2. Korinther 8,7-9

2. Korinther 8,7-9

Der „Wohl“-Stand vor Gott | Christfest II | 26.12.2023 | 2. Kor 8, 7-9 | Manfred Mielke |

Liebe Gemeinde,

Weihrauch, Myrrhe und Gold – die drei edlen Gaben für das Jesuskind sind echte Hingucker, vor allem im Kontrast zur Armut des Stalles. Wie kam es zur Übergabe und was geschah danach? Da der Stern über dem Stall verharrt, treten die Sterndeuter hocherfreut ein. Sie knien nieder, beten den Neugeborenen an, „tun ihre Schätze auf“ und übergeben Weihrauch, Myrrhe und Gold. Und was machen sie nun? Nach einem kurzen Abschied stehen sie vor dem Stall, mit leeren Händen und dennoch überreich beschenkt. Ihr Niederknien vor Jesus war aufrecht, ihre Hände zu leeren hat sie beglückt, ihr Glaubenszuwachs ist mega. Nachdem der Stern schon weitergezogen ist, weist Gott sie an, um Herodes einen Schlenker zu machen. Nun ziehen sie hocherfreut heimwärts.

Die Sterndeuter zeigen uns auf offener Bühne, was Paulus im 2. Korintherbrief so zusammenfasst: „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ (2Kor 8,9) Reich und Arm stehen sich hart gegenüber, doch Paulus sieht, dass sie zwischen Gott und Mensch in Bewegung sind. Das „Sich-arm-machen“ und das „In-sich-reich-werden“ sind Vorgänge, die einander beeinflussen. – Jesus hat sich dabei selbst „erniedrigt“, danach wurde er von Gott „erhöht“. Diese Bewegung blieb nicht zwischen den beiden, sie kommt bei uns an. Paulus zitiert dazu den Hymnus: „Christus Jesus klammerte sich nicht daran, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt und Menschengeschick an. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis hinein in seinen Kreuzestod. Darum hat ihn auch Gott erhöht. Alle sollen ihre Knie beugen und in ihren Sprachen bekennen, dass dieser Jesus Christus ihr Herr ist.“

Erniedrigung und Erhöhung sind Vorgänge zwischen Jesus und Gott. Wir merken aber bei diesen Vorgängen, wie sich unser Glaube anreichert. Das Ziel ist unser staunendes Niederknien, so, wie es die Sterndeuter tun. Auch bei uns reift dabei ein Bekenntnis heran und wir bekommen unsre Hände frei für einen ganz anderen Reichtum. Darin erkennen wir die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, denn „obwohl er reich ist, wurde er doch arm um unsertwillen, damit wir durch seine Armut reich würden“.

Wenn wir von der Gnade Gottes und der Armut Jesu als Quelle unseres Reichtums hören, werden Erinnerungen in uns wach an Spendenaufrufe wie: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!“ Und in der Tat schreibt Paulus seinen Aufruf nicht als Weihnachts-Slogan, sondern für eine mehrjährige Sammelaktion. Wir können sie nachvollziehen, um seinen Appell bei dieser Aktion einordnen zu können. Denn wir brauchen Gottes Leidenschaft viel mehr für unsere Glaubensvielfalt als zum Geldeintreiben. Aus ihr heraus werden wir weiterhin Mangel ausgleichen; vermutlich mehr aufgrund von Dankbarkeit.

Doch wofür ließ Paulus damals den Hut rumgehen? Er schreibt an die Christen in Korinth: „Ihr seid doch rundum reich; im Glauben, in der Bibelkenntnis, in allem Eifer und in der Liebe. Also gebt reichlich bei dieser Wohltat. Nicht sage ich das als Befehl; ich hoffe aber, dass eure Liebe rechter Art ist. Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Des Paulus‘ Sammelaktion in Griechenland sollte der klammen Gemeinde in Jerusalem helfen. Dort waren die ersten Christen furios gestartet; sie teilten alles. Die neu ankommenden Migranten aus Galiläa aber konnten sie nicht wirklich integrieren. Die vorher Juden waren, bevormundeten die, die vorher Heiden waren. Die fremden Witwen forderten gleiche Hilfen wie die Alteingesessenen. Der Liebes-Kommunismus war schnell verflogen, niemand stiftete noch eine Immobilie für die Diakoniekasse. Streit macht oft arm – in mehrfacher Hinsicht.

