Markus 10, 13-16

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Markus 10, 13-16

Jesus und die Kinder – und wir“ | Zehnter Sonntag nach Trinitatis | 8. August 2021 | biblischer Bezug: Markus 10, 13-16 |verfasst von Uland Spahlinger |

Sommerlicher, familienfreundlicher Gottesdienst, auch im Freien durchführbar.

Vorbemerkung: Im ländlichen Raum Westmittelfrankens, in dem ich tätig bin, sind aufgrund der bayerischen Corona-Hygienevorgaben gerade die kleinen Dorfkirchen zum Teil kaum mehr mit Gottesdiensten bespielbar. Hinzu kommt ein gewachsener Überdruss an den Innenraum-Maskenregeln. Viele Gemeinden bemühen sich darum, Gottesdienste in der Sommerzeit möglichst im Freien zu feiern.

Zudem machen sich die Kirchenvorstände Sorgen um die Möglichkeiten, an die Begegnungsräume für Kinder und Familien Anschluss zu finden, wie sie vor der Pandemie gegeben waren. Eine Möglichkeit, hier Angebote zu schaffen, sind wiederum familienfreundliche Gottesdienste im Freien. Wir haben Posaunenchöre, die sich über Einsatzmöglichkeiten freuen; manches Musikalische lässt sich auch mit Gitarrenbegleitung realisieren.

Einen solchen Gottesdienst, der auch als Tauf-oder Tauferinnerungsgottesdienst ausgebaut werden kann, stelle ich hiermit ein. Daher diesmal nicht nur die Predigt, sondern auch Liedvorschläge und ein Vorschlag zur Lesung.

Nacherzählung zum Evangelium:

„Laßt die Kinder kommen!“

Einmal war Jesus

mit gelehrten Männern

in ein Gespräch vertieft.

Da kamen Frauen mit ihren Kindern

auf der Straße daher.

Die einen führten sie an der Hand.

Die anderen trugen sie auf dem Arm.

Wie zu einem Fest kamen sie an:

eine fröhliche, lärmende Schar.

Als aber die Jünger sie sahen,

wurden sie ärgerlich.

Jesus hatte doch genug

mit den Männern zu tun!

Und nun auch noch Frauen

und schreiende Kinder?

Das ging wirklich zu weit!

„Was wollt ihr hier?“

herrschten sie die Frauen an.

„Wollt ihr etwa die Kinder

zu Jesus bringen?

Die sind doch viel zu klein!

Die verstehen ja noch nichts!

Geht nur wieder heim!

Ihr stört Jesus!“

Aber Jesus fuhr seine Jünger an.

„Laßt sie!“ rief er ärgerlich.

„Laßt die Kinder zu mir kommen

und haltet sie nicht zurück!

Denn sie gehören mehr zu Gott

als ihr alle.

Und ich sage euch:

Wenn ihr nicht werdet wie Kinder,

werdet ihr nie zu Gott kommen!“

Und er winkte die Kinder zu sich,

schloß sie fest in seine Arme,

legte die Hände auf sie

und segnete sie.[1]

Liebe Gemeinde,

Jesus ärgerlich? Irgendwie passt das so gar nicht in das Bild, das wir für gewöhnlich haben. Jesus ist doch nett. Er ist freundlich. Richtig ärgerlich war er nur einmal, meine ich: als er die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel verjagte. Normalerweise ist es doch so: Jesus spricht gut über Menschen und Tiere, über klei­ne und große Leute. Er erzählt davon, dass Gott alle Men­schen liebt. Wie ein Vater. Jesus heilt Menschen, er sorgt sich um die Gesundheit. Er tröstet Menschen und hilft ihnen, dass sie wieder dazugehören dürfen. So ken­nen wir Jesus vor allem. Warum also wird er hier ärger­lich?

Na ja, das war damals fast so wie heute, nur vielleicht noch krasser. Die Erwachsenen haben bestimmt, die Kinder hatten nichts zu sagen. Sie mussten gehorchen und sollten nicht stören. Das sagen die Jünger ja auch: Ihr stört Jesus!

Was auch noch viel krasser war als heute: auch die Frauen hatten nichts zu sagen in der Öffentlichkeit. Sie sollten das Haus ordnen und für alles sorgen, auch für die Kinder. Aber eben unauffällig. So war es eingerichtet; so war die Ordnung. So war es den Männern Recht – auch heute soll es noch Männer geben, die das ganz cool finden.

So. Und jetzt sind wir auf einem Marktplatz oder Dorf­platz. Jesus und die Männer diskutieren. Über Gott und die Welt, über richtig und falsch, über Politik vielleicht und auf jeden Fall über den Glauben.

Und da kommen sie daher. Frauen und Kinder. Sie wollen Jesus sehen. Ich glaube, sie waren ganz schön mutig – so wie es damals war. Es steht auch nicht da, was sie auf die Idee gebracht hat. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass Jesus zu allen freundlich war. Sie hatten Vertrauen: der wird es gut mit uns meinen. Der wird uns etwas sa­gen, das gut für uns ist. So könnte es gewesen sein.

