2. Sam. 12,1-10,13-15a

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2. Sam. 12,1-10,13-15a

Tatsachen, die eine andere Sprache sprechen | 11. Sonntag nach Trinitatis | 28.08.2022 | Predigt zu 2. Sam. 12,1-10,13-15a | verfasst von Markus Kreis |

Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Das heißt: Viel von dem, was so gesagt und behauptet wird, das ist falsch, das widerspricht der Wirklichkeit. Sprache kann nämlich abgehoben sein. Zu emotional aufgeputscht. Oder zu bedacht in der Wortwahl formuliert. Sprache kann so abgehoben sein, dass sie die Bindung an die Realität verliert oder vortäuscht, anstatt sie abzubilden. Das ahnen wir Menschen, und diese Tatsache missfällt uns.

Wie gut, dass es dann das gibt: Tatsachen, die eine andere Sprache sprechen. Die herrschen offensichtlich über jene abgehobene Sprache, gewinnen Macht über sie. Ja, diese Tatsachen sprechen offensichtlich eine eigene Sprache. Und es gibt welche, die diese eigene Sprache beherrschen und darin gut miteinander klarkommen. Und es gibt welche, denen dieses Können abgeht, obwohl sie gerne mitreden. Die also besser die Klappe halten würden – solange sie sich weigern, diese eigene Sprache zu lernen.

Wer spricht die Sprache dieser Tatsachen? Schwer zu beantworten, die Frage. Darüber wird gerne und heftig gestritten, meist ohne Ergebnis. Fake News lautet da ein Stichwort, auf gut Deutsch Falschmeldung. Unser Bibeltext für die heutige Predigt enthält eine doppelte Falschmeldung. Also sowohl etwas Erfundenes als auch den Hinweis: Da ist was falsch!

2.Sam. 12, 1Und der Herr sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. 2Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; 3aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt’s wie eine Tochter. 4Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war. Und er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war. 5Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der Herr lebt: Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! 6Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. 7Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls 8und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen in deinen Schoß, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun. 9Warum hast du denn das Wort des Herrn verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel? Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durch das Schwert der Ammoniter. 10Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, dass sie deine Frau sei…    …13Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den Herrn. Nathan sprach zu David: So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. 14Aber weil du die Feinde des Herrn durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. 15Und Nathan ging heim.

Eine Falschmeldung, was ist das überhaupt? Eine Nachricht ist gefälscht. Falsch ist sie entweder im Hinblick auf die Wirklichkeit, über die sie berichtet. Oder hinsichtlich der Zeichen und Codes, die sie zum Übertragen der Infos benutzt. Bleiben wir bei dem eben genannten. Die Urkunden von Texten und Fotos fälschen, ja, ganze Filme zu manipulieren – dank neuer Software hat sich da die Palette der Täuschungen leider sehr erweitert. Um vom gefilmten, gestelltem Live Ereignis gleich zu schweigen.

Kommen wir zum anderen Punkt. Also zu der Wirklichkeit, von der die Falschmeldung berichtet. Da gilt: Entweder ist alles komplett erstunken und erlogen, es hat sich also nie so ereignet was einem da zugetragen wird. Ok, manchmal wird auch nur in Teilen gelogen. Oder handelt sich um vereinzelte Tatsachen, die geschehen. Und deren Entstehen, obwohl zufällig, wird wie ein Gesetz dargestellt. Das angeblich zwangsläufig wirkt und massenhaft auftritt. So wie in diesem erfundenen Beispiel: Arbeitsloser Asylant überfährt mit italienischem Sportwagen trotz roter Ampel süßen Chihuahua, der nur noch drei Beine hatte. Passiert in jeder deutschen Kleinstadt zehnmal am Tag. Der Text ist so ausgereizt formuliert, dass der Haushalt der Gefühle leicht aufwallt. So hat übrigens schließlich Nathan den David mit seiner Story hinters Licht und in das Licht geführt: Empörung aus Gerechtigkeit. Und als letztes Merkmal: Man bleibt zwar bei den Tatsachen, rahmt die aber in ein anderes Verständnis ein. Kann man die Welt doch schließlich so oder so sehen, oder? Man deutet also die Story hinter der Tatsache anders als andere. Meist im Sinne eines Vorurteils oder Verdachts, welche die Gefühle vieler beherrschen. Und beansprucht in eins damit, allein über die wahre Wahrheit zu verfügen.

So gesehen kann man Gottes Wort als Falschmeldung verstehen. Auch wenn es für uns Gläubige die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist. Einige sagen: Alles erfundene Geschichten, auch wenn manches einzelne da stimmt! Mit Bedacht gewählte Worte. Um die Leute klein und dumm zu halten. Was da so alles getextet wird, das gibt es doch gar nicht in der Welt. Gerechtigkeit! Vergebung! Liebe! Auferstehung! Seifenblasen. Wunschdenken. Ammenmärchen. Diesen Vorwurf müssen wir uns als Gläubige anhören. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Ja, und das stimmt. Denn zu den Tatsachen, die eine andere Sprache sprechen, gehört die Stimme Gottes in seinem Wort. Sie spricht aus, was wahr und was falsch ist. Gott spricht Falschmeldungen aus. Er meldet uns, was falsch läuft in unserem Leben. Verschlägt uns damit unsere Sprache. Und begräbt zugleich darin unsere Lebenslügen. Gott meldet uns natürlich auch, was wahr ist und gilt für unser Leben. Schenkt uns mit seiner Stimme in seinem Wort Kraft und Mut und Vertrauen: Dass alles gut wird, obwohl einer selbst und die anderen bisher kaum dazu beitragen. Wie zu sehen bei David.

„Du bist der Mensch!“ Obwohl noch ohne Ohren und Mund, schon vor seiner Geburt begleitet die Stimme Gottes David, also sein ganzes Leben lang und darüber hinaus: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest: „Du bist der Mensch!“

Dann sicher wieder mit der Geburt, als er beschnitten wurde und seinen Namen erhielt. Ob er die Stimme da schon mit eigenen Ohren vernommen hat? Als der fremde Alte, der Samuel, ihm vor seinen großen Brüdern Öl übers Haupt gegossen hat, das hat der Kleine verstanden. In der ganzen Tragweite dessen, was das alles für sein Leben bedeuten mochte? Wie dem auch sei: Und als der Kleine später allein auf dem Feld vor dem Riesenkerl stand, spätestens da hat er diesen Satz sicher gehört und zu sich selber gesagt: „Du bist der Mensch!“ Und in eins damit: „Ich bin der Mensch!“ Und zack.

So manches Unmögliche ist mit Gott manchmal möglich. Es gilt aber auch umgekehrt: So manches Mögliche ist mit Gott manchmal unmöglich. „Du bist der Mensch! Ich bin der Mensch!“ Die Stimme in einem und die eigene Stimme. Der innere Wortwechsel. Das kann auch bedeuten: Du bist dieser eine Mensch! Und ganz bestimmt nicht jener andere! Also Gottes Falschmeldung, die mir bedeutet: „So einer bist du nicht, bin ich also nicht!“ Es gibt Sachen, die sind ganz bestimmt unmöglich. Auch einem, der von Gott laufend signalisiert bekommt: „Du bist der Mensch!“ Der kriegt von Gott zuweilen zu hören: „Als mein Mensch bist du nicht so einer!“

Auch David hat das gekannt. Zu ersehen an dieser Geschichte: König Saul verfolgt ihn mit all seiner Macht, um ihn zu töten. Zweimal fällt der König dabei in Davids Hände, so dass der den Saul umbringen könnte. Einmal in einer Höhle, in der sich weit hinten David vor Saul versteckte. In die der König aber alleine ging, um darin etwas weiter vorne seine Notdurft zu verrichten. Ein anderes Mal schleicht sich David nachts mitten ins Lager seiner königlichen Verfolger, die im Tiefschlaf sind. Und er lässt Saul das Leben, obwohl seine Leute wollen, dass er die Gelegenheit am Kragen packt. David hat Gottes Falschmeldung vernommen: Nicht so! So einer bist du nicht, so einer bin ich nicht! Gott wird es richten! Ohne Gewalt, nur durch das Wort! Ein Lehrstück in politischer Werbung, übrigens. David hat Saul zwar körperlich verschont. Schande hat er ihm aber zugefügt. Denn er hat schön laut rumposaunt, dass und wie der König ein ganz schwaches Bild vor ihm abgegeben hat.

„Du bist der Mensch!“ sagt die Stimme in einem. „Ich bin der Mensch!“ sagt einer zu sich selbst. Dieser innere Wortwechsel hat sich einen Weg nach außen gebahnt. Wurde zu Gesprächen in Wortwechseln zwischen David und seinen Mitmenschen. Jonathan, Michal Abigail, Saul, all jene haben ihm den Satz ins Gesicht gesprochen: „Du bist der Mensch!“ David hat deren Stimme laut vernommen. Mal leiser, mal lauter, mal im Guten, mal im Bösen, voller Liebe oder hasserfüllt, auf ewig oder auf Zeit. Und David hat vernehmlich dem Mitmenschen gesprochen: Du bist der Mensch! Mal leiser, mal lauter, mal im Guten, mal im Bösen, voller Liebe oder hasserfüllt, auf immer und ewig oder auf Zeit.

Und dann das: Ein vernehmliches „Ich bin der Mensch!“ Bei dem David überhörte, dass diesmal die Stimme stumm geblieben war, die in ihm tief drin: „Du bist der Mensch!“ Obwohl sie ihm von Anfang an zeitlebens zugesprochen hat. Er überhörte, dass Gottes Falschmeldung ertönte „Du bist nicht dieser Mensch!“. Von außen, von Seiten der Mitmenschen blieb ein Kommentar dazu jedenfalls aus. Kann man nachvollziehen. Wer heute auf der wenig sicheren Seite steht, der geigt einem großen Gegenüber ungern die Meinung. Selbst wenn es äußerst angebracht wäre. Zu heftig erscheint einem das Risiko.

Bibel und Weltgeschichte wimmeln von Menschen, die Gutes wollen und dabei Gottes Falschmeldung verdrängen, mal mehr, mal weniger ahnungslos. Und die dann plötzlich erkennen müssen, in aller Stille oder laut: Du bist der Mensch! Du bist der, der es verbumbeitelt hat, der die unmögliche Möglichkeit ergriffen. Jahrelang geglaubt, dass man damit durchkommt. So dass man selbst aus allen Wolken fällt, als die Falschmeldung plötzlich vernehmlich auftaucht.

Siehe zum Beispiel die Geschichte von der Steinigung der Sünderin. „Du bist die Frau!“ Sagt ihr die Stimme. „Ich bin die Frau!“, sagt die Täterin, die im Blick und in der Flucht steht. Aber schön steht sie zusammen mit ihren Anklägern. Den Werfern, die gedachten, der Sünderin gebührend den Prozess zu machen. Jeder einzelne vernimmt die Stimme in sich: „Du bist der Mann!“ Du wärst doch selbst gerne mit ihr ins Bett gegangen. Oder vielleicht hast Du das sowieso schon getan. Dann käme Dir der Tod der Frau ganz schön gelegen. Zeugenmord, hier in der Planung gestoppt. Von David damals geplant und vollstreckt an Uria, dem Ehemann seiner Geliebten und seinem Obersten. Nachdem der auf Heimaturlaub wieder an die Front zurückgekehrt ist, ohne mit seiner Gattin zu schlafen. Weil er es nicht besser haben wollte, als die ihm Anbefohlenen. Der also zwangsläufig erkannt hätte, dass seine Frau zu der Zeit nicht von ihm schwanger sein konnte. Soweit wie David sind die Steinwerfer dank der Stimme nicht gekommen. Selbst der Rufmord ist den Werfern misslungen und fast auf sie zurückgefallen.

Ankläger und Angeklagte stehen sich manchmal näher, als man so meinen möchte. Sei es von Angesicht zu Angesicht. Sei es nacheinander, von Generation zu Generation. Wenn man den ausgelöffelten Joghurtbecher schön abspült, dann glaubt man vielleicht eher, dass der im Ernst recycelt wird. Und weniger, dass der nur verbrannt wird wie das meiste. Ja, ja, man ahnt es, die böse Müllentsorgemafia, hier und im Ausland. Für weniger Müll und eine bessere Entsorgung kämpfen wir nur recht bescheiden. Ganz zu schweigen vom weniger Müll produzieren. Wir können gar nicht ohne all das. Mitgefangen, mitgehangen in unserer Gesellschaft. Auch als die wirklich Guten, die Mülltrenner, die Energiesparer, die gerechte Sprache Sprecher. Wir vermüllen mit, ob wir wollen oder nicht. Denn wir leben unser Leben nur dank der Zuarbeit unserer Mitmenschen. Und die haben es manchmal weniger so mit dem Müll trennen, Energie sparen, sich gewählt ausdrücken usw. Und das aus allerlei Gründen, guten und weniger guten. Den Guten rücken auch böse Folgen auf den Pelz, sie werden in Mitleidenschaft gezogen. Gut sind sie trotzdem, genauso wie die anderen nicht nur Böse sind. Beim Thema Klimawandel gilt desgleichen.

Gottes gute Falschmeldung begräbt unsere Lebenslügen. Wir hängen mit drin, und wenn es nur als Anhängsel ist. Das ist eine Tatsache, die eine andere Sprache spricht. Dazu hat Gott mit Bedacht Worte gewählt. Die lauten für alle, die es reut, dass sie Gutes wollen und dabei eine Falschmeldung verdrängen: „Du bist der Mensch! Und wenn Du auch so bist, wie einer, der nicht mein Mensch ist. Dir vergebe ich! Auf dass Du wieder mein Mensch bist und ein neues Ich!“

Wer will, der möge das alles ruhig weiterhin als Falschmeldung bezeichnen, als abgehoben emotional oder abgehoben kunstvoll formuliert. Gott meldet vernehmlich die Wahrheit, die Macht in unserer Sprache und Wirklichkeit gewinnt: Schwache besiegen Überlegene. Starke spielen ihre Macht nur zu Gunsten Schwacher aus. Arme Leute bekommen ihr Recht gegen den Einfluss von Mächtigen. Rechtsbrecher werden entdeckt und ihrer Strafe zugeführt. Große und kleine Übeltäter kommen mit oder ohne Anklage zur Einsicht, und bereuen und ändern, wie sie sich verhalten. Für uns Gläubige entsprechen diese Nachrichten der Stimme Gottes in seinem Wort. Seine Tatsachen sind die, die eine andere Sprache sprechen und so Macht gewinnen in unserer Sprache und Welt. Amen.


OStR Markus Kreis

Werner von Siemens Schule

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