2. Korinther 8,7-9

2. Korinther 8,7-9

Spenden oder nicht spenden | Christfest II | 26.12.23 | 2. Kor 8, 7 – 9 | Fritz Neubacher |

Spenden oder nicht spenden – das ist heute die Frage.

Ja, ich weiß: Der Bibeltext mit diesem Thema ist eine Zumutung an diesem 2. Weihnachtsfeiertag. Es ist als würden wir uns auf dem Kirchenplatz draußen darüber unterhalten, wie teuer die Geschenke waren, die wir heuer bekommen und verschenkt haben: „Ich habe ein Plus von 78 Euro gemacht, dieses Jahr!“ Das ist unpassend. Wir hätten uns etwas Freundlicheres, Wärmeres gewünscht als das Spendenthema.

Aber: Ich lade euch ein – lassen wir uns drauf ein, der Text hat mehr zu bieten! Bereit?

Beginnen wir mit einem Rückblick in die Vorweihnachtszeit. Da kommen beinahe täglich Erlagscheine und Spendenaufrufe ins Haus. Die Tierschutzvereine, die Umweltorganisationen, Licht ins Dunkel, die Diakonie und die Caritas, die missionarischen Initiativen – alle wollen unser Geld. Und alle denken, vor Weihnachten, das wäre eine gute Zeit dafür, anzuklopfen. Und die eigene Gemeinde natürlich. Die braucht auch Treibstoff! Ich kenne Menschen, die vor Weihnachten extra noch zur Bank gehen, um genügend Scheine parat zu haben für die Sammlungen in den vielen Gottesdiensten.

Alles sinnvolle Projekte, alles förderwürdig! Also: alles mit Spenden unterstützen?

Auch die Spende, die Paulus von den Korinthern einsammeln will, ist absolut sinnvoll: die Gemeinde in Jerusalem, die Mutter aller Gemeinden, ist verarmt. Sie braucht dringend Hilfe. Und die Christen in Korinth, einer prosperierenden Handelsstadt, scheinen Möglichkeiten zu besitzen.

Wie motiviert Paulus sie?

Ich kann drei Argumente erkennen, mit denen er die Gemeindeglieder anspornen will, zu geben:

  • Ihr seid reich!

Ihr seid reich in allem! Schreibt Paulus – und nennt fünf Konkretionen, die allerdings alle nichts mit materiellen Gütern zu tun haben:

Reich im Glauben: ich kann nicht beurteilen, wie stark der Glaube der korinthischen Gemeindeglieder wirklich war, aber ich kann sagen: Wir hier in unserer Gemeinde, wir trauen Gott schon einiges zu! Wir haben Vertrauen zu ihm, wir verlassen uns auf ihn.

Reich im Wort: In Korinth waren es Weisheitsreden, Zungenreden, Prophetien. Bei uns hier können wir mit ein wenig Stolz sagen: wir haben viele verschiedene Prediger und Predigerinnen: Junge und Ältere, Pfarrpersonen und Menschen aus dem normalen Leben. Ja, da sind wir reich.

Das Dritte, das Paulus nennt ist Erkenntnis: Auch da kann ich einstimmen und sagen: Tatsächlich, wir sind reich! Wenn wir abends zusammensitzen in Arbeitsgruppen oder anderen Formaten, dann staune ich oft, welcher Reichtum an Wissen um geistliche Zusammenhänge unter uns lebendig ist. Das ist großartig!

Dann nennt Paulus den Eifer der Gemeindeglieder. Und ich frage mich und euch: Wie steht es denn um unseren Eifer? Meine Einschätzung: Wenn ich an Feste, an spezielle Gottesdienste, an Kirchenrenovierung, Friedhofspflege und Kirchenkaffee, an Kindergottesdienste und Besuchsdienste, an Weihnachten im Schuhkarton und 1000 andere Dinge denke, dann fühlt sich das an wie ein schier unerschöpflicher Brunnen an ehrenamtlicher Mitarbeit. Da ist „eifrig“ eine Beschreibung, die schon zutrifft!

Bleibt als fünftes die Liebe. Wiederum: für die Korinther wird es schon stimmen, da vertrauen wir Paulus – und für uns? Klar: Liebe ist immer zu wenig, aber andererseits: Gastfreundschaft, Fürsorge füreinander, sich gegenseitig wahrnehmen und achten, die Kranken besuchen und die Trauernden begleiten – ich denke, das alles ist erlebbar unter uns. Seht ihr das auch so? —

Gut. Die Abrechnung ergibt: nicht nur Korinth ist eine reiche Gemeinde – auch wir sind eine reiche Gemeinde! Deswegen, meint Paulus, könnten wir doch auch großzügig beim Spenden in die Tasche greifen!

  • Zweites Argument: die anderen spenden viel!

Jetzt wird es ein bissl heikel. Paulus malt den Korinthern die Nachbargemeinden in Makedonien vor Augen, und sagt: Die sind richtig fleißig in ihrem Spendensammeln für Jerusalem! Also: nehmt euch ein Beispiel an ihnen! Es ist, als ob ich euch bei der Spendenabkündigung die Gemeinden der Region als Vorbild vor Augen malen wollte: Seht mal, die Vöcklabrucker und die Gmundner haben schon großzügig gegeben, und sogar die Lenzinger auch, und – ganz hart – die katholischen Gemeinden der Gegend haben sich auch schon beteiligt. Da können wir uns nicht lumpen lassen! Paulus will zu einem Wettstreit der Großzügigkeit herausfordern. So, wie wenn wir Österreicher zusehen müssen, wie die Schweizer Schifahrer den unsrigen um die Ohren fahren: Das geht gar nicht – da müssen wir uns ebenfalls anstrengen!

Also: Lasst uns großzügig geben!

  • Schließlich ein drittes Argument: denkt an Jesus Christus selber!

Wurde er nicht arm um unseretwillen, damit wir reich würden?

Christus war reich: er existierte in der Ewigkeit und Herrlichkeit Gottes, verzichtete aber darauf, wurde ein Mensch wie wir – nein, viel ärmer als wir!

Seine Babybett eine Futterkrippe, sein Kinderzimmer ein Viehstall.

Der allmächtige Gott – müde und erschöpft.

Der Schöpfer der Freude trauert und weint.

Der, der die Milchstraße mit einem Wort erschuf, schlug Nägel in Bänke ein und hobelte Tische.

Der Herr der Heerscharen, blutig geschlagen und bespuckt.

Die Liebe in Person, verraten und verlassen von den engsten Freunden.

Der gerechte Richter, Opfer des ungerechtesten Urteils der Weltgeschichte.

Die Herrlichkeit Gottes – eingetauscht gegen abschreckende Armseligkeit.

Das ist Weihnachten.

Der Prinz, der freiwillig ein Frosch wird – damit wir Königskinder sein dürfen: Reich an den Gnadengaben, wie Glaube, Wort und Erkenntnis, an Eifer und Liebe!

Das ist der fröhliche Wechsel, den Nikolaus Herman in seinem Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ besingt. Und deswegen kommt dieser Paulustext auch an Weihnachten zu Wort.

Dafür können wir dankbar sein! Und diese Dankbarkeit könnte sich doch niederschlagen in Großzügigkeit bei der Spendensache.

Das sind die drei Argumente, mit denen Paulus die Korinther zum Spenden für Jerusalem motiviert. Ich habe versucht sie in unsere Situation zu übertragen – und wäre jetzt richtig neugierig, wie erfolgreich ich gewesen bin. Eigentlich müssten wir das jetzt testen, und eine Kollekte einsammeln… Oder wenigstens in einer kleinen Umfrage erheben, wie überzeugend das war.

Beides machen wir nicht – wir fragen lieber, ob es noch einen Einwand, ein „aber“ gibt? Wenn es keinen gibt, dann müssten wir ja nach Hause gehen, all die Erlagscheine und Spendenaufrufe hervorholen, und fette Beträge einzahlen. Ja?

Es gibt ein „aber“.

Es steht nicht mehr in unserem Predigttext, sondern ein paar Verse weiter. Da erklärt Paulus, dass Christus, der reich war und sich arm macht um unsretwillen, nicht wörtlich nachzuahmen ist. Es soll unsere Dankbarkeit für seine Menschwerdung und für unsere Erlösung bewirken, aber wir müssen uns nicht arm machen wie er. Wir müssen bei dieser Aktion nicht unser letztes Hemd geben.

Es soll zu einem Ausgleich kommen, schreibt Paulus. Er meint: die Armen in Jerusalem sollen ein bisschen weniger arm werden durch eure Gaben, und ihr werdet dadurch ein bisschen weniger reich sein.

Ihr werdet sehen: Das ist nicht verlorenes Geld – das ist eine gewaltige Investition! Ich möcht‘ an dieser Stelle sagen, wie wir’s machen, meine Frau und ich: Wir haben seit vielen Jahren ein paar Daueraufträge laufen: Für die Verbreitung des Evangeliums einerseits, und für soziale Zwecke andererseits. Den Rest geben wir bei den Kollekten, und Sammlungen in der Kirche; und für Erlagscheine, die halt so ins Haus flattern. Wichtig bei der Auswahl ist uns der persönliche Bezug zu den Initiativen, die wir fördern. Wir genießen es, mit zu verfolgen, wie Gott die Arbeit der Evangelistin und der diakonischen Dienste segnet, wir lesen mit Begeisterung ihre Berichte. Wir nehmen Anteil an ihren Schwierigkeiten, beten für sie und nehmen an der weltweiten Ausbreitung des Evangeliums teil. Wir sind bereichert und ermutigt. Wir freuen uns darüber, was Gott tut!

Ich habe uns, meine Frau und mich, als Beispiel genommen. Es gäbe wahrlich leuchtendere Menschen, die sich verausgaben für das Reich Gottes. Ich habe unser Beispiel erzählt, weil ich es für nachahmbar halte. Für nicht überzogen. Für etwas ganz schlicht Normales. Ich will euch ermutigen: Probiert es aus – und freut euch über die Segnungen, die damit verbunden sind.

Rabbi Samuel Schmelke kann uns als Vorbild dienen:

Als eines Tages ein Armer vor seiner Tür stand, und um Geld bat, war grade keines im Haus. Da gab er ihm einen Ring aus der Familienschatulle. Der Bettler zieht ab, und die Frau des Rabbi tritt auf den Plan. Sie überschüttet Samuel mit Vorwürfen, so ein wertvolles Schmuckstück einem unbekannten Bettler zu überlassen. Rabbi Schmelke lässt daraufhin den Habenichts zurückrufen und sagt zu ihm – mit erhobenem Zeigefinger: Ich habe gerade erfahren, dass der Ring, den ich dir gegeben habe, sehr, sehr wertvoll ist. Achte also bitte darauf, dass du ihn nicht zu billig weiterverkaufst!

Amen.

Liedvorschlag: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich. EG 27

Rektor i.R. Fritz Neubacher

St. Georgen im Attergau, Ö

Email: Fritz.neubacher@aon.at

Fritz Neubacher, Jahrgang 1958, Pfarrer der Evang. Kirche A. B. i. Ö.; bis 8/23 Rektor des Werks für Evangelisation und Gemeindeaufbau, seither im Ruhestand.

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