Zudem schlug die Großwetterlage um. Die Wut des römischen Staates gegen Religionsgemeinschaften nahm spürbar zu. Es wurde zu gefährlich, ihren Mangel von außen auszugleichen. Paulus wollte die junge Ökumene zusammenhalten und große Spenden überbringen, er verhedderte sich jedoch in böse Verdachtsfälle. Die Römer mussten ihn gegen fromme Hitzköpfe in Schutzhaft nehmen. Sein Spendenprojekt scheiterte und folglich auch sein Traum, Spanien zu missionieren. Er hatte versucht, das Christusbekenntnis in klingende Münze umzumünzen, was gut gemeint war, aber umkippte. Und heute können wir unsre großen Kirchengebäude kaum noch instandhalten. Wir müssen Insolvenzen von Landeskirchen und Diözesen befürchten und verwechseln Schmerzensgelder mit wahrer Buße. Bloß gut, dass wir „Brot für die Welt“ und „Misereor“ nach wie vor mit vielen Spenden ausstatten. Doch wir können auch diesseits unserer Portemonnaies nachfragen, was uns der Bibelvers sagt: „Obwohl Christus reich ist, wurde er arm um unsertwillen, damit wir durch seine Armut reich würden.“

Worin sind wir reich geworden?

Was ist bei uns mehr „draufgekommen“, dadurch, dass Jesus seine Gottheit „drangab“? Nun ist das „Sich-arm-machen“ kein kurzer Schlenker gewesen, sondern ein kompletter Wandel seiner selbst. Jesus gab seine „klare“ Gottheit dran, um als Normalmensch unter uns Normalmenschen mit seiner Mission anzusetzen. Seine Selbst-Rücknahme von reich zu arm entspricht unserer Wesens-Veränderung von arm zu reich, sozusagen in Gegenrichtung. Denn Christi Handeln hat nicht unsern Wohlstand vermehrt, sondern unseren Status vor Gott erhöht. Im Urzustand sind wir Knechte fremder Mächte – im Sinne von: „Einmal Sklave, immer Sklave!“ Doch Christus hat, indem er den Sklavenstand von unten her aufgelöst hat, uns freigemacht, in seiner Freiheit geboren zu sein. Daher trägt jeder von uns den Titel „Kind Gottes“ und ist folglich auch Erbe seiner Verheißungen. Das ist der erstaunliche Tausch-Vorgang, mit dem Gott seine Gnade in uns anreichert. Während sich Christi Armut entlang der Stationen entwickelt „nicht klammern, sich entäußern, einwilligen, erleiden“, entfaltet sich unser Reichtum entlang der Stationen „Sklave, Befreite, Kinder, Erben“. Christus macht sich arm, damit wir vor Gott in einem anderen Stand stehen. Das macht uns verlegen, weil wir ihn uns nicht erwirtschaftet haben. Dennoch interessiert uns, wie sich diese Fülle anfühlt. Dazu drei Beispiele. Wir spüren sie im Erstarken unsrer Seelenkräfte, unserer Abwehrkräfte und unserer Beziehungsfähigkeiten.

Im Erstarken unserer Seelenkräfte

Jesus ist darin aufgegangen, „Gott zu lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele und mit aller Kraft“. Er fördert damit einen Glauben, der unsrer Seele Tiefe schenkt und sie gesund erhält. Gottes Hauch, mit dem er die Schöpfung beseelte, erfrischt unsre Psyche. Markante Psalmenverse werden in uns zu guten Ideen. – Wir sehen bereits im Stall von Bethlehem, wie beseelt die Sterndeuter handeln. Jesus ruft seelenruhig: „Lazarus, komm heraus aus deiner Gruft!“ Und aus intakter Seele übergibt er sterbend seinen Geist in Gottes Hände. „Als mein Leib und Seele saßen im größten Leid, hat er nichts unterlassen zu meinem Trost und Freud.“ (EG 11) Auch wenn wir sie selten ausschöpfen, sind unsere Seelenkräfte intensiver geworden durch Christi Initiative.

Im Erstarken unserer Abwehrkräfte

Jesus Christus hat uns durch seine Art mehr Abwehrkräfte zukommen lassen. Gegen Einschüchterungen herrscht er seine Gegner an: „Merkt ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? Was aus dem Menschen herauskommt, das macht den Menschen unrein!“ Konkret meint Jesus damit Habgier, Bosheit, Missgunst, Hochmut und Unvernunft. Doch er versöhnt uns mit uns selbst, damit dieser Unfug nicht ungefiltert aus uns herausplatzt. – Bereits in der Weihnachtsgeschichte entlarvt er durch seine schlichte Menschwerdung Herodes als Tyrannen. Noch am Kreuz verzichtet er auf Engel in Kompaniestärke. Seine Selbstbegrenzung ermutigt uns, unsere Chaoskräfte einzudämmen. „Das soll und will ich mir zunutz zu allen Zeiten machen; im Streite soll es sein mein Schutz, in Traurigkeit mein Lachen; und wenn mir nichts mehr schmecken will, soll mich dies Manna speisen“. (EG 83) Auch wenn wir manchmal schwächeln – unsere Abwehrkräfte sind robuster geworden durch Christi Initiative.

