Klagelieder 3,22-26;31

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Klagelieder 3,22-26;31

 „Darum hoffe ich noch…“ | Klagl 3, 22 – 26, 31 – 32 | 16. So n. Trinitatis | von Michael Plathow | 

Gebet: Phil 2, 5 – 11 (EG 586)

Predigttext nach BasisBibel: Klagl 3, 22 – 26. 31 – 32

„Darum hoffe ich noch…!“ – leise kam es über ihre Lippen. Wochen der Sorge und Angst lagen hinter ihr: Diagnosen und Therapievorschläge, dann die mehrstündige Operation mit folgender Besserung. Und nun der erneute Negativbescheid. – Enttäuschung, Schweigen bei ihrem Mann und den Kindern. Und sie? – Sie sagte leise: „Darum hoffe ich noch…!“

Vergleichbar spricht das soeben gehörte 3. Klagelied, das dem Propheten Jeremia zugeschrieben wird. Die „Basis Bibel“ führt die alphabetische Gliederung dieses Klagepsalms vor Augen. Gesungen wurde das Lied nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 587. Ein Trauma. Alles war zerstört, zusammen gebrochen: Lebensprojekte und Geschäftsmodelle, geistliche Heimat, physisches Wohlsein und psychische Erfüllung.

Nicht wenige erleben das in diesen Monaten der lebenswidrigen Pandemie. Zugleich aber erfahren sie auch mitmenschliche Solidarität: Insolvenz, aber auch staatliche Hilfe; Krankheit, aber auch professionelle Pflege; Einsamkeit, aber auch Zeichen der Liebe.

Hier in diesem Gebet steigen bedrückende Trauer und bittere Klage gen Himmel, ja, Anklage gegen Gott. Fern und verborgen sei er. Solche Klagen und Anklagen kamen und kommen immer wieder über die Lippen. Abwesend scheint der lebendige Gott, der Gott der Verheißungen. Der Beter schreit seine Not heraus. Wer klagt, jammert nicht; wer klagt, hofft. Angefochten und zweifelnd sehnt er Gottes Nähe und Hilfe herbei.

Zugleich geht der Beter in sich: „Dies nehme ich mir zu Herzen“. Er erkennt den Riss mit Gott; dem Willen Gottes hat er sich verschlossen. Er gesteht seine Schuld.

Und da die Wende. Dem leidvollen Herzen fließt der Mund über. Er bekennt: „Dennoch will ich meine Hoffnung auf den Herrn setzen“ (Ps 71, 23). Gottes Güte, Gottes „Aber“, ist´s, dass er nicht am Ende ist. Die Klagepsalmen eröffnen so nach dem Gebet aus der Tiefe mit einem „Aber“ die Kehrtwende: „Ich aber vertraue darauf, dass du gnädig bist“ (Ps 13, 6). Die Klage ist Ausdrucks der Zuversicht und des Glaubens.

Der Beter klammert sich an Gottes Ja hinter dem Nein. Hoffend wendet er sich zu dem, der für, nicht gegen, ihn ist. Zuversichtlich wirft er sich in die Arme dessen, der ihm gut ist und der wirklich helfen kann: hin zum lebendigen Gott. Denn Gottes Verheißung gilt. Sein Erbarmen hat noch lange kein Ende. Gott ist ihm näher, als er sich selbst ist. Und im Gebet flieht er hin zu dem, der ihm vorausgehend nahe ist.

In Jesus Christus offenbart sich Gott so, wie er eigentlich ist. Er öffnet sein Inneres, sein Herz. Gott selbst ist es, der bekennen lässt: „Seine Güte hört nicht auf“. Seine Treue ist groß.

Durch und durch, bis an die Nieren, geht dem nicht leidenschaftslosen Gott unsere Verwundung an, unser Leid. Im erschreckenden, zugleich anstößigen Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Vater, warum hast du mich verlassen“ wird es einmalig laut. Alle Klagen klingen mit im Schrei des Sohnes zum Vater. Verwundet, gekreuzigt, erniedrigt am tiefsten Punkt ist er. Und gerade so ist er es, der stellvertretend in hingebender Liebe die Menschen mit Gott versöhnt.

Gott der Vater „aber“ erhört und erhöht ihn. Gott setzt ihn ins Recht. Und in der Auferstehung hat Christus die letztgültige Macht von Leid und Tod überwunden: Christus victor, der Sieger. Versöhnung mit Gott und untereinander schenkt er allen, die mit ihm Gemeinschaft haben. Erlösung verheißt er allen, die in der noch unerlösten Welt auf ihn hoffen. Und denen, die im tiefen Leid auf Gottes Güte und Erbarmen vertrauen, wird der Mund geöffnet zum Bekennen: „Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes des Vaters“ (Phil 2, 11).

Ja, der lebendige Gott, von geduldiger Treue und großer Güte, verstößt nicht auf immer. Hat er heimgesucht und betrübt, so ist er doch barmherzig nach der Fülle seiner Gnade. „Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. Wir haben einen Gott, der da hilft“ (Ps 68, 20f). Seine Gnade ist groß alle Morgen neu. Denn  – wie der Wochenspruch bekennt – „Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium“ (2 Tim1, 10b). So setze ich meine Hoffnung auf den Herrn.

Und – Gott sei Dank! Bei der anfangs erzählten Frau erfüllte sich ihre Hoffnung. Durch ärztliche Kunst wurde ihr eine weitere Lebenszeit mit Einschränkungen von Gott geschenkt. „Darum hoffe ich noch …!“

Und so bete auch ich mit dem Lied:

„Meine Hoffnung und meine Freude,

meine Stärke, mein Licht,

Christus, meine Zuversicht.

Auf ihn vertrau ich und fürcht´mich nicht,

auf ihn vertrau ich und fürcht´mich nicht“. Amen.

Prof. Dr. Michael Plathow, Pfr. i. R.

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