Aber das brachte die Männerwelt ganz durcheinander. Die Männer werden gedacht haben: das geht ja wohl gar nicht. Die Jünger jedenfalls werden auf einmal zu Bodyguards und wollen die Frauen und Kinder wegdrängen.

Und da wird Jesus sauer. Und stellt erst einmal klar: Wenn ihr mit den Augen Gottes auf die Frauen und Kinder schauen würdet, dann würdet ihr ganz etwas anderes machen. Ihr würdet euch freuen.

Ich habe dazu ein Bild mitgebracht, das ich sehr mag. Man­che werden vielleicht meinen, na wer hat denn das mal eben so schnell hingepinselt? Aber nein, es stammt von einem sehr berühmten Maler, Emil Nolde[2] – der hat halt mit dicken Pinseln und kräftigen Farben gemalt und dabei immer etwas Besonderes eingefangen. Was ist das hier? Fangen wir mal auf der linken Seite an. Das ist die dunkle Ecke in dem Bild. Da können wir Männer entdecken, und die schauen so, dass wir erkennen: was da passiert, gefällt ihnen nicht. Ärgerlich sind sie, irgendwie ver­ständnislos. Einer verdreht die Augen. Man kann geradezu spüren, wie sie den Kopf schütteln. Die Unterbrechung passt ihnen nicht.

Auf der anderen Seite des Bildes leuchtet es: gelb und oran­ge und rot. Da ist viel Fröhlichkeit zu sehen. Da sind die Kin­der, die lachen und die Hände recken.

Und im Hintergrund die Mütter. Hoffnungsvoll, vielleicht ein bisschen unsicher. Müssen sie aber nicht sein.

Denn da ist ja noch der Mann, von dem wir nur den Rücken sehen. Er sieht an­ders aus als die anderen Männer, aber auch anders als die Frauen und Kinder. Und er steht mittendrin. Der mit dem blauen Ge­wand – das ist Jesus. Und warum sehen wir nur seinen Rücken? Weil er sich den Kindern zuwendet. Die sind jetzt die Wichtigsten. Und es macht ihm offen­sichtlich nichts aus, dass sie so zu ihm hindrängen. Im Gegenteil – es scheint ihn zu freuen, sonst würde er ihnen nicht so viel Aufmerksam­keit schenken.

Und jetzt kommt es: Warum eigentlich wendet sich Jesus den Kindern zu? Wir Erwachsenen heute würden viel­leicht sagen: Ja klar, Kinder sind wichtig, sie sind die Zu­kunft, wir brauchen sie für die Sicherung unserer Ren­ten.

Jesus sieht das ganz anders. Er sagt: Ihr Erwachsenen könnt von den Kindern etwas lernen, Vertrauen nämlich. Kinder sind arglos. Sie vertrauen ihren Eltern. Und so sind sie Vorbilder für euch, die schlauen Großen. Von ih­nen könnt ihr lernen, Gott zu vertrauen. Ihr müsst mit Gott nicht um richtig oder falsch streiten oder um Pro­zente feilschen oder einen fetten per­sönlichen Gewinn herausschlagen wollen. Gott sorgt für euch: für die Klei­nen und für die Großen. Lernt also Vertrau­en von den Kindern – und dann helft ihnen, dass sie ihr Ver­trauen bewahren können, wenn sie selbst Schritt für Schritt größer und erwachsen werden.

Und dann nimmt er sie in die Arme und segnet sie. Er sagt ihnen: Gott meint es gut mit dir, Gott ist für dich da. Bei Gott bist du immer willkommen.

So einfach ist das – eigentlich. Ob die Männer das be­griffen haben? Die Jünger – und die anderen? Für die Frauen und die Kinder war es jedenfalls ganz bestimmt ein tolles Erleb­nis. Und die dabei waren, fanden die Ge­schichte so wichtig, dass sie sie erst weitererzählt und dann aufgeschrieben haben.

Eine ganz tolle Geschichte, finde ich. Sie sagt ja nicht: Män­nergespräche sind überflüssig. Sind sie nicht. Diskussionsrunden und auch Stammtische dürfen sein. Sie sagt auch nicht: Männer und Frauen können einfach ihre Aufgaben ver­nachlässigen; das steht nicht da. Die Aufgaben des Alltags müssen gut erledigt werden, keine Frage. Sie sagt genauso wenig: Kinder dürfen al­les. Im Gegenteil: Kinder brauchen Regeln und Orientierung auf ihrem Weg ins Leben.

Wir alle, Große wie Kleine, brauchen Regeln und Vereinbarungen, die uns beim Zusammenleben helfen. Wir kennen das – manch­mal ist es nervig mit den Regeln. Und an anderen Stellen sorgen sie für Ordnung oder helfen sogar Leben retten.

