegzehrung und Hoffnungszeichen.

Im Feiern umgibt uns der Schein deiner Herrlichkeit,

das Licht von Ostern fällt auf unseren Weg.

Wir danken dir für das Brot des Lebens und für den Kelch des Heils;

für deine Begleitung und Stärkung.

Geh mit uns und allen, die uns wichtig sind, in diese neue Woche.

Amen.

Geht hin im Frieden des Herrn

Segen


Elisabeth Tobaben, Inselpastorin i.R., Juist

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