Im Erstarken unserer Beziehungsfähigkeiten

Jesus wurde Mensch durch Geburt im Stall. Seine ersten Besucher sind Tagelöhner und Sterndeuter. Abgehängte und Missachtete ziehen ihn immer wieder an. Jeder seiner Kontakte wird argwöhnisch beäugt. Dagegen lebt Jesus, was er empfiehlt: „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst.“ So wurde er uns ein Vorbild dafür, die Feindesliebe, die Nächstenliebe und die Selbstliebe in Gottes Gegenwart zu wagen. Er eröffnet uns auch den Beziehungsreichtum der Dreieinigkeit. Er ist eins mit seinem Gottvater, er verleiht uns den Heiligen Geist, er ist unser Netzwerker in der Trinität Gottes. Dass er in diese Fülle hineinwuchs, macht uns geduldig für kleine Schritte. Bei fremdem Kummer können wir trösten mit dem Trost, den Christus bewirkt hat. Durch seine entschlossene Bescheidenheit hat er viel für uns bereitgestellt, für unsre Seelenkräfte, unsre Abwehrkräfte und unsere Beziehungsfähigkeiten.

Nun, die Sterndeuter verlassen den Stall mit leeren Händen. Sie haben aber Impulse aufgenommen für eine neue Beziehungs-Vielfalt, zu mehr Seelentiefe und mehr Entscheidungskraft. In meiner Phantasie sehe ich, wie sie bei ihrer nächsten Rast in ihren Packtaschen einen Zettel finden. Sie entziffern die Handschrift des Josephs und lesen: „Nun hebt ihr eure Augen auf zu den Bergen und fragt euch: Woher kommt uns Hilfe? Unsre Hilfe kam bisher von Jahwe, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Auch euren Fuß wird er nicht gleiten lassen, und der euch leitet, schläft nicht.“ Und auf der Rückseite des Zettels lesen sie weiter: „Dieser Gott behütet euch, dass euch des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Er behütet eure Seele, auch vor aller Hinterlist. Seid gesegnet durch den Besuch bei uns und auf eurem Weg in die Welt; solange ihr lebt – und nun lebt wohl.“ Amen

Vorschlag Lieder

Aus der Armut eines Stalles; Singt von Hoffnung Nr. 8

Ein Lied hat die Freude sich ausgedacht; Cantate Nr. 239

Die Weisen sind gegangen; Singt Jubilate Nr. 14

Da kommen die Könige; Lied zur Sternsingeraktion 2018

Nun jauchzet, all ihr Frommen; EG 9

Lobt Gott, ihr Christen alle gleich; EG 27

Diakonisches Gebet zum Liedtext: Aus der Armut eines Stalles; Armin Juhre 1980

„Aus der Armut eines Stalles dringt ein gutes, warmes Licht,

und wir sehn, wie in der Stille eine neue Zeit anbricht.“

Gott, wir bitten Dich, dass wir die Stille aushalten.

Dass unsere Erwartungen wach bleiben.

Dass wir Fremde herzlich bewirten.

Und dass Kind-Geburten nicht unter Ängsten stattfinden.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

„Könige aus fernen Reichen bringen ihre Schätze her,

und am Ziel der Reise finden sie ganz unvergleichlich mehr.“

Gott, oft vermeiden wir, etwas loszulassen.

Gib uns Ziele und Werte, die uns anlocken.

Gib allen Flüchtlingen sichere Wege.

Und uns die Bereitschaft, Fremdes zu begrüßen.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

„Jesus Christus, hier geboren, Menschensohn und Gotteskind,

und die Hirten sagen‘s weiter: dieser ist uns wohlgesinnt.“

Gott, in Jesus bist Du Mensch geworden, unser Vorbild und Retter.

Wir erkennen, dass Du uns wohlgesinnt bist.

Wir teilen dies mit Zweifelnden und Enttäuschten.

Gib uns allen die Zuversicht der Sterndeuter und den Mut der Hirten.

Wir bitten dich: Erhöre uns.

Amen

Manfred Mielke, Pfarrer der EKiR im Ruhestand, geb 1953, verheiratet, 2 Söhne. Sozialisation im Ruhrgebiet und in Freikirchen. Studium in Wuppertal und Bonn (auch Soziologie). Mitarbeit bei Christival und Kirchentagen. Partnerschaftsprojekte in Ungarn (1988- 2011) und Ruanda (2001-2019). Musiker und Arrangeur.

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