2 Korinther 4,14–18

2 Korinther 4,14–18

Aufgeweckt | Jubilate | 21.04.2024 | 2Kor 4,14–18 | Eberhard Busch |

Wir wissen, dass der, welcher den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und mit euch vor sich hinstellen wird. Denn das geschieht um euretwillen, damit die Gnade sich mehre durch die wachsende Zahl der Glaubenden und der Dank reichlich ströme zur Verherrlichung Gottes. Daher werden wir nicht mutlos (daher verzagen wir nicht), wenn auch der äußere Mensch verbraucht wird, so wird doch der innere Mensch von Tag  zu Tag erneuert. Denn die Last unserer jetzigen Bedrängnis wiegt leicht und bringt uns eine weit über jedes Maß hinausgehende, unendliche Fülle an Herrlichkeit, wenn wir nicht auf das Sichtbare schauen, sondern auf das Unsichtbare. Denn das Sichtbare gehört dem Augenblick, das Unsichtbare ist ewig. (Zürcher Bibel)

Im Jahr 1759 wurde der Rechtsgelehrte Johann Jakob Moser vom schwäbischen Herzog zur Haft auf der Burg Hohentwil verurteilt. Er wurde bestraft für seine freie Meinungsäußerung. die dem Regenten so gar nicht passte. Als er vor ihm erschien, summte er ein Lied vor sich hin: „Unverzagt und ohne Grauen / soll ein Christ, wo er ist, / stets sich lassen schauen. / Wollt ihn gar der Tod aufreiben / soll der Mut dennoch gut / und fein stille bleiben.“ (Paul Gerhardt) Das beherzigte er: Christen dürfen stets und trotz allen Widrigkeiten getrosten Mutes sein..

Von solchem Mut redet der heutige Predigttext. Der Apostel Paulus sagt mittendrin: Wir verzagen nicht. Wir werden nicht mutlos. Wer kann so etwas sagen? Ist er solch ein Kraftprotz? Hat er eine derart dicke Haut? Verbreitet er eine Durchhalteparole, um schlagkräftig zu bleiben? Oder ist er blind dafür, dass es in unserem Leben Geschichten gibt, bei denen wir allen Mut verlieren? Bei denen selbst Hartgesottene den Kopf hängen lassen? Bei denen zuletzt jedermann bange davor ist, dass uns „gar der Tod aufreiben“ wird?

Es gibt allerdings einen guten Grund dafür, den Mut nicht zu verlieren, sondern ihn sich verleihen und sich stärken zu lassen. Der Grund ist derart stark, dass man auch in Schwachheit und Einsamkeit und bei arger Bedrängnis durchhalten kann, „unverzagt und ohne Grauen“ . Der Grund ist so goldrichtig, dass der heutige Sonntag seit alters den Namen trägt: „Jubilate“, „Jubiliert“. Es gibt tatsächlich Grund zum Jubeln – nicht über das, was Menschen alles so anstellen; davor kann einem oft nur angst und bange werden. Aber es gibt Grund zum Jubeln über das, was Gott in Jesus für uns angestellt hat, so dass wir freudig aufatmen können.

Darum geht es: „Jesus lebt, mit ihm auch ich.“ So eng sind wir mit ihm verbunden. So eng hat er sich mit uns verbunden. Ein Lehrer namens Johann Crüger hat vor 400 Jahren gereimt: “Lässet auch ein Haupt sein Glied, welches es nicht nach sich zieht.“ Er ist uns nahegerückt, weil er uns in seiner Nähe haben will. Paulus schreibt: Weil Gott „den Herrn Jesus auferweckt hat, wird er auch uns mit Jesus auferwecken“. Auch uns! „Des dürfen wir alle froh sein.“ Auch wir dürfen aufgeweckt sein, dürfen den Kopf in die Höhe heben, dürfen uns die Schlafreste aus den Augen wischen, dürfen die Todesfurcht hinter uns lassen. Das ist die österliche Folgeerscheinung,

Und wem ist „der Herr Jesus“ etwa nicht zugewandt? Wer ist ihm denn kein Zugehöriger? Er will auch die Fremden zu Nachbarn haben. Das Gute gilt uns und nicht nur uns, es gilt Weiteren, vielen Weiteren. Sie, die „draußen vor der Tür“ stehen, liegen jedenfalls ihm am Herzen. Paulus schreibt von einer Bewegung, die weit und breit und in alle Zukunft hinein sich fortsetzt. Eine „wachsende Zahl von Glaubenden“ sieht er am Horizont. Wenn nicht bei uns, dann unter den Fremden.

Doch gibt es nicht wenigstens im Blick auf „Fremde“ eine Erlaubnis zur Übertretung des Gebots: „Du sollst nicht töten“? – wenn nicht direkt, so doch hübsch legal. Aber bitte, nimm Verstand an! Du sollst es darum nicht, weil unser Gott will, dass ausnahmslos alle leben, und will, dass auch wir lebensbejahend seien – wir für uns wie für unsere geliebten und verfeindeten Mimenschen wie für unsere Nachkommen, die keine letzte Generation sein sollen. „Was unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten“. Das dürfen wir uns ruhig hinter die Ohren schreiben, um es nicht länger zu verdrängen.

Denn Gott liebt das Leben. Deshalb kann Paulus allem Tod und allem Töten zum Trotz sagen: „Daher verzagen wir nicht.“ „Daher werden wir nicht mutlos.“ Können wir es denn nicht ihm nachstottern? Es gibt ja für uns eine Hoffnung, die nicht wackelt. Sie wird nicht durch vermeintlich harte Tatsachen widerlegt, sie widerlegt ihrerseits harte Tasachen. Sie ist so robust, dass sie standhält. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt man. Aber diese Hoffnung stirbt gerade zuletzt nicht. Sie wird auf Punkt und Komma erfüllt. Gewiss, wir sind noch unterwegs. Wir sind noch nicht am Ziel. Aber schon sehen wir Morgenlicht und schon können wir etwas davon schmecken. Der neue Mensch wird bereits „von Tag zu Tag erneuert.“.

Was ist der neue Mensch? Paulus unterscheidet hier zwischen dem äüßeren und inneren Menschen. Dabei geht es nicht um eine Unterscheidung von Leib und Seele. Beide gehören zusammen; sonst ist er kein Mensch. Vielmehr: Der innere Mensch ist der Mensch in Gottes Hand, der äußere ist der Mensch in Menschenhand, in eigener oder in andrer Menschenhand. Es ist nicht gut, wenn er bloß in Menschenhand ist. Es ist gut, wenn er in Gottes Hand ist. Da ist er nicht mehr mit Leib und Seele an den verschwindenden „Augenblick“ verloren. Da ist er von Gottes unendlicher Liebe gefunden. „Gott hat derer nicht vergessen, / die in Finsternis gesessen.“ So werdem wir einstimmen in das Lied: „Jesus lebt, mit ihm auch ich, Tod, wo sind nun deine Schrecken.“ Der Tod ist noch da. Aber er hat keine Macht mehr über Ihn und darum auch keine Macht mehr über uns; er hat seine Stoßzähne verloren. Wir dürfen mit Jochen Klepper sagen: „In jeder Nacht, die mich umfängt, darf ich in Seine Arme fallen.“

Derart strecken wir uns danach aus: nach dem Kommenden, nach dem Unsichtbaren, noch nicht Sichtbaren, Ewigen. Nicht nach den Eintagsfliegen, die schnell kommen und schnell absterben. Wir bestreiten es nicht, das Vorübergehende: Wir selbst gehen vorüber, hören einmal auf, treten ab. Uns steht ein Abgang von der Bühne bevor, was immer wir darauf für eine Rolle gespielt haben. Sind wir nicht ernstlich „die letzte Generation“? – auch wenn wir noch so sehr die ablehnen, die sich so nennen. „Von Erde bist du genommen und sollst wieder zu Erde werden.“ Weil wir das so oft unter den Tisch fallen lassen, muss uns das aufgetischt werden. Wollen wir denn davon absehen, was wir doch sehen? – „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod.“

Jedoch wir bauen nicht auf das Vergängliche. „Mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“ Wir halten uns nicht an den flüchtigen „Augenblick“, an das, was heute offiziell im Vordergrund steht. Wir klammern uns nicht an Strohhalme. Das Vergängliche gibt keinen Halt. Aber solange wir leben, sagen wir: Weh dem, der sich ans Haltlose hält, der Haltloses als haltbar ausgibt. „Weh dem, der keine Heimat hat“ (Friedrich Nietzsche) „Alles vergehet, Gott aber stehet, ohn alles Wanken“. Er steht und hält das Brüchige fest in seiner wunderguten Hand. Das ermächtigt uns, im Ewigen heimisch zu werden, „Und wollt uns gar der Tod aufreiben“ – „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken?!“

Der einstige Pfarrer Hermann Friedrich Kohlbrügge in Wuppertal-Elberfeld schloss eine Predigt mit folgenden Worten, mit denen auch wir unsere Predigt schließen „Darum, wenn ich sterbe – ich sterbe aber nicht mehr – und es findet jemand meinen Schädel, so predige es ihm dieser Schädel noch: Ich habe keine Augen, dennoch schaue ich ihn. Ich habe kein Gehirn und Verstand, dennoch umfasse ich ihn; ich habe keine Lippen, dennoch küsse ich ihn. Ich habe keine Zunge, dennoch lobsinge ich ihm mit euch Allen, die ihr seinen Namen anruft. Ich liege hier draußen auf dem Gottesacker, dennoch bin ich drinnen im Paradies! Alles Leiden ist vergessen. Das hat uns seine große Liebe getan, da er für uns sein Kreuz trug. Amen.“


Eberhard Busch

de_DEDeutsch