2.Korinther 5,14-21; Johannes 8,28-26

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2.Korinther 5,14-21; Johannes 8,28-26

Kantate | 28.04.24 | 2.Korinther 5,14-21; Johannes 8,28-26 (dänische Perikopenordnung) | Christiane Gammeltoft-Hansen |

Wir schaffen das – einigermaßen

Ihr werdet frei sein, sagt Jesus.

Das ist nicht nötig, denn wir sind schon frei, lautet die Antwort. Die grundlegenden Freiheitsrechte sind hier bei uns längst gesetzlich garantiert. Für den Unfreien ist Freiheit etwas, was noch nicht erreicht ist. Das ist die Hoffnung darauf, dass es anders werden kann. Dass die Zukunft ohne Gitter ist. Für den Freien ist Freiheit ein Besitz. Das bedeutet nicht, dass wir nicht von Freiheit reden, das tun wir ja. Aber Freiheit bekommt einen anderen Inhalt. Sie wird mehr zu einem Gut. Sie wird zum einfachen Leben auf dem Lande, dem Erfolg im Beruf, einer Reise, dass man Zeit hat, dass man Potenzial hat. Wir reden von Freiheit meistens als freier Vogel, freie Dressur, freier Prozess, freie Bar. Und dann sind da diese Rechte, die gesetzlich garantiert sind. Das Recht zu meinen, zu denken, zu glauben und frei zu reden. Die Freiheit ist uns in jeder Hinsicht wichtig. Sie ist eine Triebkraft. Knechte sind wir aber nicht. Deshalb die freundliche Zurückweisung des evangelischen Satzes: „Ihr werdet frei sein“.

Ihr werdet die Wahrheit erkennen, sagt Jesus.

Das ist nicht nötig, lautet die Antwort. Ja, vielleicht ist vorschnell gesagt, denn ganz kennen wir sie ja nicht, aber nie waren wir besser dafür gerüstet, die Wahrheit zu erkennen, als heute. Wir wissen mehr, als man früher wusste. Wir sehen mehr Zusammenhänge und können das Meiste ausrechnen. Die Wahrheit ist eine Nuss, die wir knacken. Danke also, wir schaffen das.

Ihr werdet die Wahrheit erkennen, wird wiederholt.

Das ist nicht nötig, lautet erneut die Antwort. Jedenfalls nicht, wenn es um die Wahrheit mit großem „W“ geht. Wenn Machthaber und Agitatoren sich darauf berufen, die Wahrheit mit großem „W“ zu besitzen, hat das blutige Spuren hinterlassen. Da sind zu viele Wahrheiten, die mit Macht durchgesetzt worden sind. Das hat Tod gebracht und nicht Leben. Nicht dass wir uns nicht auf die Wahrheit berufen, aber die wird mehr überschaubar, nicht absolut und umfassend sein. Sie wird individuell sein. Oder bestimmt als das, worüber wir alle einig sein können. Als ein Kunstwerk, über das wir abstimmen können, ehe wir es auf den Markt der Stadt aufstellen.

Manches ist gelungen, wenn die Freiheit Gesetz wurde. Manches wurde auch zu kleinlich, wenn Freiheit zu einem Gut wurde. Etwas gelang, wenn wir aus der Erfahrung lernten und einander daran erinnerten, dass die Wahrheit, die sich mit Macht durchsetzt, intolerant und problematisch ist. Aber manches ist auch zu kleinlich, wenn die Wahrheit individuell ist oder zu etwas wird, über das man verhandeln kann. Wenn wir uns mehr für Güter interessieren als für das Gute und nicht einsehen wollen, dass es etwas geben soll von absoluter Bedeutung, dann ist es so wie wenn man die Obertöne in einem Stück Musik entfernt. Das wird flach, erhebt sich nicht. Oder es bedeutet, dass das innerste Prinzip entfernt wird und man sich nur zum Äußeren, der Oberfläche verhält.

Freiheit und Wahrheit standen immer im Mittelpunkt der Ereignisse, wenn es um Veränderungen in der Welt ging. „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“, schreibt Paulus. Er schreibt von einer Veränderung, die dafür von Bedeutung ist, wer wir als Menschen sind, wie wir unsere Welt verstehen und wie wir unser Leben leben. Was das für eine Freiheit und Wahrheit ist, die zu dieser grundlegenden Veränderung führt, entfaltet Paulus, indem er von der Liebe spricht. Wir schwächen die Freiheit, wenn wir sie zu unserem Eigentum machen, zu einem Recht und einem persönlichen Projekt. Die Freiheit haben wir nicht für uns selbst. Wir haben sie nur zusammen. Wirkliche Freiheit ist es, wenn die Liebe uns zwingt, sagt Paulus. Das ist eine Freiheit mit Grenzen – Grenzen, die durch die Liebe definiert sind. Unser Leben ist von Gott gewollt. Dien Forderung der Liebe an den Menschen ist, dass dies auch den anderen wollen soll. Dazu ist der Mensch befreit. Frei dazu, dem anderen zugewandt zu sein, gezwungen von der Liebe.

Es mag gut sein, dass da nicht viel freier Vogel ist über eine gebundene Freiheit, aber das kann doch auch eine Befreiung sein, aus seinem eigenen Gefängnis befreit zu werden. Die Freiheit liegt im Mitmenschen. Sie liegt darin, sich selbst in der Gemeinschaft zu finden, die eigene Identität darin zu finden, nicht allein zu sein, sondern Vater, Mutter, Kind Schwester, Bruder, Partner. Das ist das Gute.

Und die Wahrheit. Auch sie existiert in der Beziehung. Wenn Jesus von der Wahrheit über sich selbst spricht, wer er ist, tut er dies, indem er vom Vater spricht. Er ist der, der er ist, auf Grund seiner Beziehung zum Vater.

„Neues ist geworden“, das ist es, denn wir sind hier versammelt. Das ist etwas, was gilt und was absolute Bedeutung hat. Der Vater hat uns gezeigt, dass der Mensch gilt, indem er seinen Sohn Mensch werden ließ. Der Sohn hat uns gezeigt, dass der Mitmensch gilt, durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung. Die Freiheit und die Wahrheit existieren und setzen sich durch. Rufen uns in ein Leben der Gemeinschaft, wenden uns zu einander. Hier beginnt es im Sinne des Evangeliums. In einer Freiheit und einer Wahrheit, die der Liebe entspringen und sich nicht von unserem begrenzten Verstehen hemmen lassen. Amen.

Pastorin Christiane Gammeltoft-Hansen

DK-2000 Frederiksberg

E-mail: cgh(at)km.dk

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