Worauf es ankommt: dass wir die Regeln für die Men­schen und für unser gutes Miteinander nutzen. Und dass wir nie vergessen: alle Menschen, egal woher sie kommen, egal ob groß oder klein, egal welchen Geschlechts, alle sind gleich wichtig. Bei Gott sowieso.

Der Frankfurter Pfarrer Lothar Zenetti hat einmal etwas aufge­schrieben. Nicht wirklich eine Geschichte, aber auch nicht wirklich ein Gedicht; irgendwie etwas dazwi­schen, eine Nachdenkerei vielleicht. Er hat über Kirche und Kinder nach­gedacht. Lothar Zenetti hat einen Zusammenhang auf den Punkt gebracht, der in kirchlichen Sonntagsreden gern betont, im Alltag der Erwachsenen aber leider häufig vergessen wird. Wir als Kirche, als Gemeinde sind ja auch bei den Freunden von Jesus, bei den Jüngern. Dort gehören wir hin. Deshalb sollen wir uns an Jesus orientieren. Und deshalb passt ganz gut hierher, was Lothar Zenetti aufgeschrieben hat:

Die Kirche, denk‘ ich plötzlich,

wird einmal

die Kirche dieser Kinder sein:

Holger, mit seinen tintenverschmierten Fingern,

der immer recht haben muß.

Christian, der so gerne bunte Märchen malt

und nicht rechnen kann,

aber Geschichten erzählen.

Isabel, mit den dunklen Augen, die kaum je

etwas sagt, aber immer will sie neben mir sitzen.

Michael, der Bastler, der in allem seine Nase hat

und später Autos bauen will.

Cornelia, die behauptet, daß Gebete

immer in Erfüllung gehen,

Schwimmen ist ihr Hobby.

Sabine, die Vergeßliche, alle Tiere hat sie gern,

außer Spinnen, die Mutter hat ihr

Ballett verordnet.

Tim, der Sportsmann, er kann wirklich alles,

so stark ist er, nur lesen mag er nicht.

Ich sehe sie vor mir, alle diese Kinder,

die größer werden und schon bald

erwachsen sind.

Morgen werden sie die Kirche sein.

Ja, die Kirche, denk‘ ich,

wird einmal

die Kirche dieser Kinder sein.[3]

Und von diesen Kindern sagt Jesus: lasst sie zu mir kom­men. Uns Erwachsenen ins Stammbuch geschrieben und zum Beherzigen empfohlen.

Schön, dass Ihr alle heute da seid. Und Ihr Kinder ganz besonders.

Amen.

Im Anschluss an die Predigt haben wir im Freiluftgottesdienst am Spielplatz in Obermichelbach das Gerhard-Schöne-Lied „Alles muss klein beginnen“, die Strophen 1,2 und 4 gesungen; den Kehrvers mit leichten gymnastischen Übungen unterlegt:

Lied nach der Predigt – Kehrvers:

Alles muss klein beginnen (zweimal Hände reiben),
lass etwas Zeit verrinnen (zweimal mit den Fingern schnippen).
Es muss nur Kraft gewinnen (zweimal klatschen),
und endlich ist es groß (einmal stampfen).

Verse:

Schau nur dieses Körnchen, ach man sieht es kaum,

gleicht bald einem Grashalm. Später wird´s ein Baum.
Und nach vielen Jahren, wenn ich Rentner bin,
spendet er mir Schatten, singt die Amsel drin: (Kehrvers)

Schau die feine Quelle zwischen Moos und Stein,
sammelt sich im Tale, um ein Bach zu sein.
Wird zum Fluß anschwellen, fließt zur Ostsee hin,
braust dort ganz gewaltig, singt das Fischlein drin: (Kehrvers)

Manchmal denk ich traurig: Ich bin viel zu klein!
Kann ja doch nichts machen! Und dann fällt mir ein:
Erst einmal beginnen. Hab ich das geschafft,
nur nicht mutlos werden, dann wächst auch die Kraft.

Und dann seh ich staunend: Ich bin nicht allein.
Viele, viele Kleine stimmen mit mir ein: (Kehrvers)[4]

(Weitere Lieder: EG 503 und EG 511)

Dekan Uand Spahlinger, Dinkelsbühl

uland.spahlinger@elkb.de

[1] Irmgard Weth, Neukirchner Kinderbibel, Neukirchen-Vluyn 1988, S 217f.

[2] Emil Nolde, Christus und die Kinder, zu finden u.a. bei https://www.pius-kirchgessner.de/07_Bildmeditationen/8_Neues-Testament/Kinder.htm

[3] Lothar Zenetti, Kirche von morgen, in: Die wunderbare Zeitvermehrung. Variationen zum Evangelium, München 1983², S. 50

[4] Gerhard Schöne, Alles muss klein beginnen, Das Kindergesangbuch, Claudius Verlag München 1998 Nr 46, S. 80